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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Zweiter Abschnitt.
verabschieden zu dürfen, und der Prophet nimmt keinen
Anstand, ihm diess zu gestatten, wenn nur Elisa sofort
wieder zu ihm zurückkehren würde. Ähnliche Bitten wer-
den auch Jesu (Luc. 9, 59 ff. Matth. 8, 21 f.) von Einigen
gestellt, die er zur Nachfolge berufen, oder die sich frei-
willig dazu erboten hatten; aber Jesus gewährt diese Ge-
suche nicht, sondern weist den Einen, welcher zuvor sei-
nen Vater zu begraben wünschte, zu augenblicklichem An-
tritt seiner Jüngerschaft an, den Andern aber, der sich
ausgebeten hatte, sich erst noch von seiner Familie ver-
abschieden zu dürfen, weist er zurück; wogegen von den
beiden Fischerpaaren hier gesagt wird, dass sie, ohne um
Frist zu bitten, Alles, die Zebedaiden selbst ihren Vater,
im Stiche gelassen haben. Könnte es sich klarer, als
durch diesen Zug, verrathen, wie die ganze Erzählung
bei Matthäus und Markus nur eine überbietende Nachbil-
dung der A. T.lichen ist, um, wie Paulus richtig sieht 7),
zu zeigen, dass Jesus als Messias noch entschlossenere
und mit grösserer Aufopferung verbundene Nachfolge ge-
fordert habe, als Elias der Prophet verlangte und verlan-
gen durfte? Die historische Grundlage der Erzählung mag
sein, dass mehrere der vorzüglichsten Jünger Jesu, wie
namentlich Petrus, als Anwohner des galiläischen Sees,
Fischer gewesen waren, wesswegen Jesus sie in ihrer
späteren apostolischen Wirksamkeit bisweilen als alieis
anthropon bezeichnet haben mag. Ihr Verhältniss zu Jesu
aber machte sich ohne Zweifel so allmählich, wie sonst
menschliche Verhältnisse pflegen, nur dass uns von diesem
natürlichen Gang der Sache keine Kunde aufbehalten ist.

Wäre somit durch Wegräumung des synoptischen Be-
richtes für den johanneischen Raum gemacht: so kann
doch, ob er diesen als historischer einnehmen darf, erst
aus einer Prüfung seiner innern Beschaffenheit sich erge-

7) Exeg. Handbuch, 1, b, S. 464.

Zweiter Abschnitt.
verabschieden zu dürfen, und der Prophet nimmt keinen
Anstand, ihm dieſs zu gestatten, wenn nur Elisa sofort
wieder zu ihm zurückkehren würde. Ähnliche Bitten wer-
den auch Jesu (Luc. 9, 59 ff. Matth. 8, 21 f.) von Einigen
gestellt, die er zur Nachfolge berufen, oder die sich frei-
willig dazu erboten hatten; aber Jesus gewährt diese Ge-
suche nicht, sondern weist den Einen, welcher zuvor sei-
nen Vater zu begraben wünschte, zu augenblicklichem An-
tritt seiner Jüngerschaft an, den Andern aber, der sich
ausgebeten hatte, sich erst noch von seiner Familie ver-
abschieden zu dürfen, weist er zurück; wogegen von den
beiden Fischerpaaren hier gesagt wird, daſs sie, ohne um
Frist zu bitten, Alles, die Zebedaiden selbst ihren Vater,
im Stiche gelassen haben. Könnte es sich klarer, als
durch diesen Zug, verrathen, wie die ganze Erzählung
bei Matthäus und Markus nur eine überbietende Nachbil-
dung der A. T.lichen ist, um, wie Paulus richtig sieht 7),
zu zeigen, daſs Jesus als Messias noch entschlossenere
und mit grösserer Aufopferung verbundene Nachfolge ge-
fordert habe, als Elias der Prophet verlangte und verlan-
gen durfte? Die historische Grundlage der Erzählung mag
sein, daſs mehrere der vorzüglichsten Jünger Jesu, wie
namentlich Petrus, als Anwohner des galiläischen Sees,
Fischer gewesen waren, weſswegen Jesus sie in ihrer
späteren apostolischen Wirksamkeit bisweilen als ἁλιεῖς
ἀνϑρώπων bezeichnet haben mag. Ihr Verhältniſs zu Jesu
aber machte sich ohne Zweifel so allmählich, wie sonst
menschliche Verhältnisse pflegen, nur daſs uns von diesem
natürlichen Gang der Sache keine Kunde aufbehalten ist.

Wäre somit durch Wegräumung des synoptischen Be-
richtes für den johanneischen Raum gemacht: so kann
doch, ob er diesen als historischer einnehmen darf, erst
aus einer Prüfung seiner innern Beschaffenheit sich erge-

7) Exeg. Handbuch, 1, b, S. 464.
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[526/0550] Zweiter Abschnitt. verabschieden zu dürfen, und der Prophet nimmt keinen Anstand, ihm dieſs zu gestatten, wenn nur Elisa sofort wieder zu ihm zurückkehren würde. Ähnliche Bitten wer- den auch Jesu (Luc. 9, 59 ff. Matth. 8, 21 f.) von Einigen gestellt, die er zur Nachfolge berufen, oder die sich frei- willig dazu erboten hatten; aber Jesus gewährt diese Ge- suche nicht, sondern weist den Einen, welcher zuvor sei- nen Vater zu begraben wünschte, zu augenblicklichem An- tritt seiner Jüngerschaft an, den Andern aber, der sich ausgebeten hatte, sich erst noch von seiner Familie ver- abschieden zu dürfen, weist er zurück; wogegen von den beiden Fischerpaaren hier gesagt wird, daſs sie, ohne um Frist zu bitten, Alles, die Zebedaiden selbst ihren Vater, im Stiche gelassen haben. Könnte es sich klarer, als durch diesen Zug, verrathen, wie die ganze Erzählung bei Matthäus und Markus nur eine überbietende Nachbil- dung der A. T.lichen ist, um, wie Paulus richtig sieht 7), zu zeigen, daſs Jesus als Messias noch entschlossenere und mit grösserer Aufopferung verbundene Nachfolge ge- fordert habe, als Elias der Prophet verlangte und verlan- gen durfte? Die historische Grundlage der Erzählung mag sein, daſs mehrere der vorzüglichsten Jünger Jesu, wie namentlich Petrus, als Anwohner des galiläischen Sees, Fischer gewesen waren, weſswegen Jesus sie in ihrer späteren apostolischen Wirksamkeit bisweilen als ἁλιεῖς ἀνϑρώπων bezeichnet haben mag. Ihr Verhältniſs zu Jesu aber machte sich ohne Zweifel so allmählich, wie sonst menschliche Verhältnisse pflegen, nur daſs uns von diesem natürlichen Gang der Sache keine Kunde aufbehalten ist. Wäre somit durch Wegräumung des synoptischen Be- richtes für den johanneischen Raum gemacht: so kann doch, ob er diesen als historischer einnehmen darf, erst aus einer Prüfung seiner innern Beschaffenheit sich erge- 7) Exeg. Handbuch, 1, b, S. 464.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 526. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/550>, abgerufen am 22.11.2024.