wiese, dass Jesus sich das aptesthai eben als etwas Schmerz- haftes verbitte, sondern diess kann aus verschiedenen Gründen geschehen sein: aus welchem, ist bei der Dun- kelheit der Stelle bis jezt nicht zur Entscheidung ge- bracht 16).
Die wunderlichste Verkehrung aber ist es, wenn ge- sagt wird, die seltenen und kurzen Zusammenkünfte Jesu mit seinen Jüngern nach der Auferstehung beweisen, dass er für längere und häufigere Anstrengungen noch zu schwach, also ein natürlich Genesender, gewesen sei. Eben wenn er auf diese Weise körperlicher Pflege bedürftig war, so sollte er nicht selten, sondern immer bei seinen Jüngern gewesen sein, welche die nächsten waren, von denen er eine solche Pflege zu erwarten hatte. Denn wo soll er nun in den langen Zwischenzeiten zwischen seinen Erscheinungen sich aufgehalten haben? in der Einsamkeit? im Freien? in der Wüste und auf Bergen? Das war kein Aufenthalt für einen Kranken, und es bleibt nichts übrig, als er müsste bei geheimen Verbündeten, von welchen selbst seine Jünger nichts wussten, verborgen gewesen sein. Ein solches Geheimhalten seines eigentlichen Aufent- halts aber selbst vor seinen Schülern, denen er nur sel- ten, und mit Absicht plözlich sich einstellend und wieder entfernend, sich zeigte, wäre ein Spielen unter der Decke, ein falscher Schein des Übernatürlichen gewesen, welchen er ihnen vorgemacht hätte, der uns Jesum und seine ganze Sache in einem Lichte erscheinen liesse, welches dem Gegenstand selbst, wie er in den Quellen vor uns liegt, fremd, nur durch die Blendlaterne moderner, übrigens bereits wieder verschollener Vorstellungen auf denselben geworfen ist. Die Ansicht der Evangelisten ist keine andere, als dass der Auferstandene nach jenen kur-
16) Die verschiedenen Erklärungen s. bei Tholuck und Lücke, welcher leztere eine Änderung der Lesart nöthig findet.
Das Leben Jesu II. Band. 41
Viertes Kapitel. §. 135.
wiese, daſs Jesus sich das ἅπτεσϑαι eben als etwas Schmerz- haftes verbitte, sondern dieſs kann aus verschiedenen Gründen geschehen sein: aus welchem, ist bei der Dun- kelheit der Stelle bis jezt nicht zur Entscheidung ge- bracht 16).
Die wunderlichste Verkehrung aber ist es, wenn ge- sagt wird, die seltenen und kurzen Zusammenkünfte Jesu mit seinen Jüngern nach der Auferstehung beweisen, daſs er für längere und häufigere Anstrengungen noch zu schwach, also ein natürlich Genesender, gewesen sei. Eben wenn er auf diese Weise körperlicher Pflege bedürftig war, so sollte er nicht selten, sondern immer bei seinen Jüngern gewesen sein, welche die nächsten waren, von denen er eine solche Pflege zu erwarten hatte. Denn wo soll er nun in den langen Zwischenzeiten zwischen seinen Erscheinungen sich aufgehalten haben? in der Einsamkeit? im Freien? in der Wüste und auf Bergen? Das war kein Aufenthalt für einen Kranken, und es bleibt nichts übrig, als er müſste bei geheimen Verbündeten, von welchen selbst seine Jünger nichts wuſsten, verborgen gewesen sein. Ein solches Geheimhalten seines eigentlichen Aufent- halts aber selbst vor seinen Schülern, denen er nur sel- ten, und mit Absicht plözlich sich einstellend und wieder entfernend, sich zeigte, wäre ein Spielen unter der Decke, ein falscher Schein des Übernatürlichen gewesen, welchen er ihnen vorgemacht hätte, der uns Jesum und seine ganze Sache in einem Lichte erscheinen lieſse, welches dem Gegenstand selbst, wie er in den Quellen vor uns liegt, fremd, nur durch die Blendlaterne moderner, übrigens bereits wieder verschollener Vorstellungen auf denselben geworfen ist. Die Ansicht der Evangelisten ist keine andere, als daſs der Auferstandene nach jenen kur-
16) Die verschiedenen Erklärungen s. bei Tholuck und Lücke, welcher leztere eine Änderung der Lesart nöthig findet.
Das Leben Jesu II. Band. 41
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Viertes Kapitel. §. 135.
wiese, daſs Jesus sich das ἅπτεσϑαι eben als etwas Schmerz-
haftes verbitte, sondern dieſs kann aus verschiedenen
Gründen geschehen sein: aus welchem, ist bei der Dun-
kelheit der Stelle bis jezt nicht zur Entscheidung ge-
bracht 16).
Die wunderlichste Verkehrung aber ist es, wenn ge-
sagt wird, die seltenen und kurzen Zusammenkünfte Jesu
mit seinen Jüngern nach der Auferstehung beweisen, daſs
er für längere und häufigere Anstrengungen noch zu
schwach, also ein natürlich Genesender, gewesen sei. Eben
wenn er auf diese Weise körperlicher Pflege bedürftig
war, so sollte er nicht selten, sondern immer bei seinen
Jüngern gewesen sein, welche die nächsten waren, von
denen er eine solche Pflege zu erwarten hatte. Denn wo
soll er nun in den langen Zwischenzeiten zwischen seinen
Erscheinungen sich aufgehalten haben? in der Einsamkeit?
im Freien? in der Wüste und auf Bergen? Das war kein
Aufenthalt für einen Kranken, und es bleibt nichts übrig,
als er müſste bei geheimen Verbündeten, von welchen
selbst seine Jünger nichts wuſsten, verborgen gewesen
sein. Ein solches Geheimhalten seines eigentlichen Aufent-
halts aber selbst vor seinen Schülern, denen er nur sel-
ten, und mit Absicht plözlich sich einstellend und wieder
entfernend, sich zeigte, wäre ein Spielen unter der Decke,
ein falscher Schein des Übernatürlichen gewesen, welchen
er ihnen vorgemacht hätte, der uns Jesum und seine
ganze Sache in einem Lichte erscheinen lieſse, welches
dem Gegenstand selbst, wie er in den Quellen vor
uns liegt, fremd, nur durch die Blendlaterne moderner,
übrigens bereits wieder verschollener Vorstellungen auf
denselben geworfen ist. Die Ansicht der Evangelisten ist
keine andere, als daſs der Auferstandene nach jenen kur-
16) Die verschiedenen Erklärungen s. bei Tholuck und Lücke,
welcher leztere eine Änderung der Lesart nöthig findet.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 641. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/660>, abgerufen am 23.11.2024.
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