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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Zweiter Abschnitt.
Jesu seine Stelle finden soll. Noch schlimmer ist es bei
Markus, wo der Zuruf Jesu durch eine ähnliche Verket-
tung der Sätze sogar vor das edrame zurückgeschoben
wird, so dass Jesus sonderbarerweise schon aus der Ferne
dem Dämon das exelthe zugerufen haben müsste. Wenn
auf diese Weise bei den beiden mittleren Evangelisten ent-
weder die vorangeschickte zusammenhängende Darstellung
oder der darauffolgende Zusaz unrichtig sein muss: so
fragt sich nur, was von beiden eher den Schein des Unhi-
storischen wider sich habe? Und hier hat selbst Schleier-
macher
eingeräumt, wenn in der ursprünglichen Erzählung
von einem vorausgegangenen Gebote Jesu die Rede gewe-
sen wäre, so würde dieses gewiss in seiner rechten Stelle
vor der Bitte der Dämonen, und mit Anführung der eig-
nen Worte Jesu gegeben worden sein; wogegen seine je-
zige Stellung als Nachtrag, und ebenso seine abgekürzte
Fassung in der oratio obliqua (bei Lukas; erst Markus
wandelt sie nach seiner Weise in oratio recta um) sehr
stark die Vermuthung begründe, dass es auch nur ein er-
klärender Nachtrag des Referenten aus eigener Conjektur
sei 18). Und zwar ist es ein höchst störender, indem er
der ganzen Scene nachträglich eine andre Gestalt giebt,
als sie von vorne herein zeigte. Zuerst nämlich war sie
auf ein zuvorkommendes Erkennen und Bitten des Dämo-
nischen angelegt: nun aber fällt der Erzähler aus seiner
Rolle, und in der Meinung, der Bitte des Dämons um
Schonung müsse ein harter Befehl Jesu vorangegangen sein,

18) a. a. O. S. 128. Wenn er nun aber diese unrichtige Ergän-
zung von Seiten des Lukas daraus erklärt, dass sein Bericht-
erstatter vermuthlich beim Schiff beschäftigt und etwas zu-
rückgeblieben, dem Anfang der Scene mit dem Dämonischen
nicht angewohnt habe, so ist diess ein gar zu neugieriger
Scharfsinn neben der veralteten Annahme eines möglichst
unmittelbaren Verhältnisses der evangelischen Berichte zu
den Thatsachen.

Zweiter Abschnitt.
Jesu seine Stelle finden soll. Noch schlimmer ist es bei
Markus, wo der Zuruf Jesu durch eine ähnliche Verket-
tung der Sätze sogar vor das ἔδραμε zurückgeschoben
wird, so daſs Jesus sonderbarerweise schon aus der Ferne
dem Dämon das ἔξελϑε zugerufen haben müſste. Wenn
auf diese Weise bei den beiden mittleren Evangelisten ent-
weder die vorangeschickte zusammenhängende Darstellung
oder der darauffolgende Zusaz unrichtig sein muſs: so
fragt sich nur, was von beiden eher den Schein des Unhi-
storischen wider sich habe? Und hier hat selbst Schleier-
macher
eingeräumt, wenn in der ursprünglichen Erzählung
von einem vorausgegangenen Gebote Jesu die Rede gewe-
sen wäre, so würde dieses gewiſs in seiner rechten Stelle
vor der Bitte der Dämonen, und mit Anführung der eig-
nen Worte Jesu gegeben worden sein; wogegen seine je-
zige Stellung als Nachtrag, und ebenso seine abgekürzte
Fassung in der oratio obliqua (bei Lukas; erst Markus
wandelt sie nach seiner Weise in oratio recta um) sehr
stark die Vermuthung begründe, daſs es auch nur ein er-
klärender Nachtrag des Referenten aus eigener Conjektur
sei 18). Und zwar ist es ein höchst störender, indem er
der ganzen Scene nachträglich eine andre Gestalt giebt,
als sie von vorne herein zeigte. Zuerst nämlich war sie
auf ein zuvorkommendes Erkennen und Bitten des Dämo-
nischen angelegt: nun aber fällt der Erzähler aus seiner
Rolle, und in der Meinung, der Bitte des Dämons um
Schonung müsse ein harter Befehl Jesu vorangegangen sein,

18) a. a. O. S. 128. Wenn er nun aber diese unrichtige Ergän-
zung von Seiten des Lukas daraus erklärt, dass sein Bericht-
erstatter vermuthlich beim Schiff beschäftigt und etwas zu-
rückgeblieben, dem Anfang der Scene mit dem Dämonischen
nicht angewohnt habe, so ist diess ein gar zu neugieriger
Scharfsinn neben der veralteten Annahme eines möglichst
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den Thatsachen.
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[30/0049] Zweiter Abschnitt. Jesu seine Stelle finden soll. Noch schlimmer ist es bei Markus, wo der Zuruf Jesu durch eine ähnliche Verket- tung der Sätze sogar vor das ἔδραμε zurückgeschoben wird, so daſs Jesus sonderbarerweise schon aus der Ferne dem Dämon das ἔξελϑε zugerufen haben müſste. Wenn auf diese Weise bei den beiden mittleren Evangelisten ent- weder die vorangeschickte zusammenhängende Darstellung oder der darauffolgende Zusaz unrichtig sein muſs: so fragt sich nur, was von beiden eher den Schein des Unhi- storischen wider sich habe? Und hier hat selbst Schleier- macher eingeräumt, wenn in der ursprünglichen Erzählung von einem vorausgegangenen Gebote Jesu die Rede gewe- sen wäre, so würde dieses gewiſs in seiner rechten Stelle vor der Bitte der Dämonen, und mit Anführung der eig- nen Worte Jesu gegeben worden sein; wogegen seine je- zige Stellung als Nachtrag, und ebenso seine abgekürzte Fassung in der oratio obliqua (bei Lukas; erst Markus wandelt sie nach seiner Weise in oratio recta um) sehr stark die Vermuthung begründe, daſs es auch nur ein er- klärender Nachtrag des Referenten aus eigener Conjektur sei 18). Und zwar ist es ein höchst störender, indem er der ganzen Scene nachträglich eine andre Gestalt giebt, als sie von vorne herein zeigte. Zuerst nämlich war sie auf ein zuvorkommendes Erkennen und Bitten des Dämo- nischen angelegt: nun aber fällt der Erzähler aus seiner Rolle, und in der Meinung, der Bitte des Dämons um Schonung müsse ein harter Befehl Jesu vorangegangen sein, 18) a. a. O. S. 128. Wenn er nun aber diese unrichtige Ergän- zung von Seiten des Lukas daraus erklärt, dass sein Bericht- erstatter vermuthlich beim Schiff beschäftigt und etwas zu- rückgeblieben, dem Anfang der Scene mit dem Dämonischen nicht angewohnt habe, so ist diess ein gar zu neugieriger Scharfsinn neben der veralteten Annahme eines möglichst unmittelbaren Verhältnisses der evangelischen Berichte zu den Thatsachen.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/49>, abgerufen am 24.11.2024.