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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Neuntes Kapitel. §. 98.
lässt, es als sein Eigenthum zu betrachten. Daher nimmt
denn Paulus das eran k. t. l. der Synoptiker nicht von
einem auf das Essen erst gefolgten Aufsammeln des nach
Sättigung der Menge Übriggebliebenen, sondern von dem
Überfluss ihres geringen Vorraths, welchen die Jünger,
nachdem sie das für Jesum und sie selbst Erforderliche
zurückgethan, vor dem gemeinsamen Mahle und um ein
solches zu veranlassen, herumgetragen haben. Wie kann
aber, wenn nach ephagon kai ekhortasthesan unmittelbar kai
eran folgt, damit auf die Zeit vor dem Essen zurückge-
sprungen sein? müsste es nicht nothwendig wenigstens eran
gar heissen? Ferner, wie kann, nachdem eben gesagt war,
das Volk habe sich satt gegessen, to perisseusan, vollends
wenn, wie bei Lukas, autois dabei steht, etwas Anderes
als das vom Volk Übergelassene bedeuten? Endlich, wie
ist es möglich, dass von 5 Broten und 2 Fischen, nachdem
Jesus und seine Jünger ihren Bedarf genommen, oder selbst
ohne diess, 12 Körbe zur Austheilung an das Volk gefüllt
werden konnten? Doch noch seltsamer geht es bei Erklä-
rung der johanneischen Stelle zu. Wegen der Anweisung
Jesu, das Übriggebliebene zu sammeln, ina me ti apoletai,
scheint der folgenden Angabe, dass sie von dem Überschuss
der 5 Brote 12 Körbe gefüllt haben, die Beziehung auf die
Zeit nach dem Mahle nicht entzogen werden zu können,
wobei dann ohne wunderbare Brotvermehrung nicht abzu-
kommen wäre. Lieber reisst daher Paulus von dem stn-
egagonou;n das in Einem fortlaufende kai egemisan dodeka
kophinous k. t. l. ab, und lässt nun hier die Rede, noch här-
ter als bei den Synoptikern, ohne alle Andeutung auf Ein-
mal in das Plusquamperfectum und in die Zeit vor dem
Mahle zurückspringen.

Auch hier demnach löst die natürliche Erklärung ih-
re Aufgabe nicht: dem Texte bleibt sein Wunder, und
wenn wir Gründe haben, dieses unglaublich zu finden, so
müssen wir untersuchen, ob die Erzählung des Textes

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Neuntes Kapitel. §. 98.
läſst, es als sein Eigenthum zu betrachten. Daher nimmt
denn Paulus das ᾖραν κ. τ. λ. der Synoptiker nicht von
einem auf das Essen erst gefolgten Aufsammeln des nach
Sättigung der Menge Übriggebliebenen, sondern von dem
Überfluſs ihres geringen Vorraths, welchen die Jünger,
nachdem sie das für Jesum und sie selbst Erforderliche
zurückgethan, vor dem gemeinsamen Mahle und um ein
solches zu veranlassen, herumgetragen haben. Wie kann
aber, wenn nach ἔφαγον καὶ ἐχορτάσϑησαν unmittelbar καὶ
ᾖραν folgt, damit auf die Zeit vor dem Essen zurückge-
sprungen sein? müſste es nicht nothwendig wenigstens ᾖραν
γὰρ heiſsen? Ferner, wie kann, nachdem eben gesagt war,
das Volk habe sich satt gegessen, τὸ περισσεῦσαν, vollends
wenn, wie bei Lukas, αὐτοῖς dabei steht, etwas Anderes
als das vom Volk Übergelassene bedeuten? Endlich, wie
ist es möglich, daſs von 5 Broten und 2 Fischen, nachdem
Jesus und seine Jünger ihren Bedarf genommen, oder selbst
ohne dieſs, 12 Körbe zur Austheilung an das Volk gefüllt
werden konnten? Doch noch seltsamer geht es bei Erklä-
rung der johanneischen Stelle zu. Wegen der Anweisung
Jesu, das Übriggebliebene zu sammeln, ἵνα μή τι ἀπόληται,
scheint der folgenden Angabe, daſs sie von dem Überschuſs
der 5 Brote 12 Körbe gefüllt haben, die Beziehung auf die
Zeit nach dem Mahle nicht entzogen werden zu können,
wobei dann ohne wunderbare Brotvermehrung nicht abzu-
kommen wäre. Lieber reiſst daher Paulus von dem στν-
ήγαγονοὖ;ν das in Einem fortlaufende καὶ ἐγέμισαν δώδεκα
κοφίνους κ. τ. λ. ab, und läſst nun hier die Rede, noch här-
ter als bei den Synoptikern, ohne alle Andeutung auf Ein-
mal in das Plusquamperfectum und in die Zeit vor dem
Mahle zurückspringen.

Auch hier demnach löst die natürliche Erklärung ih-
re Aufgabe nicht: dem Texte bleibt sein Wunder, und
wenn wir Gründe haben, dieses unglaublich zu finden, so
müssen wir untersuchen, ob die Erzählung des Textes

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[211/0230] Neuntes Kapitel. §. 98. läſst, es als sein Eigenthum zu betrachten. Daher nimmt denn Paulus das ᾖραν κ. τ. λ. der Synoptiker nicht von einem auf das Essen erst gefolgten Aufsammeln des nach Sättigung der Menge Übriggebliebenen, sondern von dem Überfluſs ihres geringen Vorraths, welchen die Jünger, nachdem sie das für Jesum und sie selbst Erforderliche zurückgethan, vor dem gemeinsamen Mahle und um ein solches zu veranlassen, herumgetragen haben. Wie kann aber, wenn nach ἔφαγον καὶ ἐχορτάσϑησαν unmittelbar καὶ ᾖραν folgt, damit auf die Zeit vor dem Essen zurückge- sprungen sein? müſste es nicht nothwendig wenigstens ᾖραν γὰρ heiſsen? Ferner, wie kann, nachdem eben gesagt war, das Volk habe sich satt gegessen, τὸ περισσεῦσαν, vollends wenn, wie bei Lukas, αὐτοῖς dabei steht, etwas Anderes als das vom Volk Übergelassene bedeuten? Endlich, wie ist es möglich, daſs von 5 Broten und 2 Fischen, nachdem Jesus und seine Jünger ihren Bedarf genommen, oder selbst ohne dieſs, 12 Körbe zur Austheilung an das Volk gefüllt werden konnten? Doch noch seltsamer geht es bei Erklä- rung der johanneischen Stelle zu. Wegen der Anweisung Jesu, das Übriggebliebene zu sammeln, ἵνα μή τι ἀπόληται, scheint der folgenden Angabe, daſs sie von dem Überschuſs der 5 Brote 12 Körbe gefüllt haben, die Beziehung auf die Zeit nach dem Mahle nicht entzogen werden zu können, wobei dann ohne wunderbare Brotvermehrung nicht abzu- kommen wäre. Lieber reiſst daher Paulus von dem στν- ήγαγονοὖ;ν das in Einem fortlaufende καὶ ἐγέμισαν δώδεκα κοφίνους κ. τ. λ. ab, und läſst nun hier die Rede, noch här- ter als bei den Synoptikern, ohne alle Andeutung auf Ein- mal in das Plusquamperfectum und in die Zeit vor dem Mahle zurückspringen. Auch hier demnach löst die natürliche Erklärung ih- re Aufgabe nicht: dem Texte bleibt sein Wunder, und wenn wir Gründe haben, dieses unglaublich zu finden, so müssen wir untersuchen, ob die Erzählung des Textes 14 *

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/230>, abgerufen am 22.11.2024.