Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.Von dem Leiden Jesu selbst. den scharlachnen Mantel wieder ab, und zogen ihm seineeignen Kleider an. Das Kreuz wurde herbeygeschaft und die Hände Jesu wurden von den Soldaten an das Queerholz angebunden. Man führte ihn von dem Pallaste des Pi- latus weg nach der Schädelstätte, welche nach der damals gewöhnlichen Mundart Golgatha hieß. Dieser Hügel lag ausser der Stadt, etwa in einer Entfernung von zwey- hundert und funfzig Schritten von Jerusalem. Den gan- zen Weg über durch die Stadt trug Jesus selbst den Kreu- zesbalken. Allein da man mit ihm vor das Thor kam, so nahm seine Schwachheit so merklich zu, daß er unvermö- gend war, das Kreuz weiter zu tragen. Zu gutem Glück begegnete ihnen ein Mann, Namens Simon, der aus Cy- rene, einer grossen Stadt in Africa gebürtig, und ein Va- ter des Alexandri und Ruffi war, die nachher Christen und Lehrer des Evangelii wurden. Diesen zwungen sie, Jesu das Kreuz abzunehmen. Sie legten es ihm ganz auf, da- mit er es hinter Jesu her trüge. Praktische Anmerkungen. 1. Jesus, der vor einigen Tagen unter dem jauchzenden Zu- 2. Wir halten es oft für ein Ohngefähr, wenn uns unvermu- 3. Gott suchte seinem Sohne in der äussersten Entkräftung ei- 4. Ich bin als ein Christ verpflichtet, mich zur Uebernehmung 5. Der menschlichen Natur scheint das Leiden eine schwere Last 6. Lasset
Von dem Leiden Jeſu ſelbſt. den ſcharlachnen Mantel wieder ab, und zogen ihm ſeineeignen Kleider an. Das Kreuz wurde herbeygeſchaft und die Hände Jeſu wurden von den Soldaten an das Queerholz angebunden. Man führte ihn von dem Pallaſte des Pi- latus weg nach der Schädelſtätte, welche nach der damals gewöhnlichen Mundart Golgatha hieß. Dieſer Hügel lag auſſer der Stadt, etwa in einer Entfernung von zwey- hundert und funfzig Schritten von Jeruſalem. Den gan- zen Weg über durch die Stadt trug Jeſus ſelbſt den Kreu- zesbalken. Allein da man mit ihm vor das Thor kam, ſo nahm ſeine Schwachheit ſo merklich zu, daß er unvermö- gend war, das Kreuz weiter zu tragen. Zu gutem Glück begegnete ihnen ein Mann, Namens Simon, der aus Cy- rene, einer groſſen Stadt in Africa gebürtig, und ein Va- ter des Alexandri und Ruffi war, die nachher Chriſten und Lehrer des Evangelii wurden. Dieſen zwungen ſie, Jeſu das Kreuz abzunehmen. Sie legten es ihm ganz auf, da- mit er es hinter Jeſu her trüge. Praktiſche Anmerkungen. 1. Jeſus, der vor einigen Tagen unter dem jauchzenden Zu- 2. Wir halten es oft für ein Ohngefähr, wenn uns unvermu- 3. Gott ſuchte ſeinem Sohne in der äuſſerſten Entkräftung ei- 4. Ich bin als ein Chriſt verpflichtet, mich zur Uebernehmung 5. Der menſchlichen Natur ſcheint das Leiden eine ſchwere Laſt 6. Laſſet
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Von dem Leiden Jeſu ſelbſt.
den ſcharlachnen Mantel wieder ab, und zogen ihm ſeine
eignen Kleider an. Das Kreuz wurde herbeygeſchaft und die
Hände Jeſu wurden von den Soldaten an das Queerholz
angebunden. Man führte ihn von dem Pallaſte des Pi-
latus weg nach der Schädelſtätte, welche nach der damals
gewöhnlichen Mundart Golgatha hieß. Dieſer Hügel
lag auſſer der Stadt, etwa in einer Entfernung von zwey-
hundert und funfzig Schritten von Jeruſalem. Den gan-
zen Weg über durch die Stadt trug Jeſus ſelbſt den Kreu-
zesbalken. Allein da man mit ihm vor das Thor kam, ſo
nahm ſeine Schwachheit ſo merklich zu, daß er unvermö-
gend war, das Kreuz weiter zu tragen. Zu gutem Glück
begegnete ihnen ein Mann, Namens Simon, der aus Cy-
rene, einer groſſen Stadt in Africa gebürtig, und ein Va-
ter des Alexandri und Ruffi war, die nachher Chriſten und
Lehrer des Evangelii wurden. Dieſen zwungen ſie, Jeſu
das Kreuz abzunehmen. Sie legten es ihm ganz auf, da-
mit er es hinter Jeſu her trüge.
Praktiſche Anmerkungen.
1. Jeſus, der vor einigen Tagen unter dem jauchzenden Zu-
ruffe des Volkes durch die Straſſen Jeruſalems gieng, muſte
jetzt als ein Verurtheilter unter-groſſer Verachtung dieſen Weg
gehen. Sobald ändert ſich der Ruhm und das Glück der Welt.
2. Wir halten es oft für ein Ohngefähr, wenn uns unvermu-
thet dieſes odes jenes Leiden aufſtößt: allein es iſt allezeit dabey
die weiſe Regierung Gottes geſchäftig, die dadurch unſer Beſtes
befördert.
3. Gott ſuchte ſeinem Sohne in der äuſſerſten Entkräftung ei-
nige Unterſtützung zu verſchaffen. Dis iſt für mich ein tröſtlicher
Gedanke, wenn auch ich die Schwachheit meiner Kräfte fühle.
4. Ich bin als ein Chriſt verpflichtet, mich zur Uebernehmung
einiger Leiden zu bequemen.
5. Der menſchlichen Natur ſcheint das Leiden eine ſchwere Laſt
zu ſeyn: allein die Gnade macht ſie leicht und erträglich.
6. Laſſet
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