Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweiter Abschnitt.
Unfug, wofür sie es hielten, aufmerksam machten, worauf
er sie mit einer Sentenz aus Ps. 8, 3. (ek somatos nepion
kai thelazonton katertiso ainon) zurückweist (V. 15 f.),
eine Sentenz, die also hier, unerachtet sie im Original sich
augenscheinlich auf Jehova bezieht, auf Jesum angewendet
wird. -- Die von Lukas an den Einzug angeknüpfte Klage
Jesu über Jerusalem wird unten noch in Betrachtung
kommen.

Unzweideutig sprechen Johannes und insbesondere Mat-
thäus durch sein touto de olon gegonen, ina plerothe k. t. l.
den Gedanken aus, die Absicht zunächst Gottes, indem er
diese Scene veranstaltete, dann aber auch des Messias Je-
sus, als Mitwissers und Theilnehmers der göttlichen Rath-
schlüsse, sei gewesen, durch diese Gestaltung seines Ein-
zugs eine alte Weissagung zu erfüllen. Wenn Jesus in
der Stelle des Zacharias, 9, 9. 16), eine Weissagung auf
sich als den Messias sah, so kann diess nicht Erkenntniss
des höheren Princips in ihm gewesen sein, da, wenn die
Prophetenstelle auch nicht auf einen historischen Fürsten,
wie Usia 17) oder Johannes Hyrcanus 18), sondern auf
ein messianisches Individuum zu beziehen ist 19), dieses
wohl als friedlicher, aber doch als weltlicher Fürst, und
zwar im ruhigen Besiz von Jerusalem, also ganz anders

16) So wie Matthäus das Orakel anführt, ist es eine Zusammen-
setzung einer jesaianischen Stelle mit der des Zacharias. Denn
das eipatou te thugatri Sion ist aus Jes. 62, 11, das Weitere
aus Zach. 9, 9., wo die LXX, etwas abweichend, hat: idou
o basileus sou erkhetai soi dikaios kai sozon autos praus kai
epibebekos epi upozugion kai polon neon.
17) Hitzig, über die Abfassungszeit der Orakel Zach. 9--14., in
den theol. Studien, 1830, 1, S. 36 ff. bezieht die vorangeben-
den Verse auf die Kriegsthaten dieses Königs, also den ge-
genwärtigen wohl auf seine friedlichen Tugenden.
18) Paulus, ex. Handb. 3, a, S. 121 ff.
19) Rosenmüller, Schol. in V. T. 7, 4, S. 274 ff.

Zweiter Abschnitt.
Unfug, wofür sie es hielten, aufmerksam machten, worauf
er sie mit einer Sentenz aus Ps. 8, 3. (ἐκ ςόματος νηπίων
καὶ ϑηλαζόντων κατηρτίσω αἶνον) zurückweist (V. 15 f.),
eine Sentenz, die also hier, unerachtet sie im Original sich
augenscheinlich auf Jehova bezieht, auf Jesum angewendet
wird. — Die von Lukas an den Einzug angeknüpfte Klage
Jesu über Jerusalem wird unten noch in Betrachtung
kommen.

Unzweideutig sprechen Johannes und insbesondere Mat-
thäus durch sein τοῦτο δὲ ὅλον γέγονεν, ἵνα πληρωϑῇ κ. τ. λ.
den Gedanken aus, die Absicht zunächst Gottes, indem er
diese Scene veranstaltete, dann aber auch des Messias Je-
sus, als Mitwissers und Theilnehmers der göttlichen Rath-
schlüsse, sei gewesen, durch diese Gestaltung seines Ein-
zugs eine alte Weissagung zu erfüllen. Wenn Jesus in
der Stelle des Zacharias, 9, 9. 16), eine Weissagung auf
sich als den Messias sah, so kann dieſs nicht Erkenntniſs
des höheren Princips in ihm gewesen sein, da, wenn die
Prophetenstelle auch nicht auf einen historischen Fürsten,
wie Usia 17) oder Johannes Hyrcanus 18), sondern auf
ein messianisches Individuum zu beziehen ist 19), dieses
wohl als friedlicher, aber doch als weltlicher Fürst, und
zwar im ruhigen Besiz von Jerusalem, also ganz anders

