2. Es ist niemals rathsam, in der ersten Hitze sich demjeni- gen zu überlassen, wozu man etwa angetrieben wird.
3. Auch die besten Absichten können niemals gegen eine unor- dentliche und rechtmäßige Handlung Gewähr leisten.
4. Der unüberlegte Eifer Petri lehre mich die Klugheit und Vorsichtigkeit, welche ich in der Vertheidigung der besten Sache, ich meine, der Religion, zu beweisen habe.
9. Weises Betragen Jesu bey dieser Handlung.
So redlich die Absicht Petri bey dieser Unternehmung seyn mochte, so konnte doch die Handlung selbst nicht ge- billiget werden, da sie ganz der Gesinnung zuwider war, die Jesus so oft seinen Jüngern eingeschärft hatte. Da- her gab er dem Petro sein Mißfallen darüber zu erken- nen, und sagte zu ihm: Stecke dein Schwerdt wieder in die Scheide. Weißt du nicht, daß alle die, wel- che das Schwerdt, ohne durch den Beruf, oder durch die Umstände dazu berechtiget zu seyn, ergreifen, auch durch dasselbe umkommen sollen? Und wie konntest du dir vorstellen, daß ich zu meiner Befrey- ung deines Beystandes nöthig hätte? Wäre es mir um eine Befreyung zu thun, so konnte ich mir von meinem Vater zwölf Legionen Engel ausbitten. Aber warum sollte ich nicht auch dieses mir von meinem Vater bestimmte Leiden übernehmen? Die Weis- sagungen der Schrift könnten ja ohne diese Begeg- nisse nicht an mir erfüllt werden. Enthaltet euch daher eines fernern Widerstandes! Um aber zu be- weisen, wie menschenliebend sein Herz gesinnet, und wie gros seine Macht, auch selbst in der tiefsten Erniedrigung sey, so rührte er das Ohr des Verwundeten, welches noch am äussersten Theil hängen geblieben war, an, und heilte es in einem Augenblicke.
Prak-
P 4
Von dem Leiden Jeſu ſelbſt.
2. Es iſt niemals rathſam, in der erſten Hitze ſich demjeni- gen zu überlaſſen, wozu man etwa angetrieben wird.
3. Auch die beſten Abſichten können niemals gegen eine unor- dentliche und rechtmäßige Handlung Gewähr leiſten.
4. Der unüberlegte Eifer Petri lehre mich die Klugheit und Vorſichtigkeit, welche ich in der Vertheidigung der beſten Sache, ich meine, der Religion, zu beweiſen habe.
9. Weiſes Betragen Jeſu bey dieſer Handlung.
So redlich die Abſicht Petri bey dieſer Unternehmung ſeyn mochte, ſo konnte doch die Handlung ſelbſt nicht ge- billiget werden, da ſie ganz der Geſinnung zuwider war, die Jeſus ſo oft ſeinen Jüngern eingeſchärft hatte. Da- her gab er dem Petro ſein Mißfallen darüber zu erken- nen, und ſagte zu ihm: Stecke dein Schwerdt wieder in die Scheide. Weißt du nicht, daß alle die, wel- che das Schwerdt, ohne durch den Beruf, oder durch die Umſtände dazu berechtiget zu ſeyn, ergreifen, auch durch daſſelbe umkommen ſollen? Und wie konnteſt du dir vorſtellen, daß ich zu meiner Befrey- ung deines Beyſtandes nöthig hätte? Wäre es mir um eine Befreyung zu thun, ſo konnte ich mir von meinem Vater zwölf Legionen Engel ausbitten. Aber warum ſollte ich nicht auch dieſes mir von meinem Vater beſtimmte Leiden übernehmen? Die Weiſ- ſagungen der Schrift könnten ja ohne dieſe Begeg- niſſe nicht an mir erfüllt werden. Enthaltet euch daher eines fernern Widerſtandes! Um aber zu be- weiſen, wie menſchenliebend ſein Herz geſinnet, und wie gros ſeine Macht, auch ſelbſt in der tiefſten Erniedrigung ſey, ſo rührte er das Ohr des Verwundeten, welches noch am äuſſerſten Theil hängen geblieben war, an, und heilte es in einem Augenblicke.
