samkeit Jesu in Samarien früher fallen, als das den Jün- gern auf ihre Missionsreise mitgegebene Verbot. Denn die in Galiläa vor sich gegangene Aussendung der Zwölfe hat in der kurzen Zeit, welche dem vierten Evangelium zufolge Jesus vor dem ersten Pascha in Galiläa war (2, 1--13), keinen Raum, sie müsste also nach diesem Pascha, und, weil der Besuch in Samarien auf die Rückreise von dem- selben fällt, auch nach jenem Besuche erst vor sich gegan- gen sein; wie aber konnte Jesus, wenn er selbst bereits und zwar mit dem schönsten Erfolg in Samarien messia- nisch gewirkt hatte, seinen Jüngern ein Ähnliches verbie- ten? Sezt man dagegen die von Johannes erzählte Scene nach dem von Matthäus aufbehaltenen Verbote: so sollten die Jünger nicht so sehr darüber, dass Jesus überhaupt mit einem Weibe (Joh. 4, 27.), als dass er gerade mit ei- ner Samariterin sich so angelegentlich unterhielt, sich ge- wundert haben 3).
Da somit keine der beiden extremen Erzählungen (bei Matthäus und Johannes) die andre voraussezt: so stellt sich uns das Dilemma, oder, da wir, alle vier Evangelien zusammengenommen, einen Klimax haben, müssen wir fra- gen: ist es wahrscheinlicher, dass er in aufsteigender Li- nie entstanden ist, oder in absteigender? d. h. hatte sich in der Wirklichkeit zwar Jesus in ein so enges Verhält- niss zu den Samaritanern gesezt, und sich so günstig über dieselben ausgesprochen, wie jenes Johannes, dieses Lukas meldet, hat aber Beides Markus übergangen, und Matthäus gar aus jüdischem Partikularismus eine sehr ungünstige Äusserung dazugesezt? oder hat Jesus in der That nur diese harte Äusserung gethan und auch nur etwa eine un- günstige Berührung mit dem Volke Samariens gehabt, hat man aber in der Folge, als der Gesichtskreis der ersten Gemein-
3) Mit Unrecht wollten diess Einige in die Frage legen; s. bei Lücke, 1, S. 533.
Viertes Kapitel. §. 65.
samkeit Jesu in Samarien früher fallen, als das den Jün- gern auf ihre Missionsreise mitgegebene Verbot. Denn die in Galiläa vor sich gegangene Aussendung der Zwölfe hat in der kurzen Zeit, welche dem vierten Evangelium zufolge Jesus vor dem ersten Pascha in Galiläa war (2, 1—13), keinen Raum, sie müſste also nach diesem Pascha, und, weil der Besuch in Samarien auf die Rückreise von dem- selben fällt, auch nach jenem Besuche erst vor sich gegan- gen sein; wie aber konnte Jesus, wenn er selbst bereits und zwar mit dem schönsten Erfolg in Samarien messia- nisch gewirkt hatte, seinen Jüngern ein Ähnliches verbie- ten? Sezt man dagegen die von Johannes erzählte Scene nach dem von Matthäus aufbehaltenen Verbote: so sollten die Jünger nicht so sehr darüber, daſs Jesus überhaupt mit einem Weibe (Joh. 4, 27.), als daſs er gerade mit ei- ner Samariterin sich so angelegentlich unterhielt, sich ge- wundert haben 3).
Da somit keine der beiden extremen Erzählungen (bei Matthäus und Johannes) die andre voraussezt: so stellt sich uns das Dilemma, oder, da wir, alle vier Evangelien zusammengenommen, einen Klimax haben, müssen wir fra- gen: ist es wahrscheinlicher, daſs er in aufsteigender Li- nie entstanden ist, oder in absteigender? d. h. hatte sich in der Wirklichkeit zwar Jesus in ein so enges Verhält- niſs zu den Samaritanern gesezt, und sich so günstig über dieselben ausgesprochen, wie jenes Johannes, dieses Lukas meldet, hat aber Beides Markus übergangen, und Matthäus gar aus jüdischem Partikularismus eine sehr ungünstige Äusserung dazugesezt? oder hat Jesus in der That nur diese harte Äusserung gethan und auch nur etwa eine un- günstige Berührung mit dem Volke Samariens gehabt, hat man aber in der Folge, als der Gesichtskreis der ersten Gemein-
3) Mit Unrecht wollten diess Einige in die Frage legen; s. bei Lücke, 1, S. 533.
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Viertes Kapitel. §. 65.
samkeit Jesu in Samarien früher fallen, als das den Jün-
gern auf ihre Missionsreise mitgegebene Verbot. Denn die
in Galiläa vor sich gegangene Aussendung der Zwölfe hat
in der kurzen Zeit, welche dem vierten Evangelium zufolge
Jesus vor dem ersten Pascha in Galiläa war (2, 1—13),
keinen Raum, sie müſste also nach diesem Pascha, und,
weil der Besuch in Samarien auf die Rückreise von dem-
selben fällt, auch nach jenem Besuche erst vor sich gegan-
gen sein; wie aber konnte Jesus, wenn er selbst bereits
und zwar mit dem schönsten Erfolg in Samarien messia-
nisch gewirkt hatte, seinen Jüngern ein Ähnliches verbie-
ten? Sezt man dagegen die von Johannes erzählte Scene
nach dem von Matthäus aufbehaltenen Verbote: so sollten
die Jünger nicht so sehr darüber, daſs Jesus überhaupt
mit einem Weibe (Joh. 4, 27.), als daſs er gerade mit ei-
ner Samariterin sich so angelegentlich unterhielt, sich ge-
wundert haben 3).
Da somit keine der beiden extremen Erzählungen (bei
Matthäus und Johannes) die andre voraussezt: so stellt
sich uns das Dilemma, oder, da wir, alle vier Evangelien
zusammengenommen, einen Klimax haben, müssen wir fra-
gen: ist es wahrscheinlicher, daſs er in aufsteigender Li-
nie entstanden ist, oder in absteigender? d. h. hatte sich
in der Wirklichkeit zwar Jesus in ein so enges Verhält-
niſs zu den Samaritanern gesezt, und sich so günstig über
dieselben ausgesprochen, wie jenes Johannes, dieses Lukas
meldet, hat aber Beides Markus übergangen, und Matthäus
gar aus jüdischem Partikularismus eine sehr ungünstige
Äusserung dazugesezt? oder hat Jesus in der That nur
diese harte Äusserung gethan und auch nur etwa eine un-
günstige Berührung mit dem Volke Samariens gehabt, hat man
aber in der Folge, als der Gesichtskreis der ersten Gemein-
3) Mit Unrecht wollten diess Einige in die Frage legen; s. bei
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 509. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/533>, abgerufen am 23.11.2024.
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