16) So wie Matthäus das Orakel anführt, ist es eine Zusammen-
setzung einer jesaianischen Stelle mit der des Zacharias. Denn
das εἴπατου τῇ ϑυγατρὶ Σιὼν ist aus Jes. 62, 11, das Weitere
aus Zach. 9, 9., wo die LXX, etwas abweichend, hat: ἰδοὺ
ὁ βασιλεύς σου ἔρχεταί σοι δίκαιος καὶ σωζων αὐτὸς πραῢς καὶ
ἐπιβεβηκὼς ἐπὶ ὑποζύγιον καὶ πῶλον νέον.
17) Hitzig, über die Abfassungszeit der Orakel Zach. 9—14., in
den theol. Studien, 1830, 1, S. 36 ff. bezieht die vorangeben-
den Verse auf die Kriegsthaten dieses Königs, also den ge-
genwärtigen wohl auf seine friedlichen Tugenden.
18) Paulus, ex. Handb. 3, a, S. 121 ff.
19) Rosenmüller, Schol. in V. T. 7, 4, S. 274 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0317" n="298"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweiter Abschnitt</hi>.</fw><lb/>
Unfug, wofür sie es hielten, aufmerksam machten, worauf<lb/>
er sie mit einer Sentenz aus Ps. 8, 3. (<foreign xml:lang="ell">&#x1F10;&#x03BA; &#x03C2;&#x03CC;&#x03BC;&#x03B1;&#x03C4;&#x03BF;&#x03C2; &#x03BD;&#x03B7;&#x03C0;&#x03AF;&#x03C9;&#x03BD;<lb/>
&#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03D1;&#x03B7;&#x03BB;&#x03B1;&#x03B6;&#x03CC;&#x03BD;&#x03C4;&#x03C9;&#x03BD; &#x03BA;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B7;&#x03C1;&#x03C4;&#x03AF;&#x03C3;&#x03C9; &#x03B1;&#x1F36;&#x03BD;&#x03BF;&#x03BD;</foreign>) zurückweist (V. 15 f.),<lb/>
eine Sentenz, die also hier, unerachtet sie im Original sich<lb/>
augenscheinlich auf Jehova bezieht, auf Jesum angewendet<lb/>
wird. &#x2014; Die von Lukas an den Einzug angeknüpfte Klage<lb/>
Jesu über Jerusalem wird unten noch in Betrachtung<lb/>
kommen.</p><lb/>
          <p>Unzweideutig sprechen Johannes und insbesondere Mat-<lb/>
thäus durch sein <foreign xml:lang="ell">&#x03C4;&#x03BF;&#x03C5;&#x0342;&#x03C4;&#x03BF; &#x03B4;&#x1F72; &#x1F45;&#x03BB;&#x03BF;&#x03BD; &#x03B3;&#x03AD;&#x03B3;&#x03BF;&#x03BD;&#x03B5;&#x03BD;, &#x1F35;&#x03BD;&#x03B1; &#x03C0;&#x03BB;&#x03B7;&#x03C1;&#x03C9;&#x03D1;&#x1FC7; &#x03BA;. &#x03C4;. &#x03BB;.</foreign><lb/>
den Gedanken aus, die Absicht zunächst Gottes, indem er<lb/>
diese Scene veranstaltete, dann aber auch des Messias Je-<lb/>
sus, als Mitwissers und Theilnehmers der göttlichen Rath-<lb/>
schlüsse, sei gewesen, durch diese Gestaltung seines Ein-<lb/>
zugs eine alte Weissagung zu erfüllen. Wenn Jesus in<lb/>
der Stelle des Zacharias, 9, 9. <note place="foot" n="16)">So wie Matthäus das Orakel anführt, ist es eine Zusammen-<lb/>
setzung einer jesaianischen Stelle mit der des Zacharias. Denn<lb/>
das <foreign xml:lang="ell">&#x03B5;&#x1F34;&#x03C0;&#x03B1;&#x03C4;&#x03BF;&#x03C5; &#x03C4;&#x1FC7; &#x03D1;&#x03C5;&#x03B3;&#x03B1;&#x03C4;&#x03C1;&#x1F76; &#x03A3;&#x03B9;&#x1F7C;&#x03BD;</foreign> ist aus Jes. 62, 11, das Weitere<lb/>
aus Zach. 9, 9., wo die LXX, etwas abweichend, hat: <foreign xml:lang="ell">&#x1F30;&#x03B4;&#x03BF;&#x03C5;&#x0340;<lb/>
&#x1F41; &#x03B2;&#x03B1;&#x03C3;&#x03B9;&#x03BB;&#x03B5;&#x03CD;&#x03C2; &#x03C3;&#x03BF;&#x03C5; &#x1F14;&#x03C1;&#x03C7;&#x03B5;&#x03C4;&#x03B1;&#x03AF; &#x03C3;&#x03BF;&#x03B9; &#x03B4;&#x03AF;&#x03BA;&#x03B1;&#x03B9;&#x03BF;&#x03C2; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03C3;&#x03C9;&#x03B6;&#x03C9;&#x03BD; &#x03B1;&#x1F50;&#x03C4;&#x1F78;&#x03C2; &#x03C0;&#x03C1;&#x03B1;&#x1FE2;&#x03C2; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76;<lb/>
