Sturm, Johann Christoph: Des Unvergleichlichen Archjmedjs Kunst-Bücher. Nürnberg, 1670.durchstochen/ mit seinem eigenen Blut seine künstliche Abrisse selbsten ausgeleschet. Wordurch dann geschehen/ daß umb einerley Kunst willen ihme sein Leben bald geschenket/ bald geraubet wurde. (n) Seine grösseste Mühe und höchsten Fleiß hatte Archimedes auf Erlangung einer vollkommenen Kreiß- und Kugel-Wissenschafft gewendet. Wie dann die meisten/ in diesem Buch enthaltene Schrifften alle dahin gerichtet sind. Deswegen hatte er seine Freunde und Verwandte gebetten/ sie solten ihme nach seinem Todt auf sein Grab eine von einer Rund- Säue (cylindro) beschlossene Kugel setzen/ und die Verhältnis/ so jene gegen dieser hat/ (nehmlich wie 3 gegen 2) darbey schreiben/ allermassen er solche Verhältnis sehr künstlich gesunden/ und in dem 32sten Lehrsatz des I. Buchs von der Kugel und Rund-Säule be- wiesen hat. Nach dem nun Marcellus dessen von besagten Freunden Archimedis verständiget worden/ hat er ihme in diesem Fall ein Genügen geschehen lassen. Wie dann Cicero lange Zeit hernach/ als er Stadthalter in Sicilien war/ solches Grabmal Archimedis gesuchet/ und endlich/ von Dornen und Hekken umbwachsen/ besagter massen/ befunden hat. Jch wuste (schreibt er Lib. V. Tuscul. quaest.) etliche Verslein auswendig/ welche ich/ auf Archimedis Grabmal/ geschrieben zu seyn vernommen hatte/ dieselbige zeigeten an/ daß auf seinem Grab eine Kugel sambt einer Rund-Säule gesetzet wäre. Als man nun einen Zugang zu solcher Grabstätte geöffnet/ bin ich zu der einen Seite des Grabmahles hingegangen; da ich dann besagte Aufschrifft gefunden/ aber also/ daß der lezte Teihl derer Verslein fast halb ausgetilget und unleßlich war. Also hätte die edelste Stadt in Griechenland ihres höchstverständigsten Burgers Grab- mal nicht gewust/ wann ihr selbiges nicht von einem Arpineser wäre gezeiget worden. (o) Hierons Urteihl/ als Archimedes ihme versprochen ein Jnstrument zu erfinden/ wordurch er allein das grosse Schiff/ welches ganz Sicilien nicht bewegen kunte/ in das Meer treiben solte/ und solches auch im Werk geleistet/ war dieses: Forthin solte man glauben alles was Archimedes sagen würde; wie Plutarchus in seinem Marcello bezeuget. Welchem nicht unähnlich ist das Urteihl Ciceronis/ dessen Meinung nicht un- klar dahin gehet/ es könnte ein verständiger Mann/ wann ihm Archimedes seiner Erfindun- gen Ursachen und Beweißthume fürgeleget hätte/ nachmals die Waarheit deroselben auch mit einem Schwur betheuren. Meinestu (schreibt er Lib. 4. acad. quaest.) es werde ein kluger Mann schwören/ eh und bevorab Archimedes in seinem Beyseyn alle die je- nige Ursachen wird gleichsam für die Augen mahlen/ welche erzwingen/ daß die Sonne vielmal grösser sey als die Erde: etc. Vor-
durchſtochen/ mit ſeinem eigenen Blut ſeine kuͤnſtliche Abriſſe ſelbſten ausgeleſchet. Wordurch dann geſchehen/ daß umb einerley Kunſt willen ihme ſein Leben bald geſchenket/ bald geraubet wurde. (n) Seine groͤſſeſte Muͤhe und hoͤchſten Fleiß hatte Archimedes auf Erlangung einer vollkommenen Kreiß- und Kugel-Wiſſenſchafft gewendet. Wie dann die meiſten/ in dieſem Buch enthaltene Schrifften alle dahin gerichtet ſind. Deswegen hatte er ſeine Freunde und Verwandte gebetten/ ſie ſolten ihme nach ſeinem Todt auf ſein Grab eine von einer Rund- Saͤue (cylindro) beſchloſſene Kugel ſetzen/ und die Verhaͤltnis/ ſo jene gegen dieſer hat/ (nehmlich wie 3 gegen 2) darbey ſchreiben/ allermaſſen er ſolche Verhaͤltnis ſehr kuͤnſtlich geſunden/ und in dem 32ſten Lehrſatz des I. Buchs von der Kugel und Rund-Saͤule be- wieſen hat. Nach dem nun Marcellus deſſen von beſagten Freunden Archimedis verſtaͤndiget worden/ hat er ihme in dieſem Fall ein Genuͤgen geſchehen laſſen. Wie dann Cicero lange Zeit hernach/ als er Stadthalter in Sicilien war/ ſolches Grabmal Archimedis geſuchet/ und endlich/ von Dornen und Hekken umbwachſen/ beſagter maſſen/ befunden hat. Jch wuſte (ſchreibt er Lib. V. Tuſcul. quæſt.) etliche Verslein auswendig/ welche ich/ auf Archimedis Grabmal/ geſchrieben zu ſeyn vernommen hatte/ dieſelbige zeigeten an/ daß auf ſeinem Grab eine Kugel ſambt einer Rund-Saͤule geſetzet waͤre. Als man nun einen Zugang zu ſolcher Grabſtaͤtte geoͤffnet/ bin ich zu der