Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Zweites Kapitel. §. 115. ihm mehr abwerfen würde, als die elenden 30 Silberlinge,unsres Gelds 20--25 Thaler, die er bekam, was bei den Juden die Vergütung für einen verlezten Sklaven, ein Tag lohn auf 4 Monate war. Allein eben die 30 Silberlinge sucht man vergeblich bei allen Berichterstattern ausser Mat- thäus. Johannes schweigt völlig über einen dem Judas von den Priestern zu Theil gewordnen Lohn; Markus und Lukas sprechen unbestimmt von argurion, das sie ihm ver- sprochen haben, und auch den Petrus lässt die Apostelge- seichte (1, 18.) nur von einem misthos reden, der dem Ju- das zu Theil geworden sei. Matthäus aber, der allein jene bestimmte Summe hat, lässt uns zugleich keinen Zweifel über den historischen Werth seiner Angabe. Er citirt nämlich, nachdem er das Ende des Judas berichtet (27, 9 f.), eine Stelle aus Zacharias (11, 12 f.; aus Irrthum schreibt er Jere- mias), in welcher ebenfalls 30 Silberlinge als Preiss vor- kommen, zu welchem einer angeschlagen worden sei. Zwar sind in der Prophetenstelle die 30 Silberlinge kein Kauf- preiss, sondern ein Lohn, der damit Bezahlte ist der Je- hova's Person vorstellende Prophet, und durch die geringe Summe wird die Geringschätzung angezeigt, welche die Juden gegen so viele göttliche Wohlthaten sich zu Schul- den kommen liessen 7). Wie leicht aber konnte ein christ- licher Leser durch diese Stelle, in welcher von einem schmählich geringen Preisse (ironisch eder hay@qr) die Rede war, um welchen die Israeliten einen im Orakel Redenden angeschlagen haben, an seinen Messias erinnert werden, der um ein seinem Werthe gegenüber jedenfalls geringes Geld seinen Feinden verkauft worden war, und er konnte nun aus dieser Stelle heraus den Preiss bestimmen, der dem Judas für die Überlieferung Jesu bezahlt worden war. Hienach geben die triakonta arguria durchaus keinen Punkt ab, auf den sich derjenige stützen könnte, welcher bewei- 7) Rosenmüller, Schol. in V. T. 7, 4, S. 318 ff.
Zweites Kapitel. §. 115. ihm mehr abwerfen würde, als die elenden 30 Silberlinge,unsres Gelds 20—25 Thaler, die er bekam, was bei den Juden die Vergütung für einen verlezten Sklaven, ein Tag lohn auf 4 Monate war. Allein eben die 30 Silberlinge sucht man vergeblich bei allen Berichterstattern ausser Mat- thäus. Johannes schweigt völlig über einen dem Judas von den Priestern zu Theil gewordnen Lohn; Markus und Lukas sprechen unbestimmt von ἀργύριον, das sie ihm ver- sprochen haben, und auch den Petrus läſst die Apostelge- seichte (1, 18.) nur von einem μισϑὸς reden, der dem Ju- das zu Theil geworden sei. Matthäus aber, der allein jene bestimmte Summe hat, läſst uns zugleich keinen Zweifel über den historischen Werth seiner Angabe. Er citirt nämlich, nachdem er das Ende des Judas berichtet (27, 9 f.), eine Stelle aus Zacharias (11, 12 f.; aus Irrthum schreibt er Jere- mias), in welcher ebenfalls 30 Silberlinge als Preiſs vor- kommen, zu welchem einer angeschlagen worden sei. Zwar sind in der Prophetenstelle die 30 Silberlinge kein Kauf- preiſs, sondern ein Lohn, der damit Bezahlte ist der Je- hova's Person vorstellende Prophet, und durch die geringe Summe wird die Geringschätzung angezeigt, welche die Juden gegen so viele göttliche Wohlthaten sich zu Schul- den kommen lieſsen 7). Wie leicht aber konnte ein christ- licher Leser durch diese Stelle, in welcher von einem schmählich geringen Preiſse (ironisch אֶדֶר הַיְקׇר) die Rede war, um welchen die Israëliten einen im Orakel Redenden angeschlagen haben, an seinen Messias erinnert werden, der um ein seinem Werthe gegenüber jedenfalls geringes Geld seinen Feinden verkauft worden war, und er konnte nun aus dieser Stelle heraus den Preiſs bestimmen, der dem Judas für die Überlieferung Jesu bezahlt worden war. Hienach geben die τριάκοντα ἀργύρια durchaus keinen Punkt ab, auf den sich derjenige stützen könnte, welcher bewei- 7) Rosenmüller, Schol. in V. T. 7, 4, S. 318 ff.
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Zweites Kapitel. §. 115.
ihm mehr abwerfen würde, als die elenden 30 Silberlinge,
unsres Gelds 20—25 Thaler, die er bekam, was bei den
Juden die Vergütung für einen verlezten Sklaven, ein Tag
lohn auf 4 Monate war. Allein eben die 30 Silberlinge
sucht man vergeblich bei allen Berichterstattern ausser Mat-
thäus. Johannes schweigt völlig über einen dem Judas
von den Priestern zu Theil gewordnen Lohn; Markus und
Lukas sprechen unbestimmt von ἀργύριον, das sie ihm ver-
sprochen haben, und auch den Petrus läſst die Apostelge-
seichte (1, 18.) nur von einem μισϑὸς reden, der dem Ju-
das zu Theil geworden sei. Matthäus aber, der allein jene
bestimmte Summe hat, läſst uns zugleich keinen Zweifel
über den historischen Werth seiner Angabe. Er citirt nämlich,
nachdem er das Ende des Judas berichtet (27, 9 f.), eine
Stelle aus Zacharias (11, 12 f.; aus Irrthum schreibt er Jere-
mias), in welcher ebenfalls 30 Silberlinge als Preiſs vor-
kommen, zu welchem einer angeschlagen worden sei. Zwar
sind in der Prophetenstelle die 30 Silberlinge kein Kauf-
preiſs, sondern ein Lohn, der damit Bezahlte ist der Je-
hova's Person vorstellende Prophet, und durch die geringe
Summe wird die Geringschätzung angezeigt, welche die
Juden gegen so viele göttliche Wohlthaten sich zu Schul-
den kommen lieſsen 7). Wie leicht aber konnte ein christ-
licher Leser durch diese Stelle, in welcher von einem
schmählich geringen Preiſse (ironisch אֶדֶר הַיְקׇר) die Rede
war, um welchen die Israëliten einen im Orakel Redenden
angeschlagen haben, an seinen Messias erinnert werden,
der um ein seinem Werthe gegenüber jedenfalls geringes
Geld seinen Feinden verkauft worden war, und er konnte
nun aus dieser Stelle heraus den Preiſs bestimmen, der
dem Judas für die Überlieferung Jesu bezahlt worden war.
Hienach geben die τριάκοντα ἀργύρια durchaus keinen Punkt
ab, auf den sich derjenige stützen könnte, welcher bewei-
7) Rosenmüller, Schol. in V. T. 7, 4, S. 318 ff.
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