wohl die ursprüngliche sei? so wird die Ortsangabe zu keiner Entscheidung helfen, da genau ebensogut vor als hinter Jericho ein Blinder zu Jesu stossen konnte. Eher wird man in Bezug auf die Zahl Grund haben, sich zu entscheiden, und zwar zu Gunsten des Lukas und Markus für bloss Einen Blinden. Keineswegs zwar aus dem von Schleiermacher angegebenen Grunde, weil Markus, der durch die Angabe, wie der Blinde geheissen, eine genauere Bekanntschaft mit den Verhältnissen beurkunde, auch nur Einen habe 7), da dem so oft auf eigne Hand individuali- sirenden Markus am wenigsten bei den ihm eigenthümli- chen Namen zu trauen sein dürfte; sondern aus dem Grun- de, weil sich denn doch, diesen Fall mit der Erzählung von dem Gadarenischen Besessenen zusammengehalten, ei- ne Neigung des ersten Evangeliums zu Verdopplungen nicht verkennen lässt.
Vielleicht war die Verdoppelung des Blinden bei Mat- thäus durch die Erinnerung an die demselben Evangelisten eigenthümliche Erzählung von einer früheren Heilung zweier Blinden (9, 27 ff.) veranlasst. Hier, gleichfalls im Wegge- hen, nämlich von dem Ort, wo er die Tochter des arkhon wiedererweckt hatte, folgen Jesu zwei Blinde nach, (die bei Jericho sitzen) und rufen ähnlich wie dort den Da- vidssohn um Erbarmen an, der sie sofort auch hier, wie dort nach Matthäus, durch Handauflegung heilt. Daneben finden sich freilich nicht geringe Abweichungen: von ei- nem Stillegebot der Begleiter Jesu steht hier nichts, und während bei Jericho Jesus die Blinden sogleich zu sich ruft, kommen sie in dem früheren Falle erst zu ihm, als er wieder zu Hause ist; ferner, während er dort sie fragt, was sie von ihm wollen? fragt er hier gleich, ob sie das Vertrauen haben, dass er sie heilen könne? endlich das Verbot, Niemand etwas zu sagen, ist dem früheren Fall
7) a. a. O. S. 237.
Das Leben Jesu II. Band. 5
Neuntes Kapitel. §. 91.
wohl die ursprüngliche sei? so wird die Ortsangabe zu keiner Entscheidung helfen, da genau ebensogut vor als hinter Jericho ein Blinder zu Jesu stoſsen konnte. Eher wird man in Bezug auf die Zahl Grund haben, sich zu entscheiden, und zwar zu Gunsten des Lukas und Markus für bloſs Einen Blinden. Keineswegs zwar aus dem von Schleiermacher angegebenen Grunde, weil Markus, der durch die Angabe, wie der Blinde geheiſsen, eine genauere Bekanntschaft mit den Verhältnissen beurkunde, auch nur Einen habe 7), da dem so oft auf eigne Hand individuali- sirenden Markus am wenigsten bei den ihm eigenthümli- chen Namen zu trauen sein dürfte; sondern aus dem Grun- de, weil sich denn doch, diesen Fall mit der Erzählung von dem Gadarenischen Besessenen zusammengehalten, ei- ne Neigung des ersten Evangeliums zu Verdopplungen nicht verkennen läſst.
Vielleicht war die Verdoppelung des Blinden bei Mat- thäus durch die Erinnerung an die demselben Evangelisten eigenthümliche Erzählung von einer früheren Heilung zweier Blinden (9, 27 ff.) veranlaſst. Hier, gleichfalls im Wegge- hen, nämlich von dem Ort, wo er die Tochter des ἄρχων wiedererweckt hatte, folgen Jesu zwei Blinde nach, (die bei Jericho sitzen) und rufen ähnlich wie dort den Da- vidssohn um Erbarmen an, der sie sofort auch hier, wie dort nach Matthäus, durch Handauflegung heilt. Daneben finden sich freilich nicht geringe Abweichungen: von ei- nem Stillegebot der Begleiter Jesu steht hier nichts, und während bei Jericho Jesus die Blinden sogleich zu sich ruft, kommen sie in dem früheren Falle erst zu ihm, als er wieder zu Hause ist; ferner, während er dort sie fragt, was sie von ihm wollen? fragt er hier gleich, ob sie das Vertrauen haben, daſs er sie heilen könne? endlich das Verbot, Niemand etwas zu sagen, ist dem früheren Fall
7) a. a. O. S. 237.
Das Leben Jesu II. Band. 5
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Neuntes Kapitel. §. 91.
wohl die ursprüngliche sei? so wird die Ortsangabe zu
keiner Entscheidung helfen, da genau ebensogut vor als
hinter Jericho ein Blinder zu Jesu stoſsen konnte. Eher
wird man in Bezug auf die Zahl Grund haben, sich zu
entscheiden, und zwar zu Gunsten des Lukas und Markus
für bloſs Einen Blinden. Keineswegs zwar aus dem von
Schleiermacher angegebenen Grunde, weil Markus, der
durch die Angabe, wie der Blinde geheiſsen, eine genauere
Bekanntschaft mit den Verhältnissen beurkunde, auch nur
Einen habe 7), da dem so oft auf eigne Hand individuali-
sirenden Markus am wenigsten bei den ihm eigenthümli-
chen Namen zu trauen sein dürfte; sondern aus dem Grun-
de, weil sich denn doch, diesen Fall mit der Erzählung
von dem Gadarenischen Besessenen zusammengehalten, ei-
ne Neigung des ersten Evangeliums zu Verdopplungen
nicht verkennen läſst.
Vielleicht war die Verdoppelung des Blinden bei Mat-
thäus durch die Erinnerung an die demselben Evangelisten
eigenthümliche Erzählung von einer früheren Heilung zweier
Blinden (9, 27 ff.) veranlaſst. Hier, gleichfalls im Wegge-
hen, nämlich von dem Ort, wo er die Tochter des ἄρχων
wiedererweckt hatte, folgen Jesu zwei Blinde nach, (die
bei Jericho sitzen) und rufen ähnlich wie dort den Da-
vidssohn um Erbarmen an, der sie sofort auch hier, wie
dort nach Matthäus, durch Handauflegung heilt. Daneben
finden sich freilich nicht geringe Abweichungen: von ei-
nem Stillegebot der Begleiter Jesu steht hier nichts, und
während bei Jericho Jesus die Blinden sogleich zu sich
ruft, kommen sie in dem früheren Falle erst zu ihm, als
er wieder zu Hause ist; ferner, während er dort sie fragt,
was sie von ihm wollen? fragt er hier gleich, ob sie das
Vertrauen haben, daſs er sie heilen könne? endlich das
Verbot, Niemand etwas zu sagen, ist dem früheren Fall
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/84>, abgerufen am 27.11.2024.
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