denn das ti soi ogo a; (Marc. 5, 9.) als Frage nach dem Namen nicht des Dämon, sondern des Menschen aufgefasst wird 29), gegen allen Zusammenhang offenbar, da die Ant- wort: legeon, keineswegs als Missverstand, sondern als die rechte, von Jesus gewollte Antwort erscheint.
Sind nun aber die Dämonen, nach Olshausen's An- sicht, unpersönliche Kräfte, so ist es die Gesezmässigkeit des Reichs der Finsterniss in seinem Verhältniss zum Licht- reich, was sie leitet und zu ihren verschiedenen Funktio- nen bewegt. Von dieser Seite müsste also, je schlimmer der Mensch wird, desto enger der Zusammenhang zwi- schen ihm und dem Reiche des Bösen sich knüpfen, und der engste denkbare Zusammenhang, das Eingehen der fin- stern Macht in die Persönlichkeit des Menschen, d. h. die Besessenheit, müsste immer bei den Schlechtesten eintreten. Diess finden wir aber geschichtlich gar nicht so, die Dä- monischen erscheinen in den Evangelien nur so weit als Sünder, wie alle Kranke Vergebung der Sünde nöthig ha- ben, und die grössten Sünder, wie ein Judas, bleiben von der Besessenheit verschont. Die gewöhnliche Vorstellung, mit ihren persönlichen Dämonen, entgeht diesem Wider- spruch. Zwar hält auch sie, wie wir diess z. B. in den Klementinen finden, daran fest, dass nur durch die Sünde der Mensch dem Dämon den Zugang zu sich eröffne 30): doch bleibt hier immer noch ein Spielraum für die indivi- duelle Willkühr des Dämon, welcher aus nicht zu berech- nenden subjektiven Gründen oft den Schlechteren vorüber- gehen, auf den weniger Schlechten aber Jagd machen kann 31). Werden hingegen, wie von Olshausen, die Dä-
29) S. 302, nach dem Vorgang von Paulus, ex. Handb. 1, b, S. 474.
30) Homil. 8, 19.
31) Wie sich Asmodi die Sara und ihre Männer zum Plagen und Umbringen ausersieht, nicht weil jene oder diese besonders schlecht waren, sondern weil Sara's Schönheit ihn anzog, Tob. 6, 12. 15.
Zweiter Abschnitt.
denn das τί σοι ὄγο α; (Marc. 5, 9.) als Frage nach dem Namen nicht des Dämon, sondern des Menschen aufgefaſst wird 29), gegen allen Zusammenhang offenbar, da die Ant- wort: λεγεὼν, keineswegs als Miſsverstand, sondern als die rechte, von Jesus gewollte Antwort erscheint.
Sind nun aber die Dämonen, nach Olshausen's An- sicht, unpersönliche Kräfte, so ist es die Gesezmäſsigkeit des Reichs der Finsterniſs in seinem Verhältniſs zum Licht- reich, was sie leitet und zu ihren verschiedenen Funktio- nen bewegt. Von dieser Seite müſste also, je schlimmer der Mensch wird, desto enger der Zusammenhang zwi- schen ihm und dem Reiche des Bösen sich knüpfen, und der engste denkbare Zusammenhang, das Eingehen der fin- stern Macht in die Persönlichkeit des Menschen, d. h. die Besessenheit, müſste immer bei den Schlechtesten eintreten. Dieſs finden wir aber geschichtlich gar nicht so, die Dä- monischen erscheinen in den Evangelien nur so weit als Sünder, wie alle Kranke Vergebung der Sünde nöthig ha- ben, und die gröſsten Sünder, wie ein Judas, bleiben von der Besessenheit verschont. Die gewöhnliche Vorstellung, mit ihren persönlichen Dämonen, entgeht diesem Wider- spruch. Zwar hält auch sie, wie wir dieſs z. B. in den Klementinen finden, daran fest, daſs nur durch die Sünde der Mensch dem Dämon den Zugang zu sich eröffne 30): doch bleibt hier immer noch ein Spielraum für die indivi- duelle Willkühr des Dämon, welcher aus nicht zu berech- nenden subjektiven Gründen oft den Schlechteren vorüber- gehen, auf den weniger Schlechten aber Jagd machen kann 31). Werden hingegen, wie von Olshausen, die Dä-
29) S. 302, nach dem Vorgang von Paulus, ex. Handb. 1, b, S. 474.
30) Homil. 8, 19.
31) Wie sich Asmodi die Sara und ihre Männer zum Plagen und Umbringen ausersieht, nicht weil jene oder diese besonders schlecht waren, sondern weil Sara's Schönheit ihn anzog, Tob. 6, 12. 15.
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wort: λεγεὼν, keineswegs als Miſsverstand, sondern als die
rechte, von Jesus gewollte Antwort erscheint.
Sind nun aber die Dämonen, nach Olshausen's An-
sicht, unpersönliche Kräfte, so ist es die Gesezmäſsigkeit
des Reichs der Finsterniſs in seinem Verhältniſs zum Licht-
reich, was sie leitet und zu ihren verschiedenen Funktio-
nen bewegt. Von dieser Seite müſste also, je schlimmer
der Mensch wird, desto enger der Zusammenhang zwi-
schen ihm und dem Reiche des Bösen sich knüpfen, und
der engste denkbare Zusammenhang, das Eingehen der fin-
stern Macht in die Persönlichkeit des Menschen, d. h. die
Besessenheit, müſste immer bei den Schlechtesten eintreten.
Dieſs finden wir aber geschichtlich gar nicht so, die Dä-
monischen erscheinen in den Evangelien nur so weit als
Sünder, wie alle Kranke Vergebung der Sünde nöthig ha-
ben, und die gröſsten Sünder, wie ein Judas, bleiben von
der Besessenheit verschont. Die gewöhnliche Vorstellung,
mit ihren persönlichen Dämonen, entgeht diesem Wider-
spruch. Zwar hält auch sie, wie wir dieſs z. B. in den
Klementinen finden, daran fest, daſs nur durch die Sünde
der Mensch dem Dämon den Zugang zu sich eröffne 30):
doch bleibt hier immer noch ein Spielraum für die indivi-
duelle Willkühr des Dämon, welcher aus nicht zu berech-
nenden subjektiven Gründen oft den Schlechteren vorüber-
gehen, auf den weniger Schlechten aber Jagd machen
kann 31). Werden hingegen, wie von Olshausen, die Dä-
29) S. 302, nach dem Vorgang von Paulus, ex. Handb. 1, b, S. 474.
30) Homil. 8, 19.
31) Wie sich Asmodi die Sara und ihre Männer zum Plagen und
Umbringen ausersieht, nicht weil jene oder diese besonders
schlecht waren, sondern weil Sara's Schönheit ihn anzog,
Tob. 6, 12. 15.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/37>, abgerufen am 22.11.2024.
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