Es kam dieses Blut über sie und über ihre Kinder. Der schreckliche Fluch fiel nach seinem ganzen Umfange auf ihr Haupt zurück. Die Nation, welche sich zur Feyer des Osterfestes versammlet hätte, begieng diese himmelschrey- ende Sünde. Und die Rache Gottes ergriff sie zu einer andern Osterzeit, da alle Jüden in Jerusalem versamm- let, und wie das Vieh in einem Schlachthause eingesperret waren, so daß keiner dem Schwerdt der Römer entrinnen konnte. Die Verwerfung des wahren Meßias war ihr Verbrechen, und nachgehends wurde es die Quelle aller ihrer Trübsalen, daß sie auf falsche Meßias ausmerksam waren. Sie suchten durch die Hinrichtung Jesu zu ver- hindern, daß nicht die Römer kamen, und ihnen Land und Leute wegnähmen. Und eben dieses Schicksal, das sie zu verhüten suchten, betraf sie. Die Römer kamen und machten sie zu Sklaven. Auch hier blieb noch nicht die Rache Gottes stehen, sondern sie wurden von denselben in alle Winkel der Erde verfolgt: und noch, nachdem sie schon siebenzehnhundert Jahre lang Flüchtlinge gewesen, sind sie noch allen Völkern und Zeiten zu fortdaurenden und in die Augen fallenden Denkmählern seiner Rache aufgestellt.
Konnte ein Beweiß der Göttlichkeit und Unschuld Jesu klärer und unumstößlicher seyn, als die Erfüllung die- ses Fluches an seinen Mördern? Welcher Mensch hat anders, als folgendergestalt schliessen können? Kein Volk, vom Anfange der Welt her, ist jemals so gestraft wor- den, als dieses Volk. Ist nun die Strafe ganzer Völ- ker eine Folge ihrer Sünden: so müssen sie eine so abscheu- liche That verrichtet haben, dergleichen niemals von einer andern Nation verübet worden. Und welche könnte man sonst dafür annehmen, als die Vergiessung des Blutes Jesu? Dieses Blut, dessen Schuld sie verfolgt, ist das Blut eines Unschuldigen, und nicht eines Betrügers;
ist
Entſetzliche Verwünſchung der Juden.
Es kam dieſes Blut über ſie und über ihre Kinder. Der ſchreckliche Fluch fiel nach ſeinem ganzen Umfange auf ihr Haupt zurück. Die Nation, welche ſich zur Feyer des Oſterfeſtes verſammlet hätte, begieng dieſe himmelſchrey- ende Sünde. Und die Rache Gottes ergriff ſie zu einer andern Oſterzeit, da alle Jüden in Jeruſalem verſamm- let, und wie das Vieh in einem Schlachthauſe eingeſperret waren, ſo daß keiner dem Schwerdt der Römer entrinnen konnte. Die Verwerfung des wahren Meßias war ihr Verbrechen, und nachgehends wurde es die Quelle aller ihrer Trübſalen, daß ſie auf falſche Meßias auſmerkſam waren. Sie ſuchten durch die Hinrichtung Jeſu zu ver- hindern, daß nicht die Römer kamen, und ihnen Land und Leute wegnähmen. Und eben dieſes Schickſal, das ſie zu verhüten ſuchten, betraf ſie. Die Römer kamen und machten ſie zu Sklaven. Auch hier blieb noch nicht die Rache Gottes ſtehen, ſondern ſie wurden von denſelben in alle Winkel der Erde verfolgt: und noch, nachdem ſie ſchon ſiebenzehnhundert Jahre lang Flüchtlinge geweſen, ſind ſie noch allen Völkern und Zeiten zu fortdaurenden und in die Augen fallenden Denkmählern ſeiner Rache aufgeſtellt.