Prak-
P 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0253"n="231"/><fwplace="top"type="header">Von dem Leiden Jeſu ſelbſt.</fw><lb/><p>2. Es iſt niemals rathſam, in der erſten Hitze ſich demjeni-<lb/>
gen zu überlaſſen, wozu man etwa angetrieben wird.</p><lb/><p>3. Auch die beſten Abſichten können niemals gegen eine unor-<lb/>
dentliche und rechtmäßige Handlung Gewähr leiſten.</p><lb/><p>4. Der unüberlegte Eifer Petri lehre mich die Klugheit und<lb/>
Vorſichtigkeit, welche ich in der Vertheidigung der beſten<lb/>
Sache, ich meine, der Religion, zu beweiſen habe.</p></div></div><lb/><divn="3"><head>9. Weiſes Betragen Jeſu bey dieſer Handlung.</head><lb/><p>So redlich die Abſicht Petri bey dieſer Unternehmung<lb/>ſeyn mochte, ſo konnte doch die Handlung ſelbſt nicht ge-<lb/>
billiget werden, da ſie ganz der Geſinnung zuwider war,<lb/>
die Jeſus ſo oft ſeinen Jüngern eingeſchärft hatte. Da-<lb/>
her gab er dem Petro ſein Mißfallen darüber zu erken-<lb/>
nen, und ſagte zu ihm: <hirendition="#fr">Stecke dein Schwerdt wieder<lb/>
in die Scheide. Weißt du nicht, daß alle die, wel-<lb/>
che das Schwerdt, ohne durch den Beruf, oder durch<lb/>
die Umſtände dazu berechtiget zu ſeyn, ergreifen,<lb/>
auch durch daſſelbe umkommen ſollen? Und wie<lb/>
konnteſt du dir vorſtellen, daß ich zu meiner Befrey-<lb/>
ung deines Beyſtandes nöthig hätte? Wäre es mir<lb/>
um eine Befreyung zu thun, ſo konnte ich mir von<lb/>
meinem Vater zwölf Legionen Engel ausbitten. Aber<lb/>
warum ſollte ich nicht auch dieſes mir von meinem<lb/>
Vater beſtimmte Leiden übernehmen? Die Weiſ-<lb/>ſagungen der Schrift könnten ja ohne dieſe Begeg-<lb/>
niſſe nicht an mir erfüllt werden. Enthaltet euch<lb/>
daher eines fernern Widerſtandes!</hi> Um aber zu be-<lb/>
weiſen, wie menſchenliebend ſein Herz geſinnet, und wie<lb/>
gros ſeine Macht, auch ſelbſt in der tiefſten Erniedrigung<lb/>ſey, ſo rührte er das Ohr des Verwundeten, welches noch<lb/>
am äuſſerſten Theil hängen geblieben war, an, und heilte<lb/>
es in einem Augenblicke.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">P 4</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Prak-</hi></fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[231/0253]
Von dem Leiden Jeſu ſelbſt.
2. Es iſt niemals rathſam, in der erſten Hitze ſich demjeni-
gen zu überlaſſen, wozu man etwa angetrieben wird.
3. Auch die beſten Abſichten können niemals gegen eine unor-
dentliche und rechtmäßige Handlung Gewähr leiſten.
4. Der unüberlegte Eifer Petri lehre mich die Klugheit und
Vorſichtigkeit, welche ich in der Vertheidigung der beſten
Sache, ich meine, der Religion, zu beweiſen habe.
9. Weiſes Betragen Jeſu bey dieſer Handlung.
So redlich die Abſicht Petri bey dieſer Unternehmung
ſeyn mochte, ſo konnte doch die Handlung ſelbſt nicht ge-
billiget werden, da ſie ganz der Geſinnung zuwider war,
die Jeſus ſo oft ſeinen Jüngern eingeſchärft hatte. Da-
her gab er dem Petro ſein Mißfallen darüber zu erken-
nen, und ſagte zu ihm: Stecke dein Schwerdt wieder
in die Scheide. Weißt du nicht, daß alle die, wel-
che das Schwerdt, ohne durch den Beruf, oder durch
die Umſtände dazu berechtiget zu ſeyn, ergreifen,
auch durch daſſelbe umkommen ſollen? Und wie
konnteſt du dir vorſtellen, daß ich zu meiner Befrey-
ung deines Beyſtandes nöthig hätte? Wäre es mir
um eine Befreyung zu thun, ſo konnte ich mir von
meinem Vater zwölf Legionen Engel ausbitten. Aber
warum ſollte ich nicht auch dieſes mir von meinem
Vater beſtimmte Leiden übernehmen? Die Weiſ-
ſagungen der Schrift könnten ja ohne dieſe Begeg-
niſſe nicht an mir erfüllt werden. Enthaltet euch
daher eines fernern Widerſtandes! Um aber zu be-
weiſen, wie menſchenliebend ſein Herz geſinnet, und wie
gros ſeine Macht, auch ſelbſt in der tiefſten Erniedrigung
ſey, ſo rührte er das Ohr des Verwundeten, welches noch
am äuſſerſten Theil hängen geblieben war, an, und heilte
es in einem Augenblicke.
Prak-
P 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/253>, abgerufen am 01.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.