&#x1F10;&#x03C0;&#x03B9;&#x03B2;&#x03B5;&#x03B2;&#x03B7;&#x03BA;&#x1F7C;&#x03C2; &#x1F10;&#x03C0;&#x1F76; &#x1F51;&#x03C0;&#x03BF;&#x03B6;&#x03CD;&#x03B3;&#x03B9;&#x03BF;&#x03BD; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03C0;&#x1FF6;&#x03BB;&#x03BF;&#x03BD; &#x03BD;&#x03AD;&#x03BF;&#x03BD;.</foreign></note>, eine Weissagung auf<lb/>
sich als den Messias sah, so kann die&#x017F;s nicht Erkenntni&#x017F;s<lb/>
des höheren Princips in ihm gewesen sein, da, wenn die<lb/>
Prophetenstelle auch nicht auf einen historischen Fürsten,<lb/>
wie Usia <note place="foot" n="17)"><hi rendition="#k">Hitzig</hi>, über die Abfassungszeit der Orakel Zach. 9&#x2014;14., in<lb/>
den theol. Studien, 1830, 1, S. 36 ff. bezieht die vorangeben-<lb/>
den Verse auf die Kriegsthaten dieses Königs, also den ge-<lb/>
genwärtigen wohl auf seine friedlichen Tugenden.</note> oder Johannes Hyrcanus <note place="foot" n="18)"><hi rendition="#k">Paulus</hi>, ex. Handb. 3, a, S. 121 ff.</note>, sondern auf<lb/>
ein messianisches Individuum zu beziehen ist <note place="foot" n="19)"><hi rendition="#k">Rosenmüller</hi>, Schol. in V. T. 7, 4, S. 274 ff.</note>, dieses<lb/>
wohl als friedlicher, aber doch als weltlicher Fürst, und<lb/>
zwar im ruhigen Besiz von Jerusalem, also ganz anders<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0317] Zweiter Abschnitt. Unfug, wofür sie es hielten, aufmerksam machten, worauf er sie mit einer Sentenz aus Ps. 8, 3. (ἐκ ςόματος νηπίων καὶ ϑηλαζόντων κατηρτίσω αἶνον) zurückweist (V. 15 f.), eine Sentenz, die also hier, unerachtet sie im Original sich augenscheinlich auf Jehova bezieht, auf Jesum angewendet wird. — Die von Lukas an den Einzug angeknüpfte Klage Jesu über Jerusalem wird unten noch in Betrachtung kommen. Unzweideutig sprechen Johannes und insbesondere Mat- thäus durch sein τοῦτο δὲ ὅλον γέγονεν, ἵνα πληρωϑῇ κ. τ. λ. den Gedanken aus, die Absicht zunächst Gottes, indem er diese Scene veranstaltete, dann aber auch des Messias Je- sus, als Mitwissers und Theilnehmers der göttlichen Rath- schlüsse, sei gewesen, durch diese Gestaltung seines Ein- zugs eine alte Weissagung zu erfüllen. Wenn Jesus in der Stelle des Zacharias, 9, 9. 16), eine Weissagung auf sich als den Messias sah, so kann dieſs nicht Erkenntniſs des höheren Princips in ihm gewesen sein, da, wenn die Prophetenstelle auch nicht auf einen historischen Fürsten, wie Usia 17) oder Johannes Hyrcanus 18), sondern auf ein messianisches Individuum zu beziehen ist 19), dieses wohl als friedlicher, aber doch als weltlicher Fürst, und zwar im ruhigen Besiz von Jerusalem, also ganz anders 16) So wie Matthäus das Orakel anführt, ist es eine Zusammen- setzung einer jesaianischen Stelle mit der des Zacharias. Denn das εἴπατου τῇ ϑυγατρὶ Σιὼν ist aus Jes. 62, 11, das Weitere aus Zach. 9, 9., wo die LXX, etwas abweichend, hat: ἰδοὺ ὁ βασιλεύς σου ἔρχεταί σοι δίκαιος καὶ σωζων αὐτὸς πραῢς καὶ ἐπιβεβηκὼς ἐπὶ ὑποζύγιον καὶ πῶλον νέον. 17) Hitzig, über die Abfassungszeit der Orakel Zach. 9—14., in den theol. Studien, 1830, 1, S. 36 ff. bezieht die vorangeben- den Verse auf die Kriegsthaten dieses Königs, also den ge- genwärtigen wohl auf seine friedlichen Tugenden. 18) Paulus, ex. Handb. 3, a, S. 121 ff. 19) Rosenmüller, Schol. in V. T. 7, 4, S. 274 ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/317
Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/317>, abgerufen am 09.05.2024.