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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
hier etwa noch sagen kann, ist, die gröberen Theile, wel-
che der Leib Jesu auch nach der Auferstehung noch hat-
te, seien vor der Himmelfahrt noch entfernt worden, und
nur das feinste Extrakt seiner Körperlichkeit als Hülle
der Seele mit gen Himmel gefahren 2). Allein da die Jün-
ger, welche bei der Himmelfahrt Jesu zugegen waren,
nichts davon bemerkten, dass von seinem Leib ein Resi-
duum zurückgeblieben wäre: so führt diess entweder auf
die oben erwähnte Absurdität einer Verdunstung des Leibs
Jesu in Form der Wolke, oder auf den Olshausen'schen
Läuterungsprocess, welcher auch nach der Auferstehung
noch nicht, sondern erst im Augenblick der Himmelfahrt
vollendet gewesen sei; ein Process, welcher nur wunder-
lich schnell in dieser lezten Zeit mit retrograden Bewe-
gungen gewechselt haben müsste, wenn doch Jesus bei'm
Eindringen in das verschlossene Versammlungszimmer der
Jünger einen immateriellen, unmittelbar hierauf, als Tho-
mas ihn befühlte, einen materiellen, endlich bei der Him-
melfahrt wieder einen immateriellen Leib gehabt haben
sollte. -- Die andere Schwierigkeit liegt darin, dass nach
richtiger Weltvorstellung der Siz Gottes und der Seligen,
zu welchem Jesus sich erhoben haben soll, keineswegs im
oberen Luftraum, überhaupt an keinem bestimmten Orte
zu suchen ist, sondern diess gehört nur zur kindlich be-
schränkten Vorstellungsweise der alten Welt. Wer zu
Gott und in den Bezirk der Seligen kommen will, der, das
wissen wir, macht einen überflüssigen Umweg, wenn er
zu diesem Behuf in die höheren Luftschichten sich empor-
schwingen zu müssen meint, und diesen wird Jesus, je
vertrauter er mit Gott und göttlichen Dingen war, gewiss
nicht gemacht haben, noch Gott ihn denselben haben ma-
chen lassen 3). Man müsste also nur etwa eine göttliche

2) Seiler, bei Kuinöl, a. a. O., S. 223.
3) Vgl. Paulus, ex. Handb. 3, b, S. 921. de Wette, Religion
und Theologie, S. 161.

Dritter Abschnitt.
hier etwa noch sagen kann, ist, die gröberen Theile, wel-
che der Leib Jesu auch nach der Auferstehung noch hat-
te, seien vor der Himmelfahrt noch entfernt worden, und
nur das feinste Extrakt seiner Körperlichkeit als Hülle
der Seele mit gen Himmel gefahren 2). Allein da die Jün-
ger, welche bei der Himmelfahrt Jesu zugegen waren,
nichts davon bemerkten, daſs von seinem Leib ein Resi-
duum zurückgeblieben wäre: so führt dieſs entweder auf
die oben erwähnte Absurdität einer Verdunstung des Leibs
Jesu in Form der Wolke, oder auf den Olshausen'schen
Läuterungsproceſs, welcher auch nach der Auferstehung
noch nicht, sondern erst im Augenblick der Himmelfahrt
vollendet gewesen sei; ein Proceſs, welcher nur wunder-
lich schnell in dieser lezten Zeit mit retrograden Bewe-
gungen gewechselt haben müſste, wenn doch Jesus bei'm
Eindringen in das verschlossene Versammlungszimmer der
Jünger einen immateriellen, unmittelbar hierauf, als Tho-
mas ihn befühlte, einen materiellen, endlich bei der Him-
melfahrt wieder einen immateriellen Leib gehabt haben
sollte. — Die andere Schwierigkeit liegt darin, daſs nach
richtiger Weltvorstellung der Siz Gottes und der Seligen,
zu welchem Jesus sich erhoben haben soll, keineswegs im
oberen Luftraum, überhaupt an keinem bestimmten Orte
zu suchen ist, sondern dieſs gehört nur zur kindlich be-
schränkten Vorstellungsweise der alten Welt. Wer zu
Gott und in den Bezirk der Seligen kommen will, der, das
wissen wir, macht einen überflüssigen Umweg, wenn er
zu diesem Behuf in die höheren Luftschichten sich empor-
schwingen zu müssen meint, und diesen wird Jesus, je
vertrauter er mit Gott und göttlichen Dingen war, gewiſs
nicht gemacht haben, noch Gott ihn denselben haben ma-
chen lassen 3). Man müſste also nur etwa eine göttliche

2) Seiler, bei Kuinöl, a. a. O., S. 223.
3) Vgl. Paulus, ex. Handb. 3, b, S. 921. de Wette, Religion
und Theologie, S. 161.
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[674/0693] Dritter Abschnitt. hier etwa noch sagen kann, ist, die gröberen Theile, wel- che der Leib Jesu auch nach der Auferstehung noch hat- te, seien vor der Himmelfahrt noch entfernt worden, und nur das feinste Extrakt seiner Körperlichkeit als Hülle der Seele mit gen Himmel gefahren 2). Allein da die Jün- ger, welche bei der Himmelfahrt Jesu zugegen waren, nichts davon bemerkten, daſs von seinem Leib ein Resi- duum zurückgeblieben wäre: so führt dieſs entweder auf die oben erwähnte Absurdität einer Verdunstung des Leibs Jesu in Form der Wolke, oder auf den Olshausen'schen Läuterungsproceſs, welcher auch nach der Auferstehung noch nicht, sondern erst im Augenblick der Himmelfahrt vollendet gewesen sei; ein Proceſs, welcher nur wunder- lich schnell in dieser lezten Zeit mit retrograden Bewe- gungen gewechselt haben müſste, wenn doch Jesus bei'm Eindringen in das verschlossene Versammlungszimmer der Jünger einen immateriellen, unmittelbar hierauf, als Tho- mas ihn befühlte, einen materiellen, endlich bei der Him- melfahrt wieder einen immateriellen Leib gehabt haben sollte. — Die andere Schwierigkeit liegt darin, daſs nach richtiger Weltvorstellung der Siz Gottes und der Seligen, zu welchem Jesus sich erhoben haben soll, keineswegs im oberen Luftraum, überhaupt an keinem bestimmten Orte zu suchen ist, sondern dieſs gehört nur zur kindlich be- schränkten Vorstellungsweise der alten Welt. Wer zu Gott und in den Bezirk der Seligen kommen will, der, das wissen wir, macht einen überflüssigen Umweg, wenn er zu diesem Behuf in die höheren Luftschichten sich empor- schwingen zu müssen meint, und diesen wird Jesus, je vertrauter er mit Gott und göttlichen Dingen war, gewiſs nicht gemacht haben, noch Gott ihn denselben haben ma- chen lassen 3). Man müſste also nur etwa eine göttliche 2) Seiler, bei Kuinöl, a. a. O., S. 223. 3) Vgl. Paulus, ex. Handb. 3, b, S. 921. de Wette, Religion und Theologie, S. 161.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 674. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/693>, abgerufen am 23.11.2024.