gieng 1); dass er den Samaritanern nicht abhold war, viel- mehr in mancher Hinsicht ihre Vorzüge vor den Juden anerkannte, erhellt aus seiner Parabel vom barmherzigen Samariter (Luc. 10, 30 ff.); auch war ihm ja nach Luc. 17, 16. ein Fall vorgekommen, wo unter zehn Geheilten nur Einer, und zwar ein Samariter, sich dankbar bewies, und selbst von der messianischen Idee waren, sofern wir diess aus Joh. 4, 25. und neueren Nachrichten 2) schlies- sen dürfen, die Bewohner Samariens nicht unberührt.
So natürlich es hienach zu sein scheint, dass Jesus diese empfängliche Seite des samarischen Volks durch ge- legentliche Verkündigung des Messiasreichs bei demselben auch wirklich in Anspruch genommen habe: so muss doch das eigenthümliche Verhältniss Bedenken erregen, in wel- chem man in dieser Hinsicht die vier Evangelisten zu ein- ander erblickt. Während nämlich Matthäus weder eine Berührung Jesu mit den Samaritanern, noch einen Aus- spruch über sie ausser jenem Verbote hat: giebt Markus zwar gleichfalls weder eine Berührung noch eine günstige Äusserung, aber doch auch ebensowenig eine nachtheilige wie Matthäus; Lukas hat zwei Berührungen Jesu mit ih- nen, von welchen die eine zwar ungünstig, die andre aber, sammt seinen Äusserungen über die Samariter, um so günstiger ausfällt; Johannes endlich weiss von einem ganz genauen und höchst günstigen Verhältniss Jesu zu dem samarischen Volke zu erzählen. Sollen alle diese so ver- schiedenen Nachrichten gegründet sein: wie konnte Jesus das einemal verbieten, die Samaritaner in den messiani- schen Plan hereinzuziehen, das andremal aber dies selber ohne Anstand thun? und zwar müsste, wenn die Anord- nung der Evangelisten etwas gelten soll, die eigene Wirk-
1) Antiq. 20, 6, 1. Nicht ganz zusammenstimmende rabbinische Grundsätze hierüber s. bei Lightfoot, S. 991 ff.
2) s. Bertholdt, Christol. Judaeorum, §. 7.
Zweiter Abschnitt.
gieng 1); daſs er den Samaritanern nicht abhold war, viel- mehr in mancher Hinsicht ihre Vorzüge vor den Juden anerkannte, erhellt aus seiner Parabel vom barmherzigen Samariter (Luc. 10, 30 ff.); auch war ihm ja nach Luc. 17, 16. ein Fall vorgekommen, wo unter zehn Geheilten nur Einer, und zwar ein Samariter, sich dankbar bewies, und selbst von der messianischen Idee waren, sofern wir dieſs aus Joh. 4, 25. und neueren Nachrichten 2) schlies- sen dürfen, die Bewohner Samariens nicht unberührt.
So natürlich es hienach zu sein scheint, daſs Jesus diese empfängliche Seite des samarischen Volks durch ge- legentliche Verkündigung des Messiasreichs bei demselben auch wirklich in Anspruch genommen habe: so muſs doch das eigenthümliche Verhältniſs Bedenken erregen, in wel- chem man in dieser Hinsicht die vier Evangelisten zu ein- ander erblickt. Während nämlich Matthäus weder eine Berührung Jesu mit den Samaritanern, noch einen Aus- spruch über sie ausser jenem Verbote hat: giebt Markus zwar gleichfalls weder eine Berührung noch eine günstige Äusserung, aber doch auch ebensowenig eine nachtheilige wie Matthäus; Lukas hat zwei Berührungen Jesu mit ih- nen, von welchen die eine zwar ungünstig, die andre aber, sammt seinen Äusserungen über die Samariter, um so günstiger ausfällt; Johannes endlich weiſs von einem ganz genauen und höchst günstigen Verhältniſs Jesu zu dem samarischen Volke zu erzählen. Sollen alle diese so ver- schiedenen Nachrichten gegründet sein: wie konnte Jesus das einemal verbieten, die Samaritaner in den messiani- schen Plan hereinzuziehen, das andremal aber dies selber ohne Anstand thun? und zwar müſste, wenn die Anord- nung der Evangelisten etwas gelten soll, die eigene Wirk-
1) Antiq. 20, 6, 1. Nicht ganz zusammenstimmende rabbinische Grundsätze hierüber s. bei Lightfoot, S. 991 ff.
2) s. Bertholdt, Christol. Judaeorum, §. 7.
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Zweiter Abschnitt.
gieng 1); daſs er den Samaritanern nicht abhold war, viel-
mehr in mancher Hinsicht ihre Vorzüge vor den Juden
anerkannte, erhellt aus seiner Parabel vom barmherzigen
Samariter (Luc. 10, 30 ff.); auch war ihm ja nach Luc.
17, 16. ein Fall vorgekommen, wo unter zehn Geheilten
nur Einer, und zwar ein Samariter, sich dankbar bewies,
und selbst von der messianischen Idee waren, sofern wir
dieſs aus Joh. 4, 25. und neueren Nachrichten 2) schlies-
sen dürfen, die Bewohner Samariens nicht unberührt.
So natürlich es hienach zu sein scheint, daſs Jesus
diese empfängliche Seite des samarischen Volks durch ge-
legentliche Verkündigung des Messiasreichs bei demselben
auch wirklich in Anspruch genommen habe: so muſs doch
das eigenthümliche Verhältniſs Bedenken erregen, in wel-
chem man in dieser Hinsicht die vier Evangelisten zu ein-
ander erblickt. Während nämlich Matthäus weder eine
Berührung Jesu mit den Samaritanern, noch einen Aus-
spruch über sie ausser jenem Verbote hat: giebt Markus
zwar gleichfalls weder eine Berührung noch eine günstige
Äusserung, aber doch auch ebensowenig eine nachtheilige
wie Matthäus; Lukas hat zwei Berührungen Jesu mit ih-
nen, von welchen die eine zwar ungünstig, die andre aber,
sammt seinen Äusserungen über die Samariter, um so
günstiger ausfällt; Johannes endlich weiſs von einem ganz
genauen und höchst günstigen Verhältniſs Jesu zu dem
samarischen Volke zu erzählen. Sollen alle diese so ver-
schiedenen Nachrichten gegründet sein: wie konnte Jesus
das einemal verbieten, die Samaritaner in den messiani-
schen Plan hereinzuziehen, das andremal aber dies selber
ohne Anstand thun? und zwar müſste, wenn die Anord-
nung der Evangelisten etwas gelten soll, die eigene Wirk-
1) Antiq. 20, 6, 1. Nicht ganz zusammenstimmende rabbinische
Grundsätze hierüber s. bei Lightfoot, S. 991 ff.
2) s. Bertholdt, Christol. Judaeorum, §. 7.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/532>, abgerufen am 22.11.2024.
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