Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Zweiter Abschnitt. Elias in der Person des Täufers vorangegangen ist, --wenn er somit seine Jünger gegen den aus der Erwartung der grammateis zu ziehenden Zweifel durch Verweisung auf den ihm vorangegangenen uneigentlichen Elias zu ver- wahren sucht: so kann eine Erscheinung des eigentlichen Elias unmöglich vorausgegangen sein, sonst müsste Jesus zu allererst auf diese Erscheinung, und nur etwa weiter- hin auch auf den Täufer, hingewiesen haben 7). Die un- mittelbare Verbindung dieses Gesprächs mit jener Erschei- nung kann also nicht historisch sein, sondern nur der Ähn- lichkeit zulieb gemacht, weil in beiden von Elias die Rede ist 8). Doch nicht einmal mittelbar und durch Zwischen- begebenheiten getrennt kann einer solchen Rede eine Er- scheinung des Elias vorangegangen sein, da, wenn auch noch so lange nachher, sowohl Jesus als die drei Augen- zeugen unter seinen Jüngern sich derselben erinnern muss- ten, und nie so sprechen konnten, als ob eine solche gar nicht stattgefunden hätte. Selbst aber auch nach einer solchen Unterredung kann eine Erscheinung des wirklichen Elias der orthodoxen Vorstellung von Jesu gemäss nicht wohl stattgefunden haben. Denn zu deutlich spricht er hier seine Ansicht aus, dass der eigentliche Elias gar nicht zu erwarten, sondern der Täufer Johannes der verheissene Elias gewesen sei: wäre also dennoch später eine Erschei- nung des wirklichen Elias noch eingetreten, so hätte sich Jesus geirrt, was gerade diejenigen, welchen an der hi- storischen Realität der Verklärungsgeschichte am meisten liegt, am wenigsten annehmen können. Schliessen sich so- mit jene Erscheinung und diese Unterredung geradezu aus, so fragt sich, welches von beiden Stücken eher aufgegeben werden kann? Und hier ist der Inhalt der Unterredung durch Matth. 11, 14. vgl. Luc. 1, 17., so bestätigt, die 7) Diess gesteht auch Paulus zu, 2, S. 442. 8) Schleiermacher, über den Lukas, S. 149.
Zweiter Abschnitt. Elias in der Person des Täufers vorangegangen ist, —wenn er somit seine Jünger gegen den aus der Erwartung der γραμματεῖς zu ziehenden Zweifel durch Verweisung auf den ihm vorangegangenen uneigentlichen Elias zu ver- wahren sucht: so kann eine Erscheinung des eigentlichen Elias unmöglich vorausgegangen sein, sonst müſste Jesus zu allererst auf diese Erscheinung, und nur etwa weiter- hin auch auf den Täufer, hingewiesen haben 7). Die un- mittelbare Verbindung dieses Gesprächs mit jener Erschei- nung kann also nicht historisch sein, sondern nur der Ähn- lichkeit zulieb gemacht, weil in beiden von Elias die Rede ist 8). Doch nicht einmal mittelbar und durch Zwischen- begebenheiten getrennt kann einer solchen Rede eine Er- scheinung des Elias vorangegangen sein, da, wenn auch noch so lange nachher, sowohl Jesus als die drei Augen- zeugen unter seinen Jüngern sich derselben erinnern muſs- ten, und nie so sprechen konnten, als ob eine solche gar nicht stattgefunden hätte. Selbst aber auch nach einer solchen Unterredung kann eine Erscheinung des wirklichen Elias der orthodoxen Vorstellung von Jesu gemäſs nicht wohl stattgefunden haben. Denn zu deutlich spricht er hier seine Ansicht aus, daſs der eigentliche Elias gar nicht zu erwarten, sondern der Täufer Johannes der verheiſsene Elias gewesen sei: wäre also dennoch später eine Erschei- nung des wirklichen Elias noch eingetreten, so hätte sich Jesus geirrt, was gerade diejenigen, welchen an der hi- storischen Realität der Verklärungsgeschichte am meisten liegt, am wenigsten annehmen können. Schlieſsen sich so- mit jene Erscheinung und diese Unterredung geradezu aus, so fragt sich, welches von beiden Stücken eher aufgegeben werden kann? Und hier ist der Inhalt der Unterredung durch Matth. 11, 14. vgl. Luc. 1, 17., so bestätigt, die 7) Diess gesteht auch Paulus zu, 2, S. 442. 8) Schleiermacher, über den Lukas, S. 149.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0287" n="268"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweiter Abschnitt</hi>.