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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
sten 1) unbegreiflich finden, wenn Jesus seine Auferstehung
so klar und bestimmt vorhergesagt hatte.

Zwar, wie das Benehmen der Jünger nach Jesu Tod
gegen eine solche von Jesu gegebene Voraussage spricht,
so scheint das seiner Feinde dafür zu sprechen. Denn
dass nach Matth. 27, 62 ff. die Hohenpriester und Pha-
risäer an das Grab Jesu sich von Pilatus eine Wache
erbitten, hat nach ihrer eigenen Erklärung darin seinen
Grund, dass Jesus bei seinem Leben noch gesagt haben
sollte: meta treis emeras egeiromai. Allein diese Erzäh-
lung des ersten Evangeliums, die wir erst unten näher
würdigen können, entscheidet noch nichts, sondern tritt
nur auf die eine Seite des Dilemma, so dass wir nun sa-
gen müssen: wenn die Jünger nach dem Tode Jesu sich
wirklich so benahmen, dann kann weder er seine Aufer-
stehung vorhergesagt, noch können die Juden aus Rück-
sicht auf eine solche Vorherverkündigung eine Wache an
sein Grab bestellt haben; oder, wenn die beiden lezteren
Angaben richtig sind, können die Jünger sich nicht so be-
nommen haben.

Die Schärfe dieses Dilemma hat man dadurch abzu-
stumpfen versucht, dass man den oben angeführten Vorher-
verkündigungen nicht den eigentlichen Sinn einer Wieder-
kehr des gestorbenen Jesu aus dem Grabe, sondern nur
den uneigentlichen eines neuen Aufschwungs seiner unter-
drückten Lehre und Sache unterlegte 2). Wie die A. T.-
lichen Propheten, wurde gesagt, die Wiederherstellung des
israelitischen Volks zu neuem Wohlergehen unter dem Bil-
de einer Auferstehung der Todten darstellen (Jes. 26, 19.
Ezech. 37.), wie sie die kurze Frist, innerhalb welcher

1) Vgl. seine belebte und schlagende Ausführung, vom Zweck
u. 8. f. S. 121 ff.
2) So namentlich Herder, vom Erlöser der Menschen, S. 133 ff.
vgl. Ruinöl, Comm, in Matth. p. 444 f.

Dritter Abschnitt.
sten 1) unbegreiflich finden, wenn Jesus seine Auferstehung
so klar und bestimmt vorhergesagt hatte.

Zwar, wie das Benehmen der Jünger nach Jesu Tod
gegen eine solche von Jesu gegebene Voraussage spricht,
so scheint das seiner Feinde dafür zu sprechen. Denn
daſs nach Matth. 27, 62 ff. die Hohenpriester und Pha-
risäer an das Grab Jesu sich von Pilatus eine Wache
erbitten, hat nach ihrer eigenen Erklärung darin seinen
Grund, daſs Jesus bei seinem Leben noch gesagt haben
sollte: μετὰ τρεῖς ἡμέρας ἐγείρομαι. Allein diese Erzäh-
lung des ersten Evangeliums, die wir erst unten näher
würdigen können, entscheidet noch nichts, sondern tritt
nur auf die eine Seite des Dilemma, so daſs wir nun sa-
gen müssen: wenn die Jünger nach dem Tode Jesu sich
wirklich so benahmen, dann kann weder er seine Aufer-
stehung vorhergesagt, noch können die Juden aus Rück-
sicht auf eine solche Vorherverkündigung eine Wache an
sein Grab bestellt haben; oder, wenn die beiden lezteren
Angaben richtig sind, können die Jünger sich nicht so be-
nommen haben.

Die Schärfe dieses Dilemma hat man dadurch abzu-
stumpfen versucht, daſs man den oben angeführten Vorher-
verkündigungen nicht den eigentlichen Sinn einer Wieder-
kehr des gestorbenen Jesu aus dem Grabe, sondern nur
den uneigentlichen eines neuen Aufschwungs seiner unter-
drückten Lehre und Sache unterlegte 2). Wie die A. T.-
lichen Propheten, wurde gesagt, die Wiederherstellung des
israëlitischen Volks zu neuem Wohlergehen unter dem Bil-
de einer Auferstehung der Todten darstellen (Jes. 26, 19.
Ezech. 37.), wie sie die kurze Frist, innerhalb welcher

1) Vgl. seine belebte und schlagende Ausführung, vom Zweck
u. 8. f. S. 121 ff.
2) So namentlich Herder, vom Erlöser der Menschen, S. 133 ff.
vgl. Ruinöl, Comm, in Matth. p. 444 f.
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[326/0345] Dritter Abschnitt. sten 1) unbegreiflich finden, wenn Jesus seine Auferstehung so klar und bestimmt vorhergesagt hatte. Zwar, wie das Benehmen der Jünger nach Jesu Tod gegen eine solche von Jesu gegebene Voraussage spricht, so scheint das seiner Feinde dafür zu sprechen. Denn daſs nach Matth. 27, 62 ff. die Hohenpriester und Pha- risäer an das Grab Jesu sich von Pilatus eine Wache erbitten, hat nach ihrer eigenen Erklärung darin seinen Grund, daſs Jesus bei seinem Leben noch gesagt haben sollte: μετὰ τρεῖς ἡμέρας ἐγείρομαι. Allein diese Erzäh- lung des ersten Evangeliums, die wir erst unten näher würdigen können, entscheidet noch nichts, sondern tritt nur auf die eine Seite des Dilemma, so daſs wir nun sa- gen müssen: wenn die Jünger nach dem Tode Jesu sich wirklich so benahmen, dann kann weder er seine Aufer- stehung vorhergesagt, noch können die Juden aus Rück- sicht auf eine solche Vorherverkündigung eine Wache an sein Grab bestellt haben; oder, wenn die beiden lezteren Angaben richtig sind, können die Jünger sich nicht so be- nommen haben. Die Schärfe dieses Dilemma hat man dadurch abzu- stumpfen versucht, daſs man den oben angeführten Vorher- verkündigungen nicht den eigentlichen Sinn einer Wieder- kehr des gestorbenen Jesu aus dem Grabe, sondern nur den uneigentlichen eines neuen Aufschwungs seiner unter- drückten Lehre und Sache unterlegte 2). Wie die A. T.- lichen Propheten, wurde gesagt, die Wiederherstellung des israëlitischen Volks zu neuem Wohlergehen unter dem Bil- de einer Auferstehung der Todten darstellen (Jes. 26, 19. Ezech. 37.), wie sie die kurze Frist, innerhalb welcher 1) Vgl. seine belebte und schlagende Ausführung, vom Zweck u. 8. f. S. 121 ff. 2) So namentlich Herder, vom Erlöser der Menschen, S. 133 ff. vgl. Ruinöl, Comm, in Matth. p. 444 f.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/345>, abgerufen am 23.11.2024.