ste Wunder, das sie von Jesu seit seiner Rückkehr von der Taufe nach Galiläa zu erzählen wissen. Jesus hatte mit gewaltigem Eindruck gelehrt: als auf einmal ein an- wesender Besessener in der Rolle des ihn besitzenden Dä- mons aufschrie, er wolle mit ihm nichts zu schaffen haben, er kenne ihn als den Messias, welcher gekommen sei, sie, die Dämonen, zu verderben; worauf Jesus dem Dämon zu schweigen und auszufahren gebot, was unter Geschrei und Zuckungen von Seiten des Kranken und zum grossen Er- staunen der Menge über solche Gewalt Jesu geschah.
Hier könnte man sich allerdings mit rationalistischen Auslegern die Sache so vorstellen: wenn der Kranke, der einem lichten Augenblick in die Synagoge getreten war, von der gewaltigen Rede Jesu einen Eindruck bekommen, und dabei einen der Anwesenden von ihm als dem Mes- sias hatte sprechen hören, so konnte in ihm leicht die Vor- stellung sich bilden, der ihn besitzende unreine Geist kön- ne mit dem heiligen Messias nicht zusammenbestehen, wo- durch er in Paroxysmus gerathen, und seine Furcht vor Jesu in der Rolle des Dämon aussprechen mochte. Sah aber Jesus einmal den Menschen so gestimmt: was war ihm näher gelegt, als, die Meinung desselben von seiner Ge- walt über den Dämon zu benützen und diesem das Aus- fahren zu gebieten, was dann nach den Gesetzen der See- lenheilkunde, da der Irre von seiner fixen Idee aus ergrif- fen wurde, gar wohl günstigen Erfolg haben konnte, wess- wegen Paulus diesen Fall für die Veranlassung hält, durch welche Jesus zuerst auf den Gedanken geführt worden sei, seine messianische Geltung zu Heilung von dergleichen Kran- ken zu benützen 1).
Doch erhebt sich gegen diese natürliche Vorstellung von der Sache auch manche Schwierigkeit. Dass Jesus der Messias sei, soll ihr zufolge der Kranke durch die Leute
1) exeg. Handb. 1, b. S. 422; L. J. 1, a, S. 218.
Zweiter Abschnitt.
ste Wunder, das sie von Jesu seit seiner Rückkehr von der Taufe nach Galiläa zu erzählen wissen. Jesus hatte mit gewaltigem Eindruck gelehrt: als auf einmal ein an- wesender Besessener in der Rolle des ihn besitzenden Dä- mons aufschrie, er wolle mit ihm nichts zu schaffen haben, er kenne ihn als den Messias, welcher gekommen sei, sie, die Dämonen, zu verderben; worauf Jesus dem Dämon zu schweigen und auszufahren gebot, was unter Geschrei und Zuckungen von Seiten des Kranken und zum groſsen Er- staunen der Menge über solche Gewalt Jesu geschah.
Hier könnte man sich allerdings mit rationalistischen Auslegern die Sache so vorstellen: wenn der Kranke, der einem lichten Augenblick in die Synagoge getreten war, von der gewaltigen Rede Jesu einen Eindruck bekommen, und dabei einen der Anwesenden von ihm als dem Mes- sias hatte sprechen hören, so konnte in ihm leicht die Vor- stellung sich bilden, der ihn besitzende unreine Geist kön- ne mit dem heiligen Messias nicht zusammenbestehen, wo- durch er in Paroxysmus gerathen, und seine Furcht vor Jesu in der Rolle des Dämon aussprechen mochte. Sah aber Jesus einmal den Menschen so gestimmt: was war ihm näher gelegt, als, die Meinung desselben von seiner Ge- walt über den Dämon zu benützen und diesem das Aus- fahren zu gebieten, was dann nach den Gesetzen der See- lenheilkunde, da der Irre von seiner fixen Idee aus ergrif- fen wurde, gar wohl günstigen Erfolg haben konnte, weſs- wegen Paulus diesen Fall für die Veranlassung hält, durch welche Jesus zuerst auf den Gedanken geführt worden sei, seine messianische Geltung zu Heilung von dergleichen Kran- ken zu benützen 1).
Doch erhebt sich gegen diese natürliche Vorstellung von der Sache auch manche Schwierigkeit. Daſs Jesus der Messias sei, soll ihr zufolge der Kranke durch die Leute
1) exeg. Handb. 1, b. S. 422; L. J. 1, a, S. 218.
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Zweiter Abschnitt.
ste Wunder, das sie von Jesu seit seiner Rückkehr von
der Taufe nach Galiläa zu erzählen wissen. Jesus hatte
mit gewaltigem Eindruck gelehrt: als auf einmal ein an-
wesender Besessener in der Rolle des ihn besitzenden Dä-
mons aufschrie, er wolle mit ihm nichts zu schaffen haben,
er kenne ihn als den Messias, welcher gekommen sei, sie,
die Dämonen, zu verderben; worauf Jesus dem Dämon zu
schweigen und auszufahren gebot, was unter Geschrei und
Zuckungen von Seiten des Kranken und zum groſsen Er-
staunen der Menge über solche Gewalt Jesu geschah.
Hier könnte man sich allerdings mit rationalistischen
Auslegern die Sache so vorstellen: wenn der Kranke, der
einem lichten Augenblick in die Synagoge getreten war,
von der gewaltigen Rede Jesu einen Eindruck bekommen,
und dabei einen der Anwesenden von ihm als dem Mes-
sias hatte sprechen hören, so konnte in ihm leicht die Vor-
stellung sich bilden, der ihn besitzende unreine Geist kön-
ne mit dem heiligen Messias nicht zusammenbestehen, wo-
durch er in Paroxysmus gerathen, und seine Furcht vor
Jesu in der Rolle des Dämon aussprechen mochte. Sah
aber Jesus einmal den Menschen so gestimmt: was war ihm
näher gelegt, als, die Meinung desselben von seiner Ge-
walt über den Dämon zu benützen und diesem das Aus-
fahren zu gebieten, was dann nach den Gesetzen der See-
lenheilkunde, da der Irre von seiner fixen Idee aus ergrif-
fen wurde, gar wohl günstigen Erfolg haben konnte, weſs-
wegen Paulus diesen Fall für die Veranlassung hält, durch
welche Jesus zuerst auf den Gedanken geführt worden sei,
seine messianische Geltung zu Heilung von dergleichen Kran-
ken zu benützen 1).
Doch erhebt sich gegen diese natürliche Vorstellung
von der Sache auch manche Schwierigkeit. Daſs Jesus der
Messias sei, soll ihr zufolge der Kranke durch die Leute
1) exeg. Handb. 1, b. S. 422; L. J. 1, a, S. 218.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/41>, abgerufen am 24.11.2024.
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