1. Wie vieler Mittel bedient sich Gott, den Sünder heilsam zu erschrecken und zum Nachdenken zu bringen! Aber wie oft werden die Absichten Gottes aus Schuld des Sünders vereitelt!
2. Jesus empfand an der Stelle der Menschen das Elend in seiner unendlichen Grösse, welches in der Verlassung von Gott besteht, und erwarb dadurch die Gnade seines Vaters.
3. Jesus verlohr auch unter dem empfindlichsten Leiden nicht im geringsten die Liebe und das Zutrauen zu seinem himmlischen Vater. Ich will daher in aller Noth ihn feste halten.
4. Wie groß muß der Haß Gottes gegen die Sünde seyn, da Jesus um derselben willen so sehr gemartert und zerschlagen ist!
5. Da Jesus, der geliebte Sohn des Vaters, verlassen wur- de, wie kann es mir fremde dünken, wenn ich Stunden erlebe, worinn mir nach Trost und Hülfe bange ist?
6. Der am Kreuze verlassene Jesus sey mein Trost gegen alle Widerwärtigkeiten des Lebens, gegen die Furcht des Todes, und gegen die Schrecken des Grabes!
7. Diejenigen, die Jesum in seiner grossen Angst verspotteten, sind ein verabscheuungswürdiges Bild von der Denkungsart und Bosheit der heutigen Religionsspötter.
48. Durst und Tränkung Jesu.
Von diesem Augenblicke an nahm die tödtliche Ent- kräftung Jesu sichtbar zu. Er wußte, daß nun beynahe alles, was von ihm geweissaget worden war, in Erfüllung gegangen. Nur fehlte noch vor seinem Tode, daß er, nach der Weissagung des zwey und zwanzigsten Psalms, sei- nen Durst zu erkennen gäbe. Auch dis erfüllte er dadurch, da er ausrief: Mich dürstet. Die Soldaten, welche um das Kreuz standen, machten sogleich Anstalt, ihn zu tränken. Es stand ein Gefäß in der Nähe, worinn Wein- eßig, der Trank der Soldaten, aufbehalten war. Man füllte einen Schwamm mit diesem Getränk an, und reichte ihn Jesu an einem Ysopenstengel dar. Auch dieser Umstand
gab
Zweyter Abſchnitt.
Praktiſche Anmerkungen.
1. Wie vieler Mittel bedient ſich Gott, den Sünder heilſam zu erſchrecken und zum Nachdenken zu bringen! Aber wie oft werden die Abſichten Gottes aus Schuld des Sünders vereitelt!
2. Jeſus empfand an der Stelle der Menſchen das Elend in ſeiner unendlichen Gröſſe, welches in der Verlaſſung von Gott beſteht, und erwarb dadurch die Gnade ſeines Vaters.
3. Jeſus verlohr auch unter dem empfindlichſten Leiden nicht im geringſten die Liebe und das Zutrauen zu ſeinem himmliſchen Vater. Ich will daher in aller Noth ihn feſte halten.
4. Wie groß muß der Haß Gottes gegen die Sünde ſeyn, da Jeſus um derſelben willen ſo ſehr gemartert und zerſchlagen iſt!
5. Da Jeſus, der geliebte Sohn des Vaters, verlaſſen wur- de, wie kann es mir fremde dünken, wenn ich Stunden erlebe, worinn mir nach Troſt und Hülfe bange iſt?
6. Der am Kreuze verlaſſene Jeſus ſey mein Troſt gegen alle Widerwärtigkeiten des Lebens, gegen die Furcht des Todes, und gegen die Schrecken des Grabes!
7. Diejenigen, die Jeſum in ſeiner groſſen Angſt verſpotteten, ſind ein verabſcheuungswürdiges Bild von der Denkungsart und Bosheit der heutigen Religionsſpötter.
48. Durſt und Tränkung Jeſu.
Von dieſem Augenblicke an nahm die tödtliche Ent- kräftung Jeſu ſichtbar zu. Er wußte, daß nun beynahe alles, was von ihm geweiſſaget worden war, in Erfüllung gegangen. Nur fehlte noch vor ſeinem Tode, daß er, nach der Weiſſagung des zwey und zwanzigſten Pſalms, ſei- nen Durſt zu erkennen gäbe. Auch dis erfüllte er dadurch, da er ausrief: Mich dürſtet. Die Soldaten, welche um das Kreuz ſtanden, machten ſogleich Anſtalt, ihn zu tränken. Es ſtand ein Gefäß in der Nähe, worinn Wein- eßig, der Trank der Soldaten, aufbehalten war. Man füllte einen Schwamm mit dieſem Getränk an, und reichte ihn Jeſu an einem Yſopenſtengel dar. Auch dieſer Umſtand
gab
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Zweyter Abſchnitt.
Praktiſche Anmerkungen.
1. Wie vieler Mittel bedient ſich Gott, den Sünder heilſam
zu erſchrecken und zum Nachdenken zu bringen! Aber wie oft
werden die Abſichten Gottes aus Schuld des Sünders vereitelt!
2. Jeſus empfand an der Stelle der Menſchen das Elend in
ſeiner unendlichen Gröſſe, welches in der Verlaſſung von Gott
beſteht, und erwarb dadurch die Gnade ſeines Vaters.
3. Jeſus verlohr auch unter dem empfindlichſten Leiden nicht
im geringſten die Liebe und das Zutrauen zu ſeinem himmliſchen
Vater. Ich will daher in aller Noth ihn feſte halten.
4. Wie groß muß der Haß Gottes gegen die Sünde ſeyn, da
Jeſus um derſelben willen ſo ſehr gemartert und zerſchlagen iſt!
5. Da Jeſus, der geliebte Sohn des Vaters, verlaſſen wur-
de, wie kann es mir fremde dünken, wenn ich Stunden erlebe,
worinn mir nach Troſt und Hülfe bange iſt?
6. Der am Kreuze verlaſſene Jeſus ſey mein Troſt gegen alle
Widerwärtigkeiten des Lebens, gegen die Furcht des Todes, und
gegen die Schrecken des Grabes!
7. Diejenigen, die Jeſum in ſeiner groſſen Angſt verſpotteten,
ſind ein verabſcheuungswürdiges Bild von der Denkungsart und
Bosheit der heutigen Religionsſpötter.
48. Durſt und Tränkung Jeſu.
Von dieſem Augenblicke an nahm die tödtliche Ent-
kräftung Jeſu ſichtbar zu. Er wußte, daß nun beynahe
alles, was von ihm geweiſſaget worden war, in Erfüllung
gegangen. Nur fehlte noch vor ſeinem Tode, daß er, nach
der Weiſſagung des zwey und zwanzigſten Pſalms, ſei-
nen Durſt zu erkennen gäbe. Auch dis erfüllte er dadurch,
da er ausrief: Mich dürſtet. Die Soldaten, welche
um das Kreuz ſtanden, machten ſogleich Anſtalt, ihn zu
tränken. Es ſtand ein Gefäß in der Nähe, worinn Wein-
eßig, der Trank der Soldaten, aufbehalten war. Man
füllte einen Schwamm mit dieſem Getränk an, und reichte
ihn Jeſu an einem Yſopenſtengel dar. Auch dieſer Umſtand
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/304>, abgerufen am 01.07.2024.
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