nen zu sein, was ganz Worte eines Scheidenden sind, ge- geben hatte: so kann er nicht später noch einmal, wie die Apostelgeschichte im Eingang meldet, bei Jerusalem ihnen die lezten Aufträge ertheilt, und Abschied von ihnen ge- nommen haben. Nach dem Schluss des Lukasevangeliums fällt dieser Abschied im Gegentheil viel früher, als er nach Matthäus zu denken wäre, und der Schluss des Markus- evangeliums legt dem noch am Tag der Auferstehung zu Jerusalem von seinen Jüngern Scheidenden zum Theil die- selben Worte in den Mund, welche nach Matthäus in Ga- liläa, und jedenfalls später als am Auferstehungstag, ge- sprochen sind. Darauf, dass die zwei Bücher des Ei- nen Lukas in Bezug auf den Zeitraum, während dessen Jesus nach seiner Auferstehung noch erschien, so weit von einander abgehen, dass das eine diesen Zeitraum als ein- tägig, das andere als vierzigtägig bestimmt, kann erst tie- fer unten nähere Rücksicht genommen werden.
Wenn so die verschiedenen evangelischen Referenten der Erscheinungen Jesu nach seiner Auferstehung nur in wenigen derselben zusammenstimmen; wenn die Lokalbe- zeichnung des einen die von den übrigen berichteten Er- scheinungen ausschliesst; die Zeitbestimmung eines andern für die Erzählungen der übrigen keine Frist lässt; die Zäh- lung eines Dritten ohne alle Rücksicht auf die andern an- gelegt ist; endlich unter mehreren von verschiedenen Re- ferenten berichteten Erscheinungen jede die lezte sein will, und doch mit den übrigen nichts gemein hat: so müsste man absichtlich blind sein wollen, wenn man nicht aner- kennen würde, dass keiner der Berichterstatter das, was der andere berichtet, kannte und voraussezte, dass je- der die Sache wieder anders gehört hatte, dass somit über die Erscheinungen des auferstandenen Jesus frühzei- tig nur schwankende und vielfach variirte Gerüchte im Um- lauf waren 17).
17) Vgl. Kaiser, bibl. Theol. 1, S. 254 ff.
Dritter Abschnitt.
nen zu sein, was ganz Worte eines Scheidenden sind, ge- geben hatte: so kann er nicht später noch einmal, wie die Apostelgeschichte im Eingang meldet, bei Jerusalem ihnen die lezten Aufträge ertheilt, und Abschied von ihnen ge- nommen haben. Nach dem Schluſs des Lukasevangeliums fällt dieser Abschied im Gegentheil viel früher, als er nach Matthäus zu denken wäre, und der Schluſs des Markus- evangeliums legt dem noch am Tag der Auferstehung zu Jerusalem von seinen Jüngern Scheidenden zum Theil die- selben Worte in den Mund, welche nach Matthäus in Ga- liläa, und jedenfalls später als am Auferstehungstag, ge- sprochen sind. Darauf, daſs die zwei Bücher des Ei- nen Lukas in Bezug auf den Zeitraum, während dessen Jesus nach seiner Auferstehung noch erschien, so weit von einander abgehen, daſs das eine diesen Zeitraum als ein- tägig, das andere als vierzigtägig bestimmt, kann erst tie- fer unten nähere Rücksicht genommen werden.
Wenn so die verschiedenen evangelischen Referenten der Erscheinungen Jesu nach seiner Auferstehung nur in wenigen derselben zusammenstimmen; wenn die Lokalbe- zeichnung des einen die von den übrigen berichteten Er- scheinungen ausschlieſst; die Zeitbestimmung eines andern für die Erzählungen der übrigen keine Frist läſst; die Zäh- lung eines Dritten ohne alle Rücksicht auf die andern an- gelegt ist; endlich unter mehreren von verschiedenen Re- ferenten berichteten Erscheinungen jede die lezte sein will, und doch mit den übrigen nichts gemein hat: so müſste man absichtlich blind sein wollen, wenn man nicht aner- kennen würde, daſs keiner der Berichterstatter das, was der andere berichtet, kannte und voraussezte, daſs je- der die Sache wieder anders gehört hatte, daſs somit über die Erscheinungen des auferstandenen Jesus frühzei- tig nur schwankende und vielfach variirte Gerüchte im Um- lauf waren 17).
