Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechzehnte Betrachtung.
Wege des Verderbens auf den Weg der Tugend zurück
brachte? Ach, schon längst wäre ich in meinen Sünden
zu Grunde gegangen, oder mein Herz hätte sich ge-
gen alle Rührung gänzlich verhärtet, wenn du mich nicht
deiner Sorgfalt gewürdiget hättest. Als ich auf den
schädlichsten Irrwegen wandelte, mit welcher Treue bist
du mir nachgegangen, mit welcher Güte hast du mich
aufgesucht, mit welcher Macht hast du mich aus allen
Gefahren gerissen. Als ich dich durch Heucheley ver-
läugnete, wie herzlich hast du mich gesucht, daß meine
Seele nicht verdürbe! Mein Herr und mein Gott! ent-
ziehe mir nie deine Gnade! Blicke mich mitleidig an,
wenn ich dich durch Worte oder Gedanken, oder durch
meine Werke verläugne, damit ich nicht als ein Feind
deines Creuzes sterben möge. Blicke mich mit zärtlicher
Erbarmung an, wenn mich die Versuchungen überwälti-
gen wollen, damit ich Muth und Stärke erhalte. Blicke
mich an, wenn ich bey der Erinnerung meiner Sünden
trostlos verzagen sollte, damit ich Ruhe für meine See-
le finde. Blicke mich an, wenn ich einst auf meinem Ster-
belager hüflos, schwach und freudenleer da liegen werde,
damit ich in meiner Todesangst Stärkung finden möge.



Sechzehnte Betrachtung.
Petri Busse.
Luc. 22, 62.
Und Petrus gieng hinaus, und weinte bitterlich.

Solche herzlenkende Kraft hatte der Anblick des lei-
denden Jesu. Hier bewies er sich in seinen Ban-
den als den Herrn, der die Herzen der Menschen
in seiner Gewalt hat. Wie ohnmächtig und fruchtlos

sind

Sechzehnte Betrachtung.
Wege des Verderbens auf den Weg der Tugend zurück
brachte? Ach, ſchon längſt wäre ich in meinen Sünden
zu Grunde gegangen, oder mein Herz hätte ſich ge-
gen alle Rührung gänzlich verhärtet, wenn du mich nicht
deiner Sorgfalt gewürdiget hätteſt. Als ich auf den
ſchädlichſten Irrwegen wandelte, mit welcher Treue biſt
du mir nachgegangen, mit welcher Güte haſt du mich
aufgeſucht, mit welcher Macht haſt du mich aus allen
Gefahren geriſſen. Als ich dich durch Heucheley ver-
läugnete, wie herzlich haſt du mich geſucht, daß meine
Seele nicht verdürbe! Mein Herr und mein Gott! ent-
ziehe mir nie deine Gnade! Blicke mich mitleidig an,
wenn ich dich durch Worte oder Gedanken, oder durch
meine Werke verläugne, damit ich nicht als ein Feind
deines Creuzes ſterben möge. Blicke mich mit zärtlicher
Erbarmung an, wenn mich die Verſuchungen überwälti-
gen wollen, damit ich Muth und Stärke erhalte. Blicke
mich an, wenn ich bey der Erinnerung meiner Sünden
troſtlos verzagen ſollte, damit ich Ruhe für meine See-
le finde. Blicke mich an, wenn ich einſt auf meinem Ster-
belager hüflos, ſchwach und freudenleer da liegen werde,
damit ich in meiner Todesangſt Stärkung finden möge.



Sechzehnte Betrachtung.
Petri Buſſe.
Luc. 22, 62.
Und Petrus gieng hinaus, und weinte bitterlich.

Solche herzlenkende Kraft hatte der Anblick des lei-
denden Jeſu. Hier bewies er ſich in ſeinen Ban-
den als den Herrn, der die Herzen der Menſchen
in ſeiner Gewalt hat. Wie ohnmächtig und fruchtlos

