sind, wobei dann insbesondere Lukas in einigen Fällen sich bemüht hat, sie künstlich zu fassen, was aber den natür- lichen Zusammenhang nicht ersetzen konnte.
§. 73. Instruktion der Zwölfe. Klage über die galiläischen Städte. Freude über die Berufung der Einfältigen.
Bei Gelegenheit der Aussendung der Zwölfe stellt das erste Evangelium (K. 10.) wieder eine grössere Rede zu- sammen, welche, soweit sie ihm nicht eigenthümlich ist, die beiden andern Synoptiker nur zum kleineren Theile bei eben diesem Anlass gesprochen sein lassen; die meisten Bestandtheile derselben rückt Lukas theils bei Gelegenheit der Aussendung der Siebenzig (10, 2 ff.), theils bei einem späteren Gespräch mit den Jüngern (12, 2 ff.) ein; Etli- ches findet sich auch sowohl bei Matthäus als bei dem übri- gen in den Reden Jesu über seine Parusie wieder.
Wie auch hier die ältere Harmonistik unbedenklich eine Wiederholung derselben Reden annahm 1): so will die neuere Kritik nur bei Lukas die ursprünglichen An- lässe und Verbindungen, bei Matthäus eine blosse Zusam- menstellung des Referenten finden 2), und auch die Diffe- renz kehrt wieder, dass die apologetisch gesinnten Ausleger dem Matthäus das Bewusstsein zuschreiben, hier zu ver- schiedenen Zeiten Gesprochenes zusammenzustellen 3), wo- gegen andre mit Recht auf die Art hinweisen, wie die Re- de V. 5, durch die Worte: toutous tous dodeka apeseilen o I. paraggeilas autois eingeführt, und 11, 1. durch kai egeneto [o]te etelesen o I. diatasson to[i]s dodeka k. t. l. abge- schlossen ist, woraus zur Genüge die Meinung des Evan-
1) z. B. Hess, Gesch. Jesu, 1, S. 545.
2)Schulz, a. a. O. S. 308. 314. Sieffert, S. 80 ff.
3)Olshausen, 1, S. 333.
Sechstes Kapitel. §. 73.
sind, wobei dann insbesondere Lukas in einigen Fällen sich bemüht hat, sie künstlich zu fassen, was aber den natür- lichen Zusammenhang nicht ersetzen konnte.
§. 73. Instruktion der Zwölfe. Klage über die galiläischen Städte. Freude über die Berufung der Einfältigen.
Bei Gelegenheit der Aussendung der Zwölfe stellt das erste Evangelium (K. 10.) wieder eine gröſsere Rede zu- sammen, welche, soweit sie ihm nicht eigenthümlich ist, die beiden andern Synoptiker nur zum kleineren Theile bei eben diesem Anlaſs gesprochen sein lassen; die meisten Bestandtheile derselben rückt Lukas theils bei Gelegenheit der Aussendung der Siebenzig (10, 2 ff.), theils bei einem späteren Gespräch mit den Jüngern (12, 2 ff.) ein; Etli- ches findet sich auch sowohl bei Matthäus als bei dem übri- gen in den Reden Jesu über seine Parusie wieder.
Wie auch hier die ältere Harmonistik unbedenklich eine Wiederholung derselben Reden annahm 1): so will die neuere Kritik nur bei Lukas die ursprünglichen An- lässe und Verbindungen, bei Matthäus eine bloſse Zusam- menstellung des Referenten finden 2), und auch die Diffe- renz kehrt wieder, daſs die apologetisch gesinnten Ausleger dem Matthäus das Bewuſstsein zuschreiben, hier zu ver- schiedenen Zeiten Gesprochenes zusammenzustellen 3), wo- gegen andre mit Recht auf die Art hinweisen, wie die Re- de V. 5, durch die Worte: τούτους τοὺς δώδεκα ἀπέςειλεν ὁ Ἰ. παραγγείλας αὐτοῖς eingeführt, und 11, 1. durch καὶ ἐγένετο [ὅ]τε ἐτέλεσεν ὁ Ἰ. διατάσσων το[ῖ]ς δώδεκα κ. τ. λ. abge- schlossen ist, woraus zur Genüge die Meinung des Evan-
1) z. B. Hess, Gesch. Jesu, 1, S. 545.
2)Schulz, a. a. O. S. 308. 314. Sieffert, S. 80 ff.
3)Olshausen, 1, S. 333.
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Sechstes Kapitel. §. 73.
sind, wobei dann insbesondere Lukas in einigen Fällen sich
bemüht hat, sie künstlich zu fassen, was aber den natür-
lichen Zusammenhang nicht ersetzen konnte.
§. 73.
Instruktion der Zwölfe. Klage über die galiläischen Städte. Freude
über die Berufung der Einfältigen.
Bei Gelegenheit der Aussendung der Zwölfe stellt das
erste Evangelium (K. 10.) wieder eine gröſsere Rede zu-
sammen, welche, soweit sie ihm nicht eigenthümlich ist,
die beiden andern Synoptiker nur zum kleineren Theile bei
eben diesem Anlaſs gesprochen sein lassen; die meisten
Bestandtheile derselben rückt Lukas theils bei Gelegenheit
der Aussendung der Siebenzig (10, 2 ff.), theils bei einem
späteren Gespräch mit den Jüngern (12, 2 ff.) ein; Etli-
ches findet sich auch sowohl bei Matthäus als bei dem übri-
gen in den Reden Jesu über seine Parusie wieder.
Wie auch hier die ältere Harmonistik unbedenklich
eine Wiederholung derselben Reden annahm 1): so will
die neuere Kritik nur bei Lukas die ursprünglichen An-
lässe und Verbindungen, bei Matthäus eine bloſse Zusam-
menstellung des Referenten finden 2), und auch die Diffe-
renz kehrt wieder, daſs die apologetisch gesinnten Ausleger
dem Matthäus das Bewuſstsein zuschreiben, hier zu ver-
schiedenen Zeiten Gesprochenes zusammenzustellen 3), wo-
gegen andre mit Recht auf die Art hinweisen, wie die Re-
de V. 5, durch die Worte: τούτους τοὺς δώδεκα ἀπέςειλεν ὁ Ἰ.
παραγγείλας αὐτοῖς eingeführt, und 11, 1. durch καὶ ἐγένετο
ὅτε ἐτέλεσεν ὁ Ἰ. διατάσσων τοῖς δώδεκα κ. τ. λ. abge-
schlossen ist, woraus zur Genüge die Meinung des Evan-
1) z. B. Hess, Gesch. Jesu, 1, S. 545.
2) Schulz, a. a. O. S. 308. 314. Sieffert, S. 80 ff.
3) Olshausen, 1, S. 333.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/611>, abgerufen am 23.11.2024.
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