1. Auch die größten Bösewichter können nicht allezeit die Stimme ihres aufgewachten Gewissens dämpfen oder unter- drücken.
2. Ernsthafte Gedanken von Gott und seiner Gerechtigkeit können auch das gefühlloseste Herz bisweilen erschüttern.
3. Die Mächtigen der Welt vergessen es gar zu leicht, daß sie ihre Macht von Gott haben, und also nicht nach ihrer Will- kühr handeln können.
4. Alle Vorzüge, Gaben und Veränderungen der Menschen rühren von der Regierung Gottes her.
5. Obrigkeitliche Personen werden vor andern Menschen eine schwere Rechenschast Gott abzulegen haben, wenn sie die Pflich- ten ihres Amtes übertreten.
6. Je grösser die Mittel der Erkenntniß und der Gottseligkeit sind, wider welche wir sündigen, desto grösser ist auch unsre Verschuldung.
36. Verurtheilung Jesu.
Diese Rede Jesu machte auf das Herz Pilati einen so starken Eindruck, daß er von dem Augenblick an seine Bemühung verdoppelte, Jesum in Freyheit zu setzen. Zu diesem Ende gieng er nochmals zu dem versammleten Vol- ke heraus, und that ihnen von neuem wegen der Loslassung Jesu Vorstellungen. Allein das Volk rief ihm zu: Wenn du diesen Menschen loslässest, so bist du kein redli- cher Diener des Kaisers. Denn es ist unläugbar, daß derjenige, welcher sich bey uns zum Könige auf- wirft, sich wider den Kaiser empören müsse. Pila- tus gerieth über diese Rede der Juden in die äusserste Ver- wirrung, weil er wußte, mit welcher Strenge der Kaiser alle Verbrechen, die nur den Schein einer Empörung hat- ten, geahndet wissen wollte. Er setzte sich daher auf dem gepflasterten Gerichtsplatze, welcher auf Ebräisch Gabbatha heißt, auf den Richtstuhl nieder, und ließ Jesum wieder
vor
Von dem Leiden Jeſu ſelbſt.
Praktiſche Anmerkungen.
1. Auch die größten Böſewichter können nicht allezeit die Stimme ihres aufgewachten Gewiſſens dämpfen oder unter- drücken.
2. Ernſthafte Gedanken von Gott und ſeiner Gerechtigkeit können auch das gefühlloſeſte Herz bisweilen erſchüttern.
3. Die Mächtigen der Welt vergeſſen es gar zu leicht, daß ſie ihre Macht von Gott haben, und alſo nicht nach ihrer Will- kühr handeln können.
4. Alle Vorzüge, Gaben und Veränderungen der Menſchen rühren von der Regierung Gottes her.
5. Obrigkeitliche Perſonen werden vor andern Menſchen eine ſchwere Rechenſchaſt Gott abzulegen haben, wenn ſie die Pflich- ten ihres Amtes übertreten.
6. Je gröſſer die Mittel der Erkenntniß und der Gottſeligkeit ſind, wider welche wir ſündigen, deſto gröſſer iſt auch unſre Verſchuldung.
36. Verurtheilung Jeſu.
Dieſe Rede Jeſu machte auf das Herz Pilati einen ſo ſtarken Eindruck, daß er von dem Augenblick an ſeine Bemühung verdoppelte, Jeſum in Freyheit zu ſetzen. Zu dieſem Ende gieng er nochmals zu dem verſammleten Vol- ke heraus, und that ihnen von neuem wegen der Loslaſſung Jeſu Vorſtellungen. Allein das Volk rief ihm zu: Wenn du dieſen Menſchen losläſſeſt, ſo biſt du kein redli- cher Diener des Kaiſers. Denn es iſt unläugbar, daß derjenige, welcher ſich bey uns zum Könige auf- wirft, ſich wider den Kaiſer empören müſſe. Pila- tus gerieth über dieſe Rede der Juden in die äuſſerſte Ver- wirrung, weil er wußte, mit welcher Strenge der Kaiſer alle Verbrechen, die nur den Schein einer Empörung hat- ten, geahndet wiſſen wollte. Er ſetzte ſich daher auf dem gepflaſterten Gerichtsplatze, welcher auf Ebräiſch Gabbatha heißt, auf den Richtſtuhl nieder, und ließ Jeſum wieder
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Von dem Leiden Jeſu ſelbſt.
Praktiſche Anmerkungen.
1. Auch die größten Böſewichter können nicht allezeit die
Stimme ihres aufgewachten Gewiſſens dämpfen oder unter-
drücken.
2. Ernſthafte Gedanken von Gott und ſeiner Gerechtigkeit
können auch das gefühlloſeſte Herz bisweilen erſchüttern.
3. Die Mächtigen der Welt vergeſſen es gar zu leicht, daß
ſie ihre Macht von Gott haben, und alſo nicht nach ihrer Will-
kühr handeln können.
4. Alle Vorzüge, Gaben und Veränderungen der Menſchen
rühren von der Regierung Gottes her.
5. Obrigkeitliche Perſonen werden vor andern Menſchen eine
ſchwere Rechenſchaſt Gott abzulegen haben, wenn ſie die Pflich-
ten ihres Amtes übertreten.
6. Je gröſſer die Mittel der Erkenntniß und der Gottſeligkeit
ſind, wider welche wir ſündigen, deſto gröſſer iſt auch unſre
Verſchuldung.
36. Verurtheilung Jeſu.
Dieſe Rede Jeſu machte auf das Herz Pilati einen
ſo ſtarken Eindruck, daß er von dem Augenblick an ſeine
Bemühung verdoppelte, Jeſum in Freyheit zu ſetzen. Zu
dieſem Ende gieng er nochmals zu dem verſammleten Vol-
ke heraus, und that ihnen von neuem wegen der Loslaſſung
Jeſu Vorſtellungen. Allein das Volk rief ihm zu: Wenn
du dieſen Menſchen losläſſeſt, ſo biſt du kein redli-
cher Diener des Kaiſers. Denn es iſt unläugbar,
daß derjenige, welcher ſich bey uns zum Könige auf-
wirft, ſich wider den Kaiſer empören müſſe. Pila-
tus gerieth über dieſe Rede der Juden in die äuſſerſte Ver-
wirrung, weil er wußte, mit welcher Strenge der Kaiſer
alle Verbrechen, die nur den Schein einer Empörung hat-
ten, geahndet wiſſen wollte. Er ſetzte ſich daher auf dem
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/289>, abgerufen am 01.07.2024.
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