Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Zweiter Abschnitt. sie erblicken die beiden Männer, welche aus unbekanntenGründen der schlaftrunkene Petrus, und nach ihm die Übri- gen, für Moses und Elias halten; ihre Bestürzung steigt, als sie die beiden Unbekannten in einem lichten Morgen- nebel, der sich, wie sie weggehen wollten, herabsenkte, verschwinden sehen, und aus dem Nebelgewölk einen der- selben die Worte: outos esin k. t. l. rufen hören, welche sie unter diesen Umständen für eine Himmelsstimme halten mussten 7). Diese Erklärung, welcher auch Schleiermacher sich geneigt zeigt 8), findet, wie die vorige, besonders in Lukas eine Stütze, weil bei diesem die Behauptung, die beiden Männer seien Moses und Elias gewesen, weit we- niger zuversichtlich als bei Matthäus und Markus ausge- sprochen werde, und mehr nur als Einfall des schlaftrun- kenen Petrus erscheine. Diess bezieht sich darauf, dass, während die beiden ersten Evangelisten geradezu sagen: ophthesan autois Moses kai Elias, Lukas, wie es scheint behutsamer, von andres duo spricht, oitines esan Moses kai Elias, wobei dann die erstere Bezeichnung den objek- tiven Thatbestand, die zweite dessen subjektive Deutung enthalten soll. Allein dieser Deutung pflichtet der Refe- rent, wenn er doch oitines esan, und nicht enomizonto, sagt, offenbar bei; wesswegen er also zuerst nur von zwei Män- nern spricht, und erst nachher ihre Namen nennt, davon kann die Absicht nicht gewesen sein, dem Leser eine be- liebige andere Deutung offen zu lassen, sondern nur die, das Geheimnissvolle der ausserordentlichen Scene durch die anfängliche Unbestimmtheit des Ausdrucks nachzubil- den. Hat somit diese Erklärung ebensowenig als die bis- her betrachteten in einer der evangelischen Erzählungen eine Stütze: so hat sie zugleich nicht mindere Schwierig- 7) Paulus, ex. Handb. 2, 436 ff. L. J. 1, b, S. 7 ff. Natürliche Geschichte, 3, S. 256 ff. 8) a. a. O.
Zweiter Abschnitt. sie erblicken die beiden Männer, welche aus unbekanntenGründen der schlaftrunkene Petrus, und nach ihm die Übri- gen, für Moses und Elias halten; ihre Bestürzung steigt, als sie die beiden Unbekannten in einem lichten Morgen- nebel, der sich, wie sie weggehen wollten, herabsenkte, verschwinden sehen, und aus dem Nebelgewölk einen der- selben die Worte: οὖτός ἐςιν κ. τ. λ. rufen hören, welche sie unter diesen Umständen für eine Himmelsstimme halten muſsten 7). Diese Erklärung, welcher auch Schleiermacher sich geneigt zeigt 8), findet, wie die vorige, besonders in Lukas eine Stütze, weil bei diesem die Behauptung, die beiden Männer seien Moses und Elias gewesen, weit we- niger zuversichtlich als bei Matthäus und Markus ausge- sprochen werde, und mehr nur als Einfall des schlaftrun- kenen Petrus erscheine. Dieſs bezieht sich darauf, daſs, während die beiden ersten Evangelisten geradezu sagen: ὤφϑησαν αὐτοῖς Μωσῆς καὶ Ἠλίας, Lukas, wie es scheint behutsamer, von ἄνδρες δύο spricht, οἵτινες ἦσαν Μωσῆς καὶ Ἠλίας, wobei dann die erstere Bezeichnung den objek- tiven Thatbestand, die zweite dessen subjektive Deutung enthalten soll. Allein dieser Deutung pflichtet der Refe- rent, wenn er doch οἵτινες ἦσαν, und nicht ἐνομίζοντο, sagt, offenbar bei; weſswegen er also zuerst nur von zwei Män- nern spricht, und erst nachher ihre Namen nennt, davon kann die Absicht nicht gewesen sein, dem Leser eine be- liebige andere Deutung offen zu lassen, sondern nur die, das Geheimniſsvolle der ausserordentlichen Scene durch die anfängliche Unbestimmtheit des Ausdrucks nachzubil- den. Hat somit diese Erklärung ebensowenig als die bis- her betrachteten in einer der evangelischen Erzählungen eine Stütze: so hat sie zugleich nicht mindere Schwierig- 7) Paulus, ex. Handb. 2, 436 ff. L. J. 1, b, S. 7 ff. Natürliche Geschichte, 3, S. 256 ff. 8) a. a. O.
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Zweiter Abschnitt.
sie erblicken die beiden Männer, welche aus unbekannten
Gründen der schlaftrunkene Petrus, und nach ihm die Übri-
gen, für Moses und Elias halten; ihre Bestürzung steigt,
als sie die beiden Unbekannten in einem lichten Morgen-
nebel, der sich, wie sie weggehen wollten, herabsenkte,
verschwinden sehen, und aus dem Nebelgewölk einen der-
selben die Worte: οὖτός ἐςιν κ. τ. λ. rufen hören, welche
sie unter diesen Umständen für eine Himmelsstimme halten
muſsten 7). Diese Erklärung, welcher auch Schleiermacher
sich geneigt zeigt 8), findet, wie die vorige, besonders in
Lukas eine Stütze, weil bei diesem die Behauptung, die
beiden Männer seien Moses und Elias gewesen, weit we-
niger zuversichtlich als bei Matthäus und Markus ausge-
sprochen werde, und mehr nur als Einfall des schlaftrun-
kenen Petrus erscheine. Dieſs bezieht sich darauf, daſs,
während die beiden ersten Evangelisten geradezu sagen:
ὤφϑησαν αὐτοῖς Μωσῆς καὶ Ἠλίας, Lukas, wie es scheint
behutsamer, von ἄνδρες δύο spricht, οἵτινες ἦσαν Μωσῆς
καὶ Ἠλίας, wobei dann die erstere Bezeichnung den objek-
tiven Thatbestand, die zweite dessen subjektive Deutung
enthalten soll. Allein dieser Deutung pflichtet der Refe-
rent, wenn er doch οἵτινες ἦσαν, und nicht ἐνομίζοντο, sagt,
offenbar bei; weſswegen er also zuerst nur von zwei Män-
nern spricht, und erst nachher ihre Namen nennt, davon
kann die Absicht nicht gewesen sein, dem Leser eine be-
liebige andere Deutung offen zu lassen, sondern nur die,
das Geheimniſsvolle der ausserordentlichen Scene durch
die anfängliche Unbestimmtheit des Ausdrucks nachzubil-
den. Hat somit diese Erklärung ebensowenig als die bis-
her betrachteten in einer der evangelischen Erzählungen
eine Stütze: so hat sie zugleich nicht mindere Schwierig-
7) Paulus, ex. Handb. 2, 436 ff. L. J. 1, b, S. 7 ff. Natürliche
Geschichte, 3, S. 256 ff.
8) a. a. O.
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