</fw><lb/> Elias in der Person des Täufers vorangegangen ist, —<lb/> wenn er somit seine Jünger gegen den aus der Erwartung<lb/> der γραμματεῖς zu ziehenden Zweifel durch Verweisung<lb/> auf den ihm vorangegangenen uneigentlichen Elias zu ver-<lb/> wahren sucht: so kann eine Erscheinung des eigentlichen<lb/> Elias unmöglich vorausgegangen sein, sonst müſste Jesus<lb/> zu allererst auf diese Erscheinung, und nur etwa weiter-<lb/> hin auch auf den Täufer, hingewiesen haben <note place="foot" n="7)">Diess gesteht auch <hi rendition="#k">Paulus</hi> zu, 2, S. 442.</note>. Die un-<lb/> mittelbare Verbindung dieses Gesprächs mit jener Erschei-<lb/> nung kann also nicht historisch sein, sondern nur der Ähn-<lb/> lichkeit zulieb gemacht, weil in beiden von Elias die Rede<lb/> ist <note place="foot" n="8)"><hi rendition="#k">Schleiermacher</hi>, über den Lukas, S. 149.</note>. Doch nicht einmal mittelbar und durch Zwischen-<lb/> begebenheiten getrennt kann einer solchen Rede eine Er-<lb/> scheinung des Elias vorangegangen sein, da, wenn auch<lb/> noch so lange nachher, sowohl Jesus als die drei Augen-<lb/> zeugen unter seinen Jüngern sich derselben erinnern muſs-<lb/> ten, und nie so sprechen konnten, als ob eine solche gar<lb/> nicht stattgefunden hätte. Selbst aber auch <hi rendition="#g">nach</hi> einer<lb/> solchen Unterredung kann eine Erscheinung des wirklichen<lb/> Elias der orthodoxen Vorstellung von Jesu gemäſs nicht wohl<lb/> stattgefunden haben. Denn zu deutlich spricht er hier<lb/> seine Ansicht aus, daſs der eigentliche Elias gar nicht zu<lb/> erwarten, sondern der Täufer Johannes der verheiſsene<lb/> Elias gewesen sei: wäre also dennoch später eine Erschei-<lb/> nung des wirklichen Elias noch eingetreten, so hätte sich<lb/> Jesus geirrt, was gerade diejenigen, welchen an der hi-<lb/> storischen Realität der Verklärungsgeschichte am meisten<lb/> liegt, am wenigsten annehmen können. Schlieſsen sich so-<lb/> mit jene Erscheinung und diese Unterredung geradezu aus,<lb/> so fragt sich, welches von beiden Stücken eher aufgegeben<lb/> werden kann? Und hier ist der Inhalt der Unterredung<lb/> durch Matth. 11, 14. vgl. Luc. 1, 17., so bestätigt, die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [268/0287]
Zweiter Abschnitt.
Elias in der Person des Täufers vorangegangen ist, —
wenn er somit seine Jünger gegen den aus der Erwartung
der γραμματεῖς zu ziehenden Zweifel durch Verweisung
auf den ihm vorangegangenen uneigentlichen Elias zu ver-
wahren sucht: so kann eine Erscheinung des eigentlichen
Elias unmöglich vorausgegangen sein, sonst müſste Jesus
zu allererst auf diese Erscheinung, und nur etwa weiter-
hin auch auf den Täufer, hingewiesen haben 7). Die un-
mittelbare Verbindung dieses Gesprächs mit jener Erschei-
nung kann also nicht historisch sein, sondern nur der Ähn-
lichkeit zulieb gemacht, weil in beiden von Elias die Rede
ist 8). Doch nicht einmal mittelbar und durch Zwischen-
begebenheiten getrennt kann einer solchen Rede eine Er-
scheinung des Elias vorangegangen sein, da, wenn auch
noch so lange nachher, sowohl Jesus als die drei Augen-
zeugen unter seinen Jüngern sich derselben erinnern muſs-
ten, und nie so sprechen konnten, als ob eine solche gar
nicht stattgefunden hätte. Selbst aber auch nach einer
solchen Unterredung kann eine Erscheinung des wirklichen
Elias der orthodoxen Vorstellung von Jesu gemäſs nicht wohl
stattgefunden haben. Denn zu deutlich spricht er hier
seine Ansicht aus, daſs der eigentliche Elias gar nicht zu
erwarten, sondern der Täufer Johannes der verheiſsene
Elias gewesen sei: wäre also dennoch später eine Erschei-
nung des wirklichen Elias noch eingetreten, so hätte sich
Jesus geirrt, was gerade diejenigen, welchen an der hi-
storischen Realität der Verklärungsgeschichte am meisten
liegt, am wenigsten annehmen können. Schlieſsen sich so-
mit jene Erscheinung und diese Unterredung geradezu aus,
so fragt sich, welches von beiden Stücken eher aufgegeben
werden kann? Und hier ist der Inhalt der Unterredung
durch Matth. 11, 14. vgl. Luc. 1, 17., so bestätigt, die
7) Diess gesteht auch Paulus zu, 2, S. 442.
8) Schleiermacher, über den Lukas, S. 149.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |