Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Drittes Kapitel. §. 125.
ohne Zweifel noch im inneren, am Feuer; ferner nach
Matthäus und Markus gegen mehrere Umstehende: nach
Lukas gegen Einen: nach Johannes bestimmt gegen einen
Anverwandten des im Garten verwundeten Knechts. -- Was
für's Andere die Reden betrifft, welche bei dieser Gele-
genheit gewechselt werden, so sind die Anreden der Leute
bald an Petrus selbst, bald an die Umstehenden gerichtet,
um sie auf ihn aufmerksam zu machen, und lauten die bei-
den ersten Male ziemlich gleich dahin, dass auch er einer
von den Anhängern des eben Verhafteten zu sein scheine;
nur bei'm drittenmal, wo die Leute ihren Verdacht gegen
Petrus motiviren wollen, gebrauchen sie nach den Synop-
tikern als Beweisgrund seinen galiläischen Dialekt, bei Jo-
hannes beruft sich der Verwandte des Malchus darauf, ihn
im Garten bei Jesu gesehen zu haben; wo die erstere Mo-
tivirung ebenso natürlich, als die zweite, sammt der Be-
zeichnung dessen, der sie vorbrachte, als eines Verwand-
ten jenes Malchus, künstlich und gemacht klingt, um die
Beziehung jenes Schwertstreichs auf Petrus recht fest in
die Erzählung zu verweben. In den Antworten des Petrus
findet die Abweichung statt, dass er nach Matthäus schon
die zweite, nach Markus erst die dritte, bei den beiden
andern gar keine seiner Verleugnungen durch einen Schwur
bekräftigt; bei Matthäus ist dann an der dritten Verleug-
nung die Steigerung dadurch hervorgebracht, dass zu dem
omnuein noch das katanathematizein gefügt ist, was den an-
dern gegenüber allerdings als übertreibende Darstellung
erscheinen kann.

Diese so verschieden erzählten Verleugnungen derge-
stalt ineinander einzuschieben, dass kein Evangelist einer
unrichtigen, ja auch nur ungenauen Darstellung beschuldigt
werden müsste, war nun ganz ein Geschäft für die Harmo-
nisten. Nicht nur die älteren, supranaturalistischen Aus-
leger, wie Bengel, haben sich diesem Geschäft unterzo-
gen, sondern auch neuestens noch hat sich Paulus viele

Drittes Kapitel. §. 125.
ohne Zweifel noch im inneren, am Feuer; ferner nach
Matthäus und Markus gegen mehrere Umstehende: nach
Lukas gegen Einen: nach Johannes bestimmt gegen einen
Anverwandten des im Garten verwundeten Knechts. — Was
für's Andere die Reden betrifft, welche bei dieser Gele-
genheit gewechselt werden, so sind die Anreden der Leute
bald an Petrus selbst, bald an die Umstehenden gerichtet,
um sie auf ihn aufmerksam zu machen, und lauten die bei-
den ersten Male ziemlich gleich dahin, daſs auch er einer
von den Anhängern des eben Verhafteten zu sein scheine;
nur bei'm drittenmal, wo die Leute ihren Verdacht gegen
Petrus motiviren wollen, gebrauchen sie nach den Synop-
tikern als Beweisgrund seinen galiläischen Dialekt, bei Jo-
hannes beruft sich der Verwandte des Malchus darauf, ihn
im Garten bei Jesu gesehen zu haben; wo die erstere Mo-
tivirung ebenso natürlich, als die zweite, sammt der Be-
zeichnung dessen, der sie vorbrachte, als eines Verwand-
ten jenes Malchus, künstlich und gemacht klingt, um die
Beziehung jenes Schwertstreichs auf Petrus recht fest in
die Erzählung zu verweben. In den Antworten des Petrus
findet die Abweichung statt, daſs er nach Matthäus schon
die zweite, nach Markus erst die dritte, bei den beiden
andern gar keine seiner Verleugnungen durch einen Schwur
bekräftigt; bei Matthäus ist dann an der dritten Verleug-
nung die Steigerung dadurch hervorgebracht, daſs zu dem
ὀμνύειν noch das καταναϑεματίζειν gefügt ist, was den an-
dern gegenüber allerdings als übertreibende Darstellung
erscheinen kann.

Diese so verschieden erzählten Verleugnungen derge-
stalt ineinander einzuschieben, daſs kein Evangelist einer
unrichtigen, ja auch nur ungenauen Darstellung beschuldigt
werden müſste, war nun ganz ein Geschäft für die Harmo-
nisten. Nicht nur die älteren, supranaturalistischen Aus-
leger, wie Bengel, haben sich diesem Geschäft unterzo-
gen, sondern auch neuestens noch hat sich Paulus viele

