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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Erst. Abschn. Von einigen Begebenheiten
der Heiligkeit begangen haben, oder vermöge ihres Amtes zur
Gottseligkeit besonders verpflichtet sind.

3. Zu welchen Lastern ist ein Mensch fähig, wenn er einmal
sein Herz von der Geldliebe beherrschen lassen! Eine einzige herr-
schende Sünde kann mich allmählig zu den abscheulichsten Ver-
sündigungen hinreissen.

4. So bald ich so unglücklich worden bin, die Liebe Jesu und
seiner Religion aus meinem Herzen zu vertilgen, so werde ich un-
ter sehr leichten Bedingungen, und um einen noch geringern Preiß,
als Judas, Religion, Gewissen, und Vaterland verkaufen.

5. Bey der Ausübung der Sünde gleichgültig zu bleiben, ist
ein Beweis eines grossen Verderbens: aber sich zu freuen, wie
die Feinde Jesu thaten, wenn man Gelegenheit bekommt, Sün-
den zu begehen, das ist der äusserste Grad einer zügellosen
Bosheit.

6. Judas sey für mich ein warnendes Beyspiel daß ich mich
nicht auf meine guten Eigenschaften verlasse. Er war anfänglich
auch gut gesinnt, da er von Jesu erwählt wurde.

10. Zubereitung des Ostermahls.

Indeß kam die Zeit näher, da das Osterlamm ge-
schlachtet werden mußte. Deswegen traten die Jünger zu
Jesu, seinen Willen in dieser Sache zu vernehmen. Er
fertigte auch wirklich den Petrus und Johannes mit dem
Auftrage ab, daß sie nach Jerusalem gehen, und die Zube-
reitungen zum Genuß des Osterlamms machen sollten.
Weil aber Jesus keine eigne Wohnung in der Stadt hat-
te, so fragten sie ihn nach dem Hause, wo sie es zubereiten
sollten. Jesus erklärte sich darüber also: Gleich bey
dem Eintritt in die Stadt wird euch ein Mensch be-
gegnen, der ein irdenes Geschirr mit Wasser trägt.
Diesem folget in das Haus nach, in welches er
hineingehen wird, und sprecht zu dem Herrn dessel-
ben Hauses: der Meister läßt dir sagen, daß die
Zeit seiner Vollendung nahe sey. Er wünscht ein

Zim-

Erſt. Abſchn. Von einigen Begebenheiten
der Heiligkeit begangen haben, oder vermöge ihres Amtes zur
Gottſeligkeit beſonders verpflichtet ſind.

3. Zu welchen Laſtern iſt ein Menſch fähig, wenn er einmal
ſein Herz von der Geldliebe beherrſchen laſſen! Eine einzige herr-
ſchende Sünde kann mich allmählig zu den abſcheulichſten Ver-
ſündigungen hinreiſſen.

4. So bald ich ſo unglücklich worden bin, die Liebe Jeſu und
ſeiner Religion aus meinem Herzen zu vertilgen, ſo werde ich un-
ter ſehr leichten Bedingungen, und um einen noch geringern Preiß,
als Judas, Religion, Gewiſſen, und Vaterland verkaufen.

5. Bey der Ausübung der Sünde gleichgültig zu bleiben, iſt
ein Beweis eines groſſen Verderbens: aber ſich zu freuen, wie
die Feinde Jeſu thaten, wenn man Gelegenheit bekommt, Sün-
den zu begehen, das iſt der äuſſerſte Grad einer zügelloſen
Bosheit.

6. Judas ſey für mich ein warnendes Beyſpiel daß ich mich
nicht auf meine guten Eigenſchaften verlaſſe. Er war anfänglich
auch gut geſinnt, da er von Jeſu erwählt wurde.

10. Zubereitung des Oſtermahls.

Indeß kam die Zeit näher, da das Oſterlamm ge-
ſchlachtet werden mußte. Deswegen traten die Jünger zu
Jeſu, ſeinen Willen in dieſer Sache zu vernehmen. Er
fertigte auch wirklich den Petrus und Johannes mit dem
Auftrage ab, daß ſie nach Jeruſalem gehen, und die Zube-
reitungen zum Genuß des Oſterlamms machen ſollten.
Weil aber Jeſus keine eigne Wohnung in der Stadt hat-
te, ſo fragten ſie ihn nach dem Hauſe, wo ſie es zubereiten
ſollten. Jeſus erklärte ſich darüber alſo: Gleich bey
dem Eintritt in die Stadt wird euch ein Menſch be-
gegnen, der ein irdenes Geſchirr mit Waſſer trägt.
Dieſem folget in das Haus nach, in welches er
hineingehen wird, und ſprecht zu dem Herrn deſſel-
ben Hauſes: der Meiſter läßt dir ſagen, daß die
Zeit ſeiner Vollendung nahe ſey. Er wünſcht ein

Zim-
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[210/0232] Erſt. Abſchn. Von einigen Begebenheiten der Heiligkeit begangen haben, oder vermöge ihres Amtes zur Gottſeligkeit beſonders verpflichtet ſind. 3. Zu welchen Laſtern iſt ein Menſch fähig, wenn er einmal ſein Herz von der Geldliebe beherrſchen laſſen! Eine einzige herr- ſchende Sünde kann mich allmählig zu den abſcheulichſten Ver- ſündigungen hinreiſſen. 4. So bald ich ſo unglücklich worden bin, die Liebe Jeſu und ſeiner Religion aus meinem Herzen zu vertilgen, ſo werde ich un- ter ſehr leichten Bedingungen, und um einen noch geringern Preiß, als Judas, Religion, Gewiſſen, und Vaterland verkaufen. 5. Bey der Ausübung der Sünde gleichgültig zu bleiben, iſt ein Beweis eines groſſen Verderbens: aber ſich zu freuen, wie die Feinde Jeſu thaten, wenn man Gelegenheit bekommt, Sün- den zu begehen, das iſt der äuſſerſte Grad einer zügelloſen Bosheit. 6. Judas ſey für mich ein warnendes Beyſpiel daß ich mich nicht auf meine guten Eigenſchaften verlaſſe. Er war anfänglich auch gut geſinnt, da er von Jeſu erwählt wurde. 10. Zubereitung des Oſtermahls. Indeß kam die Zeit näher, da das Oſterlamm ge- ſchlachtet werden mußte. Deswegen traten die Jünger zu Jeſu, ſeinen Willen in dieſer Sache zu vernehmen. Er fertigte auch wirklich den Petrus und Johannes mit dem Auftrage ab, daß ſie nach Jeruſalem gehen, und die Zube- reitungen zum Genuß des Oſterlamms machen ſollten. Weil aber Jeſus keine eigne Wohnung in der Stadt hat- te, ſo fragten ſie ihn nach dem Hauſe, wo ſie es zubereiten ſollten. Jeſus erklärte ſich darüber alſo: Gleich bey dem Eintritt in die Stadt wird euch ein Menſch be- gegnen, der ein irdenes Geſchirr mit Waſſer trägt. Dieſem folget in das Haus nach, in welches er hineingehen wird, und ſprecht zu dem Herrn deſſel- ben Hauſes: der Meiſter läßt dir ſagen, daß die Zeit ſeiner Vollendung nahe ſey. Er wünſcht ein Zim-

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/232>, abgerufen am 24.11.2024.