17) Vgl. Kaiser, bibl. Theol. 1, S. 254 ff.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0647"n="628"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Dritter Abschnitt</hi>.</fw><lb/>
nen zu sein, was ganz Worte eines Scheidenden sind, ge-<lb/>
geben hatte: so kann er nicht später noch einmal, wie die<lb/>
Apostelgeschichte im Eingang meldet, bei Jerusalem ihnen<lb/>
die lezten Aufträge ertheilt, und Abschied von ihnen ge-<lb/>
nommen haben. Nach dem Schluſs des Lukasevangeliums<lb/>
fällt dieser Abschied im Gegentheil viel früher, als er nach<lb/>
Matthäus zu denken wäre, und der Schluſs des Markus-<lb/>
evangeliums legt dem noch am Tag der Auferstehung zu<lb/>
Jerusalem von seinen Jüngern Scheidenden zum Theil die-<lb/>
selben Worte in den Mund, welche nach Matthäus in Ga-<lb/>
liläa, und jedenfalls später als am Auferstehungstag, ge-<lb/>
sprochen sind. Darauf, daſs die zwei Bücher des Ei-<lb/>
nen Lukas in Bezug auf den Zeitraum, während dessen<lb/>
Jesus nach seiner Auferstehung noch erschien, so weit von<lb/>
einander abgehen, daſs das eine diesen Zeitraum als ein-<lb/>
tägig, das andere als vierzigtägig bestimmt, kann erst tie-<lb/>
fer unten nähere Rücksicht genommen werden.</p><lb/><p>Wenn so die verschiedenen evangelischen Referenten<lb/>
der Erscheinungen Jesu nach seiner Auferstehung nur in<lb/>
wenigen derselben zusammenstimmen; wenn die Lokalbe-<lb/>
zeichnung des einen die von den übrigen berichteten Er-<lb/>
scheinungen ausschlieſst; die Zeitbestimmung eines andern<lb/>
für die Erzählungen der übrigen keine Frist läſst; die Zäh-<lb/>
lung eines Dritten ohne alle Rücksicht auf die andern an-<lb/>
gelegt ist; endlich unter mehreren von verschiedenen Re-<lb/>
ferenten berichteten Erscheinungen jede die lezte sein will,<lb/>
und doch mit den übrigen nichts gemein hat: so müſste<lb/>
man absichtlich blind sein wollen, wenn man nicht aner-<lb/>
kennen würde, daſs keiner der Berichterstatter das, was<lb/>
der andere berichtet, kannte und voraussezte, daſs je-<lb/>
der die Sache wieder anders gehört hatte, daſs somit<lb/>
über die Erscheinungen des auferstandenen Jesus frühzei-<lb/>
tig nur schwankende und vielfach variirte Gerüchte im Um-<lb/>
lauf waren <noteplace="foot"n="17)">Vgl. <hirendition="#k">Kaiser</hi>, bibl. Theol. 1, S. 254 ff.</note>.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[628/0647]
Dritter Abschnitt.
nen zu sein, was ganz Worte eines Scheidenden sind, ge-
geben hatte: so kann er nicht später noch einmal, wie die
Apostelgeschichte im Eingang meldet, bei Jerusalem ihnen
die lezten Aufträge ertheilt, und Abschied von ihnen ge-
nommen haben. Nach dem Schluſs des Lukasevangeliums
fällt dieser Abschied im Gegentheil viel früher, als er nach
Matthäus zu denken wäre, und der Schluſs des Markus-
evangeliums legt dem noch am Tag der Auferstehung zu
Jerusalem von seinen Jüngern Scheidenden zum Theil die-
selben Worte in den Mund, welche nach Matthäus in Ga-
liläa, und jedenfalls später als am Auferstehungstag, ge-
sprochen sind. Darauf, daſs die zwei Bücher des Ei-
nen Lukas in Bezug auf den Zeitraum, während dessen
Jesus nach seiner Auferstehung noch erschien, so weit von
einander abgehen, daſs das eine diesen Zeitraum als ein-
tägig, das andere als vierzigtägig bestimmt, kann erst tie-
fer unten nähere Rücksicht genommen werden.
Wenn so die verschiedenen evangelischen Referenten
der Erscheinungen Jesu nach seiner Auferstehung nur in
wenigen derselben zusammenstimmen; wenn die Lokalbe-
zeichnung des einen die von den übrigen berichteten Er-
scheinungen ausschlieſst; die Zeitbestimmung eines andern
für die Erzählungen der übrigen keine Frist läſst; die Zäh-
lung eines Dritten ohne alle Rücksicht auf die andern an-
gelegt ist; endlich unter mehreren von verschiedenen Re-
ferenten berichteten Erscheinungen jede die lezte sein will,
und doch mit den übrigen nichts gemein hat: so müſste
man absichtlich blind sein wollen, wenn man nicht aner-
kennen würde, daſs keiner der Berichterstatter das, was
der andere berichtet, kannte und voraussezte, daſs je-
der die Sache wieder anders gehört hatte, daſs somit
über die Erscheinungen des auferstandenen Jesus frühzei-
tig nur schwankende und vielfach variirte Gerüchte im Um-
lauf waren 17).
17) Vgl. Kaiser, bibl. Theol. 1, S. 254 ff.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 628. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/647>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.