einen Seite des Grabmahles hingegangen; da ich dann beſagte Aufſchrifft gefunden/ aber alſo/ daß der lezte Teihl derer Verslein faſt halb ausgetilget und unleßlich war. Alſo haͤtte die edelſte Stadt in Griechenland ihres hoͤchſtverſtaͤndigſten Burgers Grab- mal nicht gewuſt/ wann ihr ſelbiges nicht von einem Arpineſer waͤre gezeiget worden. (o) Hierons Urteihl/ als Archimedes ihme verſprochen ein Jnſtrument zu erfinden/ wordurch er allein das groſſe Schiff/ welches ganz Sicilien nicht bewegen kunte/ in das Meer treiben ſolte/ und ſolches auch im Werk geleiſtet/ war dieſes: Forthin ſolte man glauben alles was Archimedes ſagen würde; wie Plutarchus in ſeinem Marcello bezeuget. Welchem nicht unaͤhnlich iſt das Urteihl Ciceronis/ deſſen Meinung nicht un- klar dahin gehet/ es koͤnnte ein verſtaͤndiger Mann/ wann ihm Archimedes ſeiner Erfindun- gen Urſachen und Beweißthume fuͤrgeleget haͤtte/ nachmals die Waarheit deroſelben auch mit einem Schwur betheuren. Meineſtu (ſchreibt er Lib. 4. acad. quæſt.) es werde ein kluger Mann ſchwoͤren/ eh und bevorab Archimedes in ſeinem Beyſeyn alle die je- nige Urſachen wird gleichſam fuͤr die Augen mahlen/ welche erzwingen/ daß die Sonne vielmal groͤſſer ſey als die Erde: ꝛc. Vor-
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⁽m⁾ durchſtochen/ mit ſeinem eigenen Blut ſeine kuͤnſtliche Abriſſe ſelbſten ausgeleſchet.
Wordurch dann geſchehen/ daß umb einerley Kunſt willen ihme ſein Leben bald
geſchenket/ bald geraubet wurde.
⁽n⁾ Seine groͤſſeſte Muͤhe und hoͤchſten Fleiß hatte Archimedes auf Erlangung einer
vollkommenen Kreiß- und Kugel-Wiſſenſchafft gewendet. Wie dann die meiſten/ in dieſem
Buch enthaltene Schrifften alle dahin gerichtet ſind. Deswegen hatte er ſeine Freunde und
Verwandte gebetten/ ſie ſolten ihme nach ſeinem Todt auf ſein Grab eine von einer Rund-
Saͤue (cylindro) beſchloſſene Kugel ſetzen/ und die Verhaͤltnis/ ſo jene gegen dieſer hat/
(nehmlich wie 3 gegen 2) darbey ſchreiben/ allermaſſen er ſolche Verhaͤltnis ſehr kuͤnſtlich
geſunden/ und in dem 32ſten Lehrſatz des I. Buchs von der Kugel und Rund-Saͤule be-
wieſen hat.
Nach dem nun Marcellus deſſen von beſagten Freunden Archimedis verſtaͤndiget
worden/ hat er ihme in dieſem Fall ein Genuͤgen geſchehen laſſen. Wie dann Cicero lange
Zeit hernach/ als er Stadthalter in Sicilien war/ ſolches Grabmal Archimedis geſuchet/
und endlich/ von Dornen und Hekken umbwachſen/ beſagter maſſen/ befunden hat. Jch
wuſte (ſchreibt er Lib. V. Tuſcul. quæſt.) etliche Verslein auswendig/ welche ich/ auf
Archimedis Grabmal/ geſchrieben zu ſeyn vernommen hatte/ dieſelbige zeigeten an/
daß auf ſeinem Grab eine Kugel ſambt einer Rund-Saͤule geſetzet waͤre. Als man
nun einen Zugang zu ſolcher Grabſtaͤtte geoͤffnet/ bin ich zu der einen Seite des
Grabmahles hingegangen; da ich dann beſagte Aufſchrifft gefunden/ aber alſo/
daß der lezte Teihl derer Verslein faſt halb ausgetilget und unleßlich war. Alſo
haͤtte die edelſte Stadt in Griechenland ihres hoͤchſtverſtaͤndigſten Burgers Grab-
mal nicht gewuſt/ wann ihr ſelbiges nicht von einem Arpineſer waͤre gezeiget
worden.
⁽o⁾ Hierons Urteihl/ als Archimedes ihme verſprochen ein Jnſtrument zu erfinden/
wordurch er allein das groſſe Schiff/ welches ganz Sicilien nicht bewegen kunte/ in das
Meer treiben ſolte/ und ſolches auch im Werk geleiſtet/ war dieſes: Forthin ſolte man
glauben alles was Archimedes ſagen würde; wie Plutarchus in ſeinem Marcello
bezeuget. Welchem nicht unaͤhnlich iſt das Urteihl Ciceronis/ deſſen Meinung nicht un-
klar dahin gehet/ es koͤnnte ein verſtaͤndiger Mann/ wann ihm Archimedes ſeiner Erfindun-
gen Urſachen und Beweißthume fuͤrgeleget haͤtte/ nachmals die Waarheit deroſelben auch
mit einem Schwur betheuren. Meineſtu (ſchreibt er Lib. 4. acad. quæſt.) es werde ein
kluger Mann ſchwoͤren/ eh und bevorab Archimedes in ſeinem Beyſeyn alle die je-
nige Urſachen wird gleichſam fuͤr die Augen mahlen/ welche erzwingen/
daß die Sonne vielmal groͤſſer ſey als die
Erde: ꝛc.
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Zitationshilfe: | Sturm, Johann Christoph: Des Unvergleichlichen Archjmedjs Kunst-Bücher. Nürnberg, 1670, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_kunst_1670/20>, abgerufen am 05.07.2024. |