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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Grausame Verspottung Jesu.
seine Glieder waren zerschlagen und nichts gesundes war
an seinem Leibe. Und doch sinnt die Hölle auf neue
Martern, mit welchen der Allerunschuldigste gestraft wer-
den sollte. Noch war sein Angesicht von Mißhandlun-
gen frey geblieben, ob es gleich noch vom Blutschweiß
am Oelberg gefärbt und durch den Speichel geschändet
war. Nun soll auch dieses heilige Antlitz blutrünstig wer-
den. Sie setzten ihm eine Krone von Dornen auf sein
Haupt. Und um diese Stacheln tief in seine Stirne ein-
zudrücken, nehmen sie einen Stab, den sie ihm statt eines
Zepters in die Hand gegeben hatten, und schlagen damit
auf sein mit Dornen gekröntes Haupt. Dabey beugen
sie mit höhnischer Ehrerbietung vor ihm ihre Knie. Sie
nähern sich ihm und speyen ihm ins Angesicht, und geben
ihm Backenstreiche.

Worüber soll ich mehr erstaunen? Ueber die Un-
menschlichkeit der Feinde Jesu, oder über seine Geduld,
mit welcher er den Frevel dieser Barbaren erträgt? Es
stund in seiner Macht, diese Bösewichter auf der Stelle
zu tödten, und den Händen, die sie ausstreckten, ihn
zu verwunden, alle Kraft zu benehmen. Aber er duldet
sein Ungemach mit stillem Herzen. Da er gemartert
und geschlagen wird, thut er seinen Mund nicht auf:
wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführet wird, und
und wie ein Schaaf, das verstummet vor seinem Sche-
rer und seinen Mund nicht aufthut. Wessen Herz würde
sich nicht zum Zorne reizen lassen, wenn ihm solche Schmach
wider sein Verschulden widerfahren sollte? Wenn ich von
meinem Betragen unter kleinen Anfechtungen auf das
Verhalten schliessen sollte, welches sich etwa bey wichti-
gen Beleidigungen äusern werde, so sehe ich, wie wenig
ich Standhaftigkeit beweisen würde. Ach, möchte ich
doch, mein Jesu, von dir lernen, sanftmüthig und ge-

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H 3

Grauſame Verſpottung Jeſu.
ſeine Glieder waren zerſchlagen und nichts geſundes war
an ſeinem Leibe. Und doch ſinnt die Hölle auf neue
Martern, mit welchen der Allerunſchuldigſte geſtraft wer-
den ſollte. Noch war ſein Angeſicht von Mißhandlun-
gen frey geblieben, ob es gleich noch vom Blutſchweiß
am Oelberg gefärbt und durch den Speichel geſchändet
war. Nun ſoll auch dieſes heilige Antlitz blutrünſtig wer-
den. Sie ſetzten ihm eine Krone von Dornen auf ſein
Haupt. Und um dieſe Stacheln tief in ſeine Stirne ein-
zudrücken, nehmen ſie einen Stab, den ſie ihm ſtatt eines
Zepters in die Hand gegeben hatten, und ſchlagen damit
auf ſein mit Dornen gekröntes Haupt. Dabey beugen
ſie mit höhniſcher Ehrerbietung vor ihm ihre Knie. Sie
nähern ſich ihm und ſpeyen ihm ins Angeſicht, und geben
ihm Backenſtreiche.

Worüber ſoll ich mehr erſtaunen? Ueber die Un-
menſchlichkeit der Feinde Jeſu, oder über ſeine Geduld,
mit welcher er den Frevel dieſer Barbaren erträgt? Es
ſtund in ſeiner Macht, dieſe Böſewichter auf der Stelle
zu tödten, und den Händen, die ſie ausſtreckten, ihn
zu verwunden, alle Kraft zu benehmen. Aber er duldet
ſein Ungemach mit ſtillem Herzen. Da er gemartert
und geſchlagen wird, thut er ſeinen Mund nicht auf:
wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführet wird, und
und wie ein Schaaf, das verſtummet vor ſeinem Sche-
rer und ſeinen Mund nicht aufthut. Weſſen Herz würde
ſich nicht zum Zorne reizen laſſen, wenn ihm ſolche Schmach
wider ſein Verſchulden widerfahren ſollte? Wenn ich von
meinem Betragen unter kleinen Anfechtungen auf das
Verhalten ſchlieſſen ſollte, welches ſich etwa bey wichti-
gen Beleidigungen äuſern werde, ſo ſehe ich, wie wenig
ich Standhaftigkeit beweiſen würde. Ach, möchte ich
doch, mein Jeſu, von dir lernen, ſanftmüthig und ge-

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[117/0139] Grauſame Verſpottung Jeſu. ſeine Glieder waren zerſchlagen und nichts geſundes war an ſeinem Leibe. Und doch ſinnt die Hölle auf neue Martern, mit welchen der Allerunſchuldigſte geſtraft wer- den ſollte. Noch war ſein Angeſicht von Mißhandlun- gen frey geblieben, ob es gleich noch vom Blutſchweiß am Oelberg gefärbt und durch den Speichel geſchändet war. Nun ſoll auch dieſes heilige Antlitz blutrünſtig wer- den. Sie ſetzten ihm eine Krone von Dornen auf ſein Haupt. Und um dieſe Stacheln tief in ſeine Stirne ein- zudrücken, nehmen ſie einen Stab, den ſie ihm ſtatt eines Zepters in die Hand gegeben hatten, und ſchlagen damit auf ſein mit Dornen gekröntes Haupt. Dabey beugen ſie mit höhniſcher Ehrerbietung vor ihm ihre Knie. Sie nähern ſich ihm und ſpeyen ihm ins Angeſicht, und geben ihm Backenſtreiche. Worüber ſoll ich mehr erſtaunen? Ueber die Un- menſchlichkeit der Feinde Jeſu, oder über ſeine Geduld, mit welcher er den Frevel dieſer Barbaren erträgt? Es ſtund in ſeiner Macht, dieſe Böſewichter auf der Stelle zu tödten, und den Händen, die ſie ausſtreckten, ihn zu verwunden, alle Kraft zu benehmen. Aber er duldet ſein Ungemach mit ſtillem Herzen. Da er gemartert und geſchlagen wird, thut er ſeinen Mund nicht auf: wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführet wird, und und wie ein Schaaf, das verſtummet vor ſeinem Sche- rer und ſeinen Mund nicht aufthut. Weſſen Herz würde ſich nicht zum Zorne reizen laſſen, wenn ihm ſolche Schmach wider ſein Verſchulden widerfahren ſollte? Wenn ich von meinem Betragen unter kleinen Anfechtungen auf das Verhalten ſchlieſſen ſollte, welches ſich etwa bey wichti- gen Beleidigungen äuſern werde, ſo ſehe ich, wie wenig ich Standhaftigkeit beweiſen würde. Ach, möchte ich doch, mein Jeſu, von dir lernen, ſanftmüthig und ge- laſ- H 3

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/139>, abgerufen am 24.11.2024.