Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Dritter Abschnitt. Stiftung des Abendmahls, als allgemein bekannte Geschich-te, übergangen haben 2). Allein dieser Zweck einer evan- gelischen Schrift, nur das minder Bekannte zu erzählen, das Bekannte aber zu übergehen, lässt sich eigentlich gar nicht denken. Die schriftliche Aufzeichnung geht ja aus von Misstrauen gegen die mündliche Überlieferung; sie will diese nicht bloss ergänzen, sondern auch befestigen, und so kann sie gerade die Hauptpunkte, welche, wie sie als die meistbesprochenen der Entstellung am meisten ausge- sezt sind, so die genaueste Aufbewahrung wünschenswerth machen, am wenigsten übergehen: ebenso demnach auch Jo- hannes die Stiftung des Abendmahls nicht, an dessen Ein- setzungsworten, wenn wir die verschiedenen N. T.lichen Relationen vergleichen, frühzeitig entweder Zusätze oder Weglassungen müssen gemacht worden sein. Aber, sagt man weiter, die Stiftung des Abendmahls zu erzählen, war für den Zweck des johanneischen Evangeliums von keiner Bedeutung 3). Wie? für den allgemeinen Zweck desselben, seine Leser zu überzeugen, oti Iesous esin o Khrisos, o uius tou theou (20, 31.), sollte die Mittheilung ei- ner Scene nicht von Belang gewesen sein, in welcher er als Stifter einer kaine diatheke erscheint? und für den be- sonderen Zweck des betreffenden Abschnitts, Jesu bis an's Ende sich gleich gebliebene Liebe ins Licht zu setzen (13, 1.), sollte es nichts ausgetragen haben, zu erwähnen, wie er seinen Leib und sein Blut den Seinen als Speise und Trank dargeboten, und damit seinen Worten Joh. 6. Realität gegeben habe? Doch, dem Johannes soll es hier wie überall vorzugsweise nur um die tieferen Reden Jesu zu thun gewesen sein, und desswegen soll er die Einsetzung des Abendmahls übergangen, und erst mit den auf die Fuss- waschung bezüglichen Reden seine Erzählung begonnen ha- 2) Lücke, 2, S. 484 f. 3) Olshausen, a. a. O.
Dritter Abschnitt. Stiftung des Abendmahls, als allgemein bekannte Geschich-te, übergangen haben 2). Allein dieser Zweck einer evan- gelischen Schrift, nur das minder Bekannte zu erzählen, das Bekannte aber zu übergehen, läſst sich eigentlich gar nicht denken. Die schriftliche Aufzeichnung geht ja aus von Miſstrauen gegen die mündliche Überlieferung; sie will diese nicht bloſs ergänzen, sondern auch befestigen, und so kann sie gerade die Hauptpunkte, welche, wie sie als die meistbesprochenen der Entstellung am meisten ausge- sezt sind, so die genaueste Aufbewahrung wünschenswerth machen, am wenigsten übergehen: ebenso demnach auch Jo- hannes die Stiftung des Abendmahls nicht, an dessen Ein- setzungsworten, wenn wir die verschiedenen N. T.lichen Relationen vergleichen, frühzeitig entweder Zusätze oder Weglassungen müssen gemacht worden sein. Aber, sagt man weiter, die Stiftung des Abendmahls zu erzählen, war für den Zweck des johanneischen Evangeliums von keiner Bedeutung 3). Wie? für den allgemeinen Zweck desselben, seine Leser zu überzeugen, ὅτι Ἰησοῦς ἐςιν ὁ Χριςὸς, ὁ υἱὺς τοῦ ϑεοῦ (20, 31.), sollte die Mittheilung ei- ner Scene nicht von Belang gewesen sein, in welcher er als Stifter einer καινὴ διαϑήκη erscheint? und für den be- sonderen Zweck des betreffenden Abschnitts, Jesu bis an's Ende sich gleich gebliebene Liebe ins Licht zu setzen (13, 1.), sollte es nichts ausgetragen haben, zu erwähnen, wie er seinen Leib und sein Blut den Seinen als Speise und Trank dargeboten, und damit seinen Worten Joh. 6. Realität gegeben habe? Doch, dem Johannes soll es hier wie überall vorzugsweise nur um die tieferen Reden Jesu zu thun gewesen sein, und deſswegen soll er die Einsetzung des Abendmahls übergangen, und erst mit den auf die Fuſs- waschung bezüglichen Reden seine Erzählung begonnen ha- 2) Lücke, 2, S. 484 f. 3) Olshausen, a. a. O.
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Dritter Abschnitt.
Stiftung des Abendmahls, als allgemein bekannte Geschich-
te, übergangen haben 2). Allein dieser Zweck einer evan-
gelischen Schrift, nur das minder Bekannte zu erzählen,
das Bekannte aber zu übergehen, läſst sich eigentlich gar
nicht denken. Die schriftliche Aufzeichnung geht ja aus
von Miſstrauen gegen die mündliche Überlieferung; sie will
diese nicht bloſs ergänzen, sondern auch befestigen, und
so kann sie gerade die Hauptpunkte, welche, wie sie als
die meistbesprochenen der Entstellung am meisten ausge-
sezt sind, so die genaueste Aufbewahrung wünschenswerth
machen, am wenigsten übergehen: ebenso demnach auch Jo-
hannes die Stiftung des Abendmahls nicht, an dessen Ein-
setzungsworten, wenn wir die verschiedenen N. T.lichen
Relationen vergleichen, frühzeitig entweder Zusätze oder
Weglassungen müssen gemacht worden sein. Aber, sagt
man weiter, die Stiftung des Abendmahls zu erzählen,
war für den Zweck des johanneischen Evangeliums von
keiner Bedeutung 3). Wie? für den allgemeinen Zweck
desselben, seine Leser zu überzeugen, ὅτι Ἰησοῦς ἐςιν ὁ
Χριςὸς, ὁ υἱὺς τοῦ ϑεοῦ (20, 31.), sollte die Mittheilung ei-
ner Scene nicht von Belang gewesen sein, in welcher er
als Stifter einer καινὴ διαϑήκη erscheint? und für den be-
sonderen Zweck des betreffenden Abschnitts, Jesu bis an's
Ende sich gleich gebliebene Liebe ins Licht zu setzen
(13, 1.), sollte es nichts ausgetragen haben, zu erwähnen,
wie er seinen Leib und sein Blut den Seinen als Speise
und Trank dargeboten, und damit seinen Worten Joh. 6.
Realität gegeben habe? Doch, dem Johannes soll es hier
wie überall vorzugsweise nur um die tieferen Reden Jesu
zu thun gewesen sein, und deſswegen soll er die Einsetzung
des Abendmahls übergangen, und erst mit den auf die Fuſs-
waschung bezüglichen Reden seine Erzählung begonnen ha-
2) Lücke, 2, S. 484 f.
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