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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Einleitung. §. 7.
schichte festzukleben. Im Übrigen blieb er jedoch mit Pau-
lus
u. A. dabei, das Wunderhafte in der heiligen Geschich-
te für ein Gewand zu nehmen, das man nur abziehen
dürfe, um die reine historische Gestalt hervortreten zu sehen.

§. 7.
Kant's moralische Interpretation.

Unter diesen natürlichen Auslegungen, welche das
Ende des 18ten Jahrhunderts in reicher Fülle hervorbrachte,
war es ein merkwürdiges Zwischenspiel, mit Einem Male
die alte allegorische Erklärung der Kirchenväter herauf-
beschworen zu sehen in Kant's moralischer Schriftauslegung.
Ihm, als Philosophen, war es nicht, wie den rationalisti-
schen Theologen, um eine Geschichte, sondern wie jenen
Alten in der geschichtlichen Hülle um eine Idee zu thun,
wenn er gleich diese Idee nicht wie jene als absolute,
sowohl theoretische als praktische, sondern einseitig als
praktische, als