ſind
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0096" n="74"/><fw place="top" type="header">Sechzehnte Betrachtung.</fw><lb/>
Wege des Verderbens auf den Weg der Tugend zurück<lb/>
brachte? Ach, &#x017F;chon läng&#x017F;t wäre ich in meinen Sünden<lb/>
zu Grunde gegangen, oder mein Herz hätte &#x017F;ich ge-<lb/>
gen alle Rührung gänzlich verhärtet, wenn du mich nicht<lb/>
deiner Sorgfalt gewürdiget hätte&#x017F;t. Als ich auf den<lb/>
&#x017F;chädlich&#x017F;ten Irrwegen wandelte, mit welcher Treue bi&#x017F;t<lb/>
du mir nachgegangen, mit welcher Güte ha&#x017F;t du mich<lb/>
aufge&#x017F;ucht, mit welcher Macht ha&#x017F;t du mich aus allen<lb/>
Gefahren geri&#x017F;&#x017F;en. Als ich dich durch Heucheley ver-<lb/>
läugnete, wie herzlich ha&#x017F;t du mich ge&#x017F;ucht, daß meine<lb/>
Seele nicht verdürbe! Mein Herr und mein Gott! ent-<lb/>
ziehe mir nie deine Gnade! Blicke mich mitleidig an,<lb/>
wenn ich dich durch Worte oder Gedanken, oder durch<lb/>
meine Werke verläugne, damit ich nicht als ein Feind<lb/>
deines Creuzes &#x017F;terben möge. Blicke mich mit zärtlicher<lb/>
Erbarmung an, wenn mich die Ver&#x017F;uchungen überwälti-<lb/>
gen wollen, damit ich Muth und Stärke erhalte. Blicke<lb/>
mich an, wenn ich bey der Erinnerung meiner Sünden<lb/>
tro&#x017F;tlos verzagen &#x017F;ollte, damit ich Ruhe für meine See-<lb/>
le finde. Blicke mich an, wenn ich ein&#x017F;t auf meinem Ster-<lb/>
belager hüflos, &#x017F;chwach und freudenleer da liegen werde,<lb/>
damit ich in meiner Todesang&#x017F;t Stärkung finden möge.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head>Sechzehnte Betrachtung.<lb/>
Petri Bu&#x017F;&#x017F;e.</head><lb/>
          <cit>
            <quote><hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">Luc.</hi> 22, 62.</hi><lb/>
Und Petrus gieng hinaus, und weinte bitterlich.</quote>
          </cit><lb/>
          <p><hi rendition="#in">S</hi>olche herzlenkende Kraft hatte der Anblick des lei-<lb/>
denden Je&#x017F;u. Hier bewies er &#x017F;ich in &#x017F;einen Ban-<lb/>
den als den Herrn, der die Herzen der Men&#x017F;chen<lb/>
in &#x017F;einer Gewalt hat. Wie ohnmächtig und fruchtlos<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ind</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0096] Sechzehnte Betrachtung. Wege des Verderbens auf den Weg der Tugend zurück brachte? Ach, ſchon längſt wäre ich in meinen Sünden zu Grunde gegangen, oder mein Herz hätte ſich ge- gen alle Rührung gänzlich verhärtet, wenn du mich nicht deiner Sorgfalt gewürdiget hätteſt. Als ich auf den ſchädlichſten Irrwegen wandelte, mit welcher Treue biſt du mir nachgegangen, mit welcher Güte haſt du mich aufgeſucht, mit welcher Macht haſt du mich aus allen Gefahren geriſſen. Als ich dich durch Heucheley ver- läugnete, wie herzlich haſt du mich geſucht, daß meine Seele nicht verdürbe! Mein Herr und mein Gott! ent- ziehe mir nie deine Gnade! Blicke mich mitleidig an, wenn ich dich durch Worte oder Gedanken, oder durch meine Werke verläugne, damit ich nicht als ein Feind deines Creuzes ſterben möge. Blicke mich mit zärtlicher Erbarmung an, wenn mich die Verſuchungen überwälti- gen wollen, damit ich Muth und Stärke erhalte. Blicke mich an, wenn ich bey der Erinnerung meiner Sünden troſtlos verzagen ſollte, damit ich Ruhe für meine See- le finde. Blicke mich an, wenn ich einſt auf meinem Ster- belager hüflos, ſchwach und freudenleer da liegen werde, damit ich in meiner Todesangſt Stärkung finden möge. Sechzehnte Betrachtung. Petri Buſſe. Luc. 22, 62. Und Petrus gieng hinaus, und weinte bitterlich. Solche herzlenkende Kraft hatte der Anblick des lei- denden Jeſu. Hier bewies er ſich in ſeinen Ban- den als den Herrn, der die Herzen der Menſchen in ſeiner Gewalt hat. Wie ohnmächtig und fruchtlos ſind

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/96
Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/96>, abgerufen am 22.07.2024.