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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Zweyter Abschnitt.

9. Auch die widriggesinntesten Menschen werden oft mite in-
ander vereiniget, wenn sie wider Christum, oder wider seine
Lehre, oder wider sein Reich Anschläge fassen.

29. Versuche Pilati Jesum loszulassen.

Nachdem Jesus vom Herodes zu Pilato zurückge-
führt worden war, so berief dieser den hohen Rath wieder
vor seinen Pallast und sprach zu ihnen: Ihr habt die-
sen Menschen bey mir verklagt, als wenn er das
Volk aufwiegelte. Ich habe ihn in eurer Gegen-
wart verhört, aber in keinem Stücke eure Beschul-
digungen gegründet befunden. Selbst Herodes der
eurer Religion zugethan ist, hat ihn nicht strafbar
befunden. Denn ich habe ihn zu demselben führen
lassen, und euch auch dahin gesendet, eure Klagen
bey ihm vorzubringen; allein es hat sich gezeigt, daß
er nichts begangen, was die Todesstrafe verdiente.
Ich will aber dennoch, um euch zu befriedigen, ihn
geisseln lassen, und alsdann in Freyheit setzen.
Die
Juden waren mit dieser Vorstellung Pilati nicht zufrie-
den: denn der Erfolg zeigte, daß sie noch immer auf
die Hinrichtung Jesu gedrungen. Der Statthalter such-
te daher ein andres Mittel, diese verworrene Sache zu
schlichten. Es war bey den Juden, zur Erinnerung an
die Befreyung aus der egyptischen Sclaverey, oder aus
einer andern uns unbekannten Ursache, eingeführt, daß
an dem Osterfeste dem Volk ein Gefangener losgegeben
werden mußte, und zwar welchen es selber verlangte. Das
Volk forderte von dem Pilatus, daß er auch dismal, so
wie vorhin, ihnen einen Gefangenen losgeben möchte. Es
befand sich damals unter den Gefangenen ein Erzbösewicht,
Namens Barrabas, der nebst andern Mitschuldigen bey
einem Aufruhr einen Mord begangen hatte. Diesen Um-

stand
Zweyter Abſchnitt.

9. Auch die widriggeſinnteſten Menſchen werden oft mite in-
ander vereiniget, wenn ſie wider Chriſtum, oder wider ſeine
Lehre, oder wider ſein Reich Anſchläge faſſen.

29. Verſuche Pilati Jeſum loszulaſſen.

Nachdem Jeſus vom Herodes zu Pilato zurückge-
führt worden war, ſo berief dieſer den hohen Rath wieder
vor ſeinen Pallaſt und ſprach zu ihnen: Ihr habt die-
ſen Menſchen bey mir verklagt, als wenn er das
Volk aufwiegelte. Ich habe ihn in eurer Gegen-
wart verhört, aber in keinem Stücke eure Beſchul-
digungen gegründet befunden. Selbſt Herodes der
eurer Religion zugethan iſt, hat ihn nicht ſtrafbar
befunden. Denn ich habe ihn zu demſelben führen
laſſen, und euch auch dahin geſendet, eure Klagen
bey ihm vorzubringen; allein es hat ſich gezeigt, daß
er nichts begangen, was die Todesſtrafe verdiente.
Ich will aber dennoch, um euch zu befriedigen, ihn
geiſſeln laſſen, und alsdann in Freyheit ſetzen.
Die
Juden waren mit dieſer Vorſtellung Pilati nicht zufrie-
den: denn der Erfolg zeigte, daß ſie noch immer auf
die Hinrichtung Jeſu gedrungen. Der Statthalter ſuch-
te daher ein andres Mittel, dieſe verworrene Sache zu
ſchlichten. Es war bey den Juden, zur Erinnerung an
die Befreyung aus der egyptiſchen Sclaverey, oder aus
einer andern uns unbekannten Urſache, eingeführt, daß
an dem Oſterfeſte dem Volk ein Gefangener losgegeben
werden mußte, und zwar welchen es ſelber verlangte. Das
Volk forderte von dem Pilatus, daß er auch dismal, ſo
wie vorhin, ihnen einen Gefangenen losgeben möchte. Es
befand ſich damals unter den Gefangenen ein Erzböſewicht,
Namens Barrabas, der nebſt andern Mitſchuldigen bey
einem Aufruhr einen Mord begangen hatte. Dieſen Um-

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[258/0280] Zweyter Abſchnitt. 9. Auch die widriggeſinnteſten Menſchen werden oft mite in- ander vereiniget, wenn ſie wider Chriſtum, oder wider ſeine Lehre, oder wider ſein Reich Anſchläge faſſen. 29. Verſuche Pilati Jeſum loszulaſſen. Nachdem Jeſus vom Herodes zu Pilato zurückge- führt worden war, ſo berief dieſer den hohen Rath wieder vor ſeinen Pallaſt und ſprach zu ihnen: Ihr habt die- ſen Menſchen bey mir verklagt, als wenn er das Volk aufwiegelte. Ich habe ihn in eurer Gegen- wart verhört, aber in keinem Stücke eure Beſchul- digungen gegründet befunden. Selbſt Herodes der eurer Religion zugethan iſt, hat ihn nicht ſtrafbar befunden. Denn ich habe ihn zu demſelben führen laſſen, und euch auch dahin geſendet, eure Klagen bey ihm vorzubringen; allein es hat ſich gezeigt, daß er nichts begangen, was die Todesſtrafe verdiente. Ich will aber dennoch, um euch zu befriedigen, ihn geiſſeln laſſen, und alsdann in Freyheit ſetzen. Die Juden waren mit dieſer Vorſtellung Pilati nicht zufrie- den: denn der Erfolg zeigte, daß ſie noch immer auf die Hinrichtung Jeſu gedrungen. Der Statthalter ſuch- te daher ein andres Mittel, dieſe verworrene Sache zu ſchlichten. Es war bey den Juden, zur Erinnerung an die Befreyung aus der egyptiſchen Sclaverey, oder aus einer andern uns unbekannten Urſache, eingeführt, daß an dem Oſterfeſte dem Volk ein Gefangener losgegeben werden mußte, und zwar welchen es ſelber verlangte. Das Volk forderte von dem Pilatus, daß er auch dismal, ſo wie vorhin, ihnen einen Gefangenen losgeben möchte. Es befand ſich damals unter den Gefangenen ein Erzböſewicht, Namens Barrabas, der nebſt andern Mitſchuldigen bey einem Aufruhr einen Mord begangen hatte. Dieſen Um- ſtand

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/280>, abgerufen am 22.11.2024.