Saat heran, er weiss nicht wie, von einer Entwicklungsstu- fe zur andern. Endlich wenn sie reif ist, schickt er die Sichel, weil die Zeit zur Ernte da ist. In dieser Parabel fehlt, was bei Matthäus das Hauptmoment ausmacht, das vom Feind ausgesäte Unkraut; da jedoch die übrigen Mo- mente: Säen, Schlafen, Aufwachsen man weiss nicht wie, Ernte, ganz dieselben sind, so fragt es sich, ob nicht Mar- kus hier bloss eine ihm sonst woher bekannte andere Recension derselben Gleichnissrede giebt, welche er der des Matthäus vielleicht mit desswegen vorzog, weil sie in jener Gestalt mehr vermittelnd zwischen die erste vom Säemann und die dritte vom Senfkorn eintrat.
Auch Lukas hat von den 7 Parabeln Matth. 13. bloss drei, die vom Säemann, vom Senfkorn und vom Sauerteig, so dass also dem Matthäus die Gleichnisse vom vergrabe- nen Schatz, von der Perle und vom Netze, wie auch die vom Unkraut im Acker (in dieser Form) eigenthümlich blei- ben. Das Gleichniss vom Säemann stellt Lukas etwas früher (8, 4 ff.) und auch nicht in dieselbe Umgebung wie Mat- thäus, hauptsächlich aber getrennt von den zwei weiteren Parabeln, die er noch mit der Sammlung des Matthäus gemein hat. Diese bringt er später, 13, 18--21, nach, ei- ne Stellung, welche die neueren Kritiker einstimmig als die richtige anerkennen 9). Allein dieses Urtheil gehört zu dem Wunderlichsten, wozu sich die jetzige Kritik durch ihre Parteilichkeit für den Lukas hat verleiten lassen. Denn sehen wir den so sehr gerühmten Zusammenhang an, so hat hier Jesus in einer Synagoge ein zusammenge- bücktes Weib geheilt, hierauf den schwierigen Synagogen- vorsteher durch das Argument vom Ochsen und Esel zum Schweigen gebracht, und nun heisst es V. 17: kai tauta legontos autouou kateskhunonto pantes oi antikeimenoi auto,
9)Schleiermacher, a. a. O. S. 192. Olshausen, 1, S. 438. Schneckenburger, a. a. Q. S. 33.
Sechstes Kapitel. §. 74.
Saat heran, er weiſs nicht wie, von einer Entwicklungsstu- fe zur andern. Endlich wenn sie reif ist, schickt er die Sichel, weil die Zeit zur Ernte da ist. In dieser Parabel fehlt, was bei Matthäus das Hauptmoment ausmacht, das vom Feind ausgesäte Unkraut; da jedoch die übrigen Mo- mente: Säen, Schlafen, Aufwachsen man weiſs nicht wie, Ernte, ganz dieselben sind, so fragt es sich, ob nicht Mar- kus hier bloſs eine ihm sonst woher bekannte andere Recension derselben Gleichniſsrede giebt, welche er der des Matthäus vielleicht mit deſswegen vorzog, weil sie in jener Gestalt mehr vermittelnd zwischen die erste vom Säemann und die dritte vom Senfkorn eintrat.
Auch Lukas hat von den 7 Parabeln Matth. 13. bloſs drei, die vom Säemann, vom Senfkorn und vom Sauerteig, so daſs also dem Matthäus die Gleichnisse vom vergrabe- nen Schatz, von der Perle und vom Netze, wie auch die vom Unkraut im Acker (in dieser Form) eigenthümlich blei- ben. Das Gleichniſs vom Säemann stellt Lukas etwas früher (8, 4 ff.) und auch nicht in dieselbe Umgebung wie Mat- thäus, hauptsächlich aber getrennt von den zwei weiteren Parabeln, die er noch mit der Sammlung des Matthäus gemein hat. Diese bringt er später, 13, 18—21, nach, ei- ne Stellung, welche die neueren Kritiker einstimmig als die richtige anerkennen 9). Allein dieses Urtheil gehört zu dem Wunderlichsten, wozu sich die jetzige Kritik durch ihre Parteilichkeit für den Lukas hat verleiten lassen. Denn sehen wir den so sehr gerühmten Zusammenhang an, so hat hier Jesus in einer Synagoge ein zusammenge- bücktes Weib geheilt, hierauf den schwierigen Synagogen- vorsteher durch das Argument vom Ochsen und Esel zum Schweigen gebracht, und nun heiſst es V. 17: καὶ ταῦτα λέγοντος αυτοῦοῦ κατῃσχύνοντο πάντες οἱ ἀντικείμενοι αὐτῷ,
9)Schleiermacher, a. a. O. S. 192. Olshausen, 1, S. 438. Schneckenburger, a. a. Q. S. 33.
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Sechstes Kapitel. §. 74.
Saat heran, er weiſs nicht wie, von einer Entwicklungsstu-
fe zur andern. Endlich wenn sie reif ist, schickt er die
Sichel, weil die Zeit zur Ernte da ist. In dieser Parabel
fehlt, was bei Matthäus das Hauptmoment ausmacht, das
vom Feind ausgesäte Unkraut; da jedoch die übrigen Mo-
mente: Säen, Schlafen, Aufwachsen man weiſs nicht wie,
Ernte, ganz dieselben sind, so fragt es sich, ob nicht Mar-
kus hier bloſs eine ihm sonst woher bekannte andere Recension
derselben Gleichniſsrede giebt, welche er der des Matthäus
vielleicht mit deſswegen vorzog, weil sie in jener Gestalt
mehr vermittelnd zwischen die erste vom Säemann und die
dritte vom Senfkorn eintrat.
Auch Lukas hat von den 7 Parabeln Matth. 13. bloſs
drei, die vom Säemann, vom Senfkorn und vom Sauerteig,
so daſs also dem Matthäus die Gleichnisse vom vergrabe-
nen Schatz, von der Perle und vom Netze, wie auch die
vom Unkraut im Acker (in dieser Form) eigenthümlich blei-
ben. Das Gleichniſs vom Säemann stellt Lukas etwas früher
(8, 4 ff.) und auch nicht in dieselbe Umgebung wie Mat-
thäus, hauptsächlich aber getrennt von den zwei weiteren
Parabeln, die er noch mit der Sammlung des Matthäus
gemein hat. Diese bringt er später, 13, 18—21, nach, ei-
ne Stellung, welche die neueren Kritiker einstimmig als
die richtige anerkennen 9). Allein dieses Urtheil gehört
zu dem Wunderlichsten, wozu sich die jetzige Kritik durch
ihre Parteilichkeit für den Lukas hat verleiten lassen.
Denn sehen wir den so sehr gerühmten Zusammenhang
an, so hat hier Jesus in einer Synagoge ein zusammenge-
bücktes Weib geheilt, hierauf den schwierigen Synagogen-
vorsteher durch das Argument vom Ochsen und Esel zum
Schweigen gebracht, und nun heiſst es V. 17: καὶ ταῦτα
λέγοντος αυτοῦοῦ κατῃσχύνοντο πάντες οἱ ἀντικείμενοι αὐτῷ,
9) Schleiermacher, a. a. O. S. 192. Olshausen, 1, S. 438.
Schneckenburger, a. a. Q. S. 33.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/621>, abgerufen am 24.11.2024.
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