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0512" n="493"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Drittes Kapitel</hi>. §. 125.</fw><lb/>
ohne Zweifel noch im inneren, am Feuer; ferner nach<lb/>
Matthäus und Markus gegen mehrere Umstehende: nach<lb/>
Lukas gegen Einen: nach Johannes bestimmt gegen einen<lb/>
Anverwandten des im Garten verwundeten Knechts. &#x2014; Was<lb/>
für's Andere die Reden betrifft, welche bei dieser Gele-<lb/>
genheit gewechselt werden, so sind die Anreden der Leute<lb/>
bald an Petrus selbst, bald an die Umstehenden gerichtet,<lb/>
um sie auf ihn aufmerksam zu machen, und lauten die bei-<lb/>
den ersten Male ziemlich gleich dahin, da&#x017F;s auch er einer<lb/>
von den Anhängern des eben Verhafteten zu sein scheine;<lb/>
nur bei'm drittenmal, wo die Leute ihren Verdacht gegen<lb/>
Petrus motiviren wollen, gebrauchen sie nach den Synop-<lb/>
tikern als Beweisgrund seinen galiläischen Dialekt, bei Jo-<lb/>
hannes beruft sich der Verwandte des Malchus darauf, ihn<lb/>
im Garten bei Jesu gesehen zu haben; wo die erstere Mo-<lb/>
tivirung ebenso natürlich, als die zweite, sammt der Be-<lb/>
zeichnung dessen, der sie vorbrachte, als eines Verwand-<lb/>
ten jenes Malchus, künstlich und gemacht klingt, um die<lb/>
Beziehung jenes Schwertstreichs auf Petrus recht fest in<lb/>
die Erzählung zu verweben. In den Antworten des Petrus<lb/>
findet die Abweichung statt, da&#x017F;s er nach Matthäus schon<lb/>
die zweite, nach Markus erst die dritte, bei den beiden<lb/>
andern gar keine seiner Verleugnungen durch einen Schwur<lb/>
bekräftigt; bei Matthäus ist dann an der dritten Verleug-<lb/>
nung die Steigerung dadurch hervorgebracht, da&#x017F;s zu dem<lb/><foreign xml:lang="ell">&#x1F40;&#x03BC;&#x03BD;&#x03CD;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD;</foreign> noch das <foreign xml:lang="ell">&#x03BA;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1;&#x03BD;&#x03B1;&#x03D1;&#x03B5;&#x03BC;&#x03B1;&#x03C4;&#x03AF;&#x03B6;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD;</foreign> gefügt ist, was den an-<lb/>
dern gegenüber allerdings als übertreibende Darstellung<lb/>
erscheinen kann.</p><lb/>
          <p>Diese so verschieden erzählten Verleugnungen derge-<lb/>
stalt ineinander einzuschieben, da&#x017F;s kein Evangelist einer<lb/>
unrichtigen, ja auch nur ungenauen Darstellung beschuldigt<lb/>
werden mü&#x017F;ste, war nun ganz ein Geschäft für die Harmo-<lb/>
nisten. Nicht nur die älteren, supranaturalistischen Aus-<lb/>
leger, wie <hi rendition="#k">Bengel</hi>, haben sich diesem Geschäft unterzo-<lb/>
gen, sondern auch neuestens noch hat sich <hi rendition="#k">Paulus</hi> viele<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[493/0512] Drittes Kapitel. §. 125. ohne Zweifel noch im inneren, am Feuer; ferner nach Matthäus und Markus gegen mehrere Umstehende: nach Lukas gegen Einen: nach Johannes bestimmt gegen einen Anverwandten des im Garten verwundeten Knechts. — Was für's Andere die Reden betrifft, welche bei dieser Gele- genheit gewechselt werden, so sind die Anreden der Leute bald an Petrus selbst, bald an die Umstehenden gerichtet, um sie auf ihn aufmerksam zu machen, und lauten die bei- den ersten Male ziemlich gleich dahin, daſs auch er einer von den Anhängern des eben Verhafteten zu sein scheine; nur bei'm drittenmal, wo die Leute ihren Verdacht gegen Petrus motiviren wollen, gebrauchen sie nach den Synop- tikern als Beweisgrund seinen galiläischen Dialekt, bei Jo- hannes beruft sich der Verwandte des Malchus darauf, ihn im Garten bei Jesu gesehen zu haben; wo die erstere Mo- tivirung ebenso natürlich, als die zweite, sammt der Be- zeichnung dessen, der sie vorbrachte, als eines Verwand- ten jenes Malchus, künstlich und gemacht klingt, um die Beziehung jenes Schwertstreichs auf Petrus recht fest in die Erzählung zu verweben. In den Antworten des Petrus findet die Abweichung statt, daſs er nach Matthäus schon die zweite, nach Markus erst die dritte, bei den beiden andern gar keine seiner Verleugnungen durch einen Schwur bekräftigt; bei Matthäus ist dann an der dritten Verleug- nung die Steigerung dadurch hervorgebracht, daſs zu dem ὀμνύειν noch das καταναϑεματίζειν gefügt ist, was den an- dern gegenüber allerdings als übertreibende Darstellung erscheinen kann. Diese so verschieden erzählten Verleugnungen derge- stalt ineinander einzuschieben, daſs kein Evangelist einer unrichtigen, ja auch nur ungenauen Darstellung beschuldigt werden müſste, war nun ganz ein Geschäft für die Harmo- nisten. Nicht nur die älteren, supranaturalistischen Aus- leger, wie Bengel, haben sich diesem Geschäft unterzo- gen, sondern auch neuestens noch hat sich Paulus viele

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/512
Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/512>, abgerufen am 20.05.2024.