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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Zehntes Kapitel. §. 103.
keiten als jene in sich selbst. Die Morgenbeleuchtung
auf ihren vaterländischen Bergen mussten die Jünger so
weit kennen, um sie von himmlischer Glorie unterscheiden
zu können; wie sie auf die Meinung kamen, dass die bei-
den Unbekannten Moses und Elias seien, ist zwar bei kei-
ner der bisher vorgelegten Ansichten leicht, am schwersten
aber bei dieser, zu erklären; wie Jesus, dem ja Petrus
durch seinen Antrag, die zu erbauenden skenas betreffend,
die Täuschung der Jünger zu erkennen gab, ihnen diese
nicht benahm, ist unbegreiflich; wesswegen Paulus sich
zu der Annahme flüchtet, Jesus habe die Anrede des Pe-
trus überhört; die ganze Ansicht von geheimen Verbün-
deten Jesu ist eine mit Recht verschollene, und endlich
hätte derjenige dieser Verbündeten, welcher aus der Wolke
heraus jene Worte zu den Jüngern sprach, sich eine un-
würdige Mystification erlaubt.

§. 103.
Die Verklärungsgeschichte als Mythus.

Wie immer also, so finden wir uns auch hier, nach-
dem wir den Kreis der natürlichen Erklärungen durchlau-
fen haben, zu der übernatürlichen zurückgeführt; aber
ebenso entschieden von dieser abgestossen, müssen wir, da
eine natürliche Auslegung der Text verbietet, die textge-
mässe supranaturale aber historisch festzuhalten aus ratio-
nalen Gründen unmöglich fällt, uns dazu wenden, die
Aussagen des Textes kritisch zu untersuchen. Diese sollen
zwar bei vorliegender Erzählung besonders zuverlässig sein,
da das Faktum von drei Evangelisten, welche namentlich
auch in der genauen Zeitbestimmung auffallend zusammen-
treffen, erzählt, und überdiess vom Apostel Petrus (2 Petr.
1, 17.) bezeugt werde 1). Jene übereinstimmende Zeitan-

1) Paulus, ex. Hdb. S. 446; Gratz, 2, S. 165 f. Olshausen, 1,
S. 533.

Zehntes Kapitel. §. 103.
keiten als jene in sich selbst. Die Morgenbeleuchtung
auf ihren vaterländischen Bergen muſsten die Jünger so
weit kennen, um sie von himmlischer Glorie unterscheiden
zu können; wie sie auf die Meinung kamen, daſs die bei-
den Unbekannten Moses und Elias seien, ist zwar bei kei-
ner der bisher vorgelegten Ansichten leicht, am schwersten
aber bei dieser, zu erklären; wie Jesus, dem ja Petrus
durch seinen Antrag, die zu erbauenden σκηνὰς betreffend,
die Täuschung der Jünger zu erkennen gab, ihnen diese
nicht benahm, ist unbegreiflich; weſswegen Paulus sich
zu der Annahme flüchtet, Jesus habe die Anrede des Pe-
trus überhört; die ganze Ansicht von geheimen Verbün-
deten Jesu ist eine mit Recht verschollene, und endlich
hätte derjenige dieser Verbündeten, welcher aus der Wolke
heraus jene Worte zu den Jüngern sprach, sich eine un-
würdige Mystification erlaubt.

§. 103.
Die Verklärungsgeschichte als Mythus.

Wie immer also, so finden wir uns auch hier, nach-
dem wir den Kreis der natürlichen Erklärungen durchlau-
fen haben, zu der übernatürlichen zurückgeführt; aber
ebenso entschieden von dieser abgestoſsen, müssen wir, da
eine natürliche Auslegung der Text verbietet, die textge-
mäſse supranaturale aber historisch festzuhalten aus ratio-
nalen Gründen unmöglich fällt, uns dazu wenden, die
Aussagen des Textes kritisch zu untersuchen. Diese sollen
zwar bei vorliegender Erzählung besonders zuverläſsig sein,
da das Faktum von drei Evangelisten, welche namentlich
auch in der genauen Zeitbestimmung auffallend zusammen-
treffen, erzählt, und überdieſs vom Apostel Petrus (2 Petr.
1, 17.) bezeugt werde 1). Jene übereinstimmende Zeitan-

1) Paulus, ex. Hdb. S. 446; Gratz, 2, S. 165 f. Olshausen, 1,
S. 533.
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[263/0282] Zehntes Kapitel. §. 103. keiten als jene in sich selbst. Die Morgenbeleuchtung auf ihren vaterländischen Bergen muſsten die Jünger so weit kennen, um sie von himmlischer Glorie unterscheiden zu können; wie sie auf die Meinung kamen, daſs die bei- den Unbekannten Moses und Elias seien, ist zwar bei kei- ner der bisher vorgelegten Ansichten leicht, am schwersten aber bei dieser, zu erklären; wie Jesus, dem ja Petrus durch seinen Antrag, die zu erbauenden σκηνὰς betreffend, die Täuschung der Jünger zu erkennen gab, ihnen diese nicht benahm, ist unbegreiflich; weſswegen Paulus sich zu der Annahme flüchtet, Jesus habe die Anrede des Pe- trus überhört; die ganze Ansicht von geheimen Verbün- deten Jesu ist eine mit Recht verschollene, und endlich hätte derjenige dieser Verbündeten, welcher aus der Wolke heraus jene Worte zu den Jüngern sprach, sich eine un- würdige Mystification erlaubt. §. 103. Die Verklärungsgeschichte als Mythus. Wie immer also, so finden wir uns auch hier, nach- dem wir den Kreis der natürlichen Erklärungen durchlau- fen haben, zu der übernatürlichen zurückgeführt; aber ebenso entschieden von dieser abgestoſsen, müssen wir, da eine natürliche Auslegung der Text verbietet, die textge- mäſse supranaturale aber historisch festzuhalten aus ratio- nalen Gründen unmöglich fällt, uns dazu wenden, die Aussagen des Textes kritisch zu untersuchen. Diese sollen zwar bei vorliegender Erzählung besonders zuverläſsig sein, da das Faktum von drei Evangelisten, welche namentlich auch in der genauen Zeitbestimmung auffallend zusammen- treffen, erzählt, und überdieſs vom Apostel Petrus (2 Petr. 1, 17.) bezeugt werde 1). Jene übereinstimmende Zeitan- 1) Paulus, ex. Hdb. S. 446; Gratz, 2, S. 165 f. Olshausen, 1, S. 533.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/282>, abgerufen am 22.11.2024.