Konnte ein Beweiß der Göttlichkeit und Unſchuld Jeſu klärer und unumſtößlicher ſeyn, als die Erfüllung die- ſes Fluches an ſeinen Mördern? Welcher Menſch hat anders, als folgendergeſtalt ſchlieſſen können? Kein Volk, vom Anfange der Welt her, iſt jemals ſo geſtraft wor- den, als dieſes Volk. Iſt nun die Strafe ganzer Völ- ker eine Folge ihrer Sünden: ſo müſſen ſie eine ſo abſcheu- liche That verrichtet haben, dergleichen niemals von einer andern Nation verübet worden. Und welche könnte man ſonſt dafür annehmen, als die Vergieſſung des Blutes Jeſu? Dieſes Blut, deſſen Schuld ſie verfolgt, iſt das Blut eines Unſchuldigen, und nicht eines Betrügers;
iſt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0131"n="109"/><fwplace="top"type="header">Entſetzliche Verwünſchung der Juden.</fw><lb/><p>Es kam dieſes Blut über ſie und über ihre Kinder.<lb/>
Der ſchreckliche Fluch fiel nach ſeinem ganzen Umfange auf<lb/>
ihr Haupt zurück. Die Nation, welche ſich zur Feyer des<lb/>
Oſterfeſtes verſammlet hätte, begieng dieſe himmelſchrey-<lb/>
ende Sünde. Und die Rache Gottes ergriff ſie zu einer<lb/>
andern Oſterzeit, da alle Jüden in Jeruſalem verſamm-<lb/>
let, und wie das Vieh in einem Schlachthauſe eingeſperret<lb/>
waren, ſo daß keiner dem Schwerdt der Römer entrinnen<lb/>
konnte. Die Verwerfung des wahren Meßias war ihr<lb/>
Verbrechen, und nachgehends wurde es die Quelle aller<lb/>
ihrer Trübſalen, daß ſie auf falſche Meßias auſmerkſam<lb/>
waren. Sie ſuchten durch die Hinrichtung Jeſu zu ver-<lb/>
hindern, daß nicht die Römer kamen, und ihnen Land und<lb/>
Leute wegnähmen. Und eben dieſes Schickſal, das ſie<lb/>
zu verhüten ſuchten, betraf ſie. Die Römer kamen und<lb/>
machten ſie zu Sklaven. Auch hier blieb noch nicht die<lb/>
Rache Gottes ſtehen, ſondern ſie wurden von denſelben in<lb/>
alle Winkel der Erde verfolgt: und noch, nachdem ſie ſchon<lb/>ſiebenzehnhundert Jahre lang Flüchtlinge geweſen, ſind ſie<lb/>
noch allen Völkern und Zeiten zu fortdaurenden und in<lb/>
die Augen fallenden Denkmählern ſeiner Rache aufgeſtellt.</p><lb/><p>Konnte ein Beweiß der Göttlichkeit und Unſchuld<lb/>
Jeſu klärer und unumſtößlicher ſeyn, als die Erfüllung die-<lb/>ſes Fluches an ſeinen Mördern? Welcher Menſch hat<lb/>
anders, als folgendergeſtalt ſchlieſſen können? Kein Volk,<lb/>
vom Anfange der Welt her, iſt jemals ſo geſtraft wor-<lb/>
den, als dieſes Volk. Iſt nun die Strafe ganzer Völ-<lb/>
ker eine Folge ihrer Sünden: ſo müſſen ſie eine ſo abſcheu-<lb/>
liche That verrichtet haben, dergleichen niemals von einer<lb/>
andern Nation verübet worden. Und welche könnte man<lb/>ſonſt dafür annehmen, als die Vergieſſung des Blutes<lb/>
Jeſu? Dieſes Blut, deſſen Schuld ſie verfolgt, iſt das<lb/>
Blut eines Unſchuldigen, und nicht eines Betrügers;<lb/><fwplace="bottom"type="catch">iſt</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[109/0131]
Entſetzliche Verwünſchung der Juden.
Es kam dieſes Blut über ſie und über ihre Kinder.
Der ſchreckliche Fluch fiel nach ſeinem ganzen Umfange auf
ihr Haupt zurück. Die Nation, welche ſich zur Feyer des
Oſterfeſtes verſammlet hätte, begieng dieſe himmelſchrey-
ende Sünde. Und die Rache Gottes ergriff ſie zu einer
andern Oſterzeit, da alle Jüden in Jeruſalem verſamm-
let, und wie das Vieh in einem Schlachthauſe eingeſperret
waren, ſo daß keiner dem Schwerdt der Römer entrinnen
konnte. Die Verwerfung des wahren Meßias war ihr
Verbrechen, und nachgehends wurde es die Quelle aller
ihrer Trübſalen, daß ſie auf falſche Meßias auſmerkſam
waren. Sie ſuchten durch die Hinrichtung Jeſu zu ver-
hindern, daß nicht die Römer kamen, und ihnen Land und
Leute wegnähmen. Und eben dieſes Schickſal, das ſie
zu verhüten ſuchten, betraf ſie. Die Römer kamen und
machten ſie zu Sklaven. Auch hier blieb noch nicht die
Rache Gottes ſtehen, ſondern ſie wurden von denſelben in
alle Winkel der Erde verfolgt: und noch, nachdem ſie ſchon
ſiebenzehnhundert Jahre lang Flüchtlinge geweſen, ſind ſie
noch allen Völkern und Zeiten zu fortdaurenden und in
die Augen fallenden Denkmählern ſeiner Rache aufgeſtellt.
Konnte ein Beweiß der Göttlichkeit und Unſchuld
Jeſu klärer und unumſtößlicher ſeyn, als die Erfüllung die-
ſes Fluches an ſeinen Mördern? Welcher Menſch hat
anders, als folgendergeſtalt ſchlieſſen können? Kein Volk,
vom Anfange der Welt her, iſt jemals ſo geſtraft wor-
den, als dieſes Volk. Iſt nun die Strafe ganzer Völ-
ker eine Folge ihrer Sünden: ſo müſſen ſie eine ſo abſcheu-
liche That verrichtet haben, dergleichen niemals von einer
andern Nation verübet worden. Und welche könnte man
ſonſt dafür annehmen, als die Vergieſſung des Blutes
Jeſu? Dieſes Blut, deſſen Schuld ſie verfolgt, iſt das
Blut eines Unſchuldigen, und nicht eines Betrügers;
iſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/131>, abgerufen am 01.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.