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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Einleitung. §. 12.
Kritik für den Inhalt der Geschichte und Lehre Jesu ge-
brauchen zu können glaubt 12); wozu noch in dem gan-
zen der Geschichte Jesu gewidmeten Abschnitt seiner bi-
blischen Dogmatik ein gewisses Schwanken zwischen my-
thischer und natürlicher Erklärung kommt 13).

Die ausgedehnteste Anwendung des Begriffs von phi-
losophischem Mythus, welchen man aber in Beziehung auf
das alte und neue Testament besser als den dogmatischen
bezeichnet, auf das Leben Jesu war schon 1799 in der
anonymen Schrift über Offenbarung und Mythologie ge-
macht worden. Das ganze Leben Christi, heisst es hier,
was er im Allgemeinen thun sollte und wollte, war lange
vorher in der Idee und Anschauung der Juden abgezeich-
net. Jesus als Individuum war nicht so da, lebte nicht
wirklich so, wie er nach den Erwartungen jenes Volkes
gelebt haben sollte. Nicht einmal das, worin alle Anna-
len, die seine Thaten berichten, übereinstimmen, ist durch-
aus wirkliche Thatsache. Aus verschiedenen Volksbeiträ-
gen bildete sich eine Volksstimme von seinem Leben, und
nach dieser erst sind die Evangelien gemacht 14). Freilich
bemerkte dagegen ein Recensent, der Verfasser scheine
doch weniger Historisches anzunehmen, als den Erzählungen
wirklich zum Grunde liege; er hätte besser gethan, sich
durch nüchterne Kritik des Einzelnen, als durch einen all-
gemeinen Skepticismus leiten zu lassen 15).

§. 12.
Bestreitung und Vertheidigung der mythischen Ansicht von der
evangelischen Geschichte.

Durch den im Bisherigen dargelegten mythischen Ge-
sichtspunkt für die biblische Geschichte hatte man sich der

12) In ebendems. §.
13) Vgl. besonders die §§. 222 und 224.
14) S. 103 f.
15) In Gabler's neuest. theol. Journal Bd. 6. 4tes Stück. S. 350.
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Einleitung. §. 12.
Kritik für den Inhalt der Geschichte und Lehre Jesu ge-
brauchen zu können glaubt 12); wozu noch in dem gan-
zen der Geschichte Jesu gewidmeten Abschnitt seiner bi-
blischen Dogmatik ein gewisses Schwanken zwischen my-
thischer und natürlicher Erklärung kommt 13).

Die ausgedehnteste Anwendung des Begriffs von phi-
losophischem Mythus, welchen man aber in Beziehung auf
das alte und neue Testament besser als den dogmatischen
bezeichnet, auf das Leben Jesu war schon 1799 in der
anonymen Schrift über Offenbarung und Mythologie ge-
macht worden. Das ganze Leben Christi, heiſst es hier,
was er im Allgemeinen thun sollte und wollte, war lange
vorher in der Idee und Anschauung der Juden abgezeich-
net. Jesus als Individuum war nicht so da, lebte nicht
wirklich so, wie er nach den Erwartungen jenes Volkes
gelebt haben sollte. Nicht einmal das, worin alle Anna-
len, die seine Thaten berichten, übereinstimmen, ist durch-
aus wirkliche Thatsache. Aus verschiedenen Volksbeiträ-
gen bildete sich eine Volksstimme von seinem Leben, und
nach dieser erst sind die Evangelien gemacht 14). Freilich
bemerkte dagegen ein Recensent, der Verfasser scheine
doch weniger Historisches anzunehmen, als den Erzählungen
wirklich zum Grunde liege; er hätte besser gethan, sich
durch nüchterne Kritik des Einzelnen, als durch einen all-
gemeinen Skepticismus leiten zu lassen 15).

§. 12.
Bestreitung und Vertheidigung der mythischen Ansicht von der
evangelischen Geschichte.

Durch den im Bisherigen dargelegten mythischen Ge-
sichtspunkt für die biblische Geschichte hatte man sich der

12) In ebendems. §.
13) Vgl. besonders die §§. 222 und 224.
14) S. 103 f.
15) In Gabler's neuest. theol. Journal Bd. 6. 4tes Stück. S. 350.
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[51/0075] Einleitung. §. 12. Kritik für den Inhalt der Geschichte und Lehre Jesu ge- brauchen zu können glaubt 12); wozu noch in dem gan- zen der Geschichte Jesu gewidmeten Abschnitt seiner bi- blischen Dogmatik ein gewisses Schwanken zwischen my- thischer und natürlicher Erklärung kommt 13). Die ausgedehnteste Anwendung des Begriffs von phi- losophischem Mythus, welchen man aber in Beziehung auf das alte und neue Testament besser als den dogmatischen bezeichnet, auf das Leben Jesu war schon 1799 in der anonymen Schrift über Offenbarung und Mythologie ge- macht worden. Das ganze Leben Christi, heiſst es hier, was er im Allgemeinen thun sollte und wollte, war lange vorher in der Idee und Anschauung der Juden abgezeich- net. Jesus als Individuum war nicht so da, lebte nicht wirklich so, wie er nach den Erwartungen jenes Volkes gelebt haben sollte. Nicht einmal das, worin alle Anna- len, die seine Thaten berichten, übereinstimmen, ist durch- aus wirkliche Thatsache. Aus verschiedenen Volksbeiträ- gen bildete sich eine Volksstimme von seinem Leben, und nach dieser erst sind die Evangelien gemacht 14). Freilich bemerkte dagegen ein Recensent, der Verfasser scheine doch weniger Historisches anzunehmen, als den Erzählungen wirklich zum Grunde liege; er hätte besser gethan, sich durch nüchterne Kritik des Einzelnen, als durch einen all- gemeinen Skepticismus leiten zu lassen 15). §. 12. Bestreitung und Vertheidigung der mythischen Ansicht von der evangelischen Geschichte. Durch den im Bisherigen dargelegten mythischen Ge- sichtspunkt für die biblische Geschichte hatte man sich der 12) In ebendems. §. 13) Vgl. besonders die §§. 222 und 224. 14) S. 103 f. 15) In Gabler's neuest. theol. Journal Bd. 6. 4tes Stück. S. 350. 4*

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/75>, abgerufen am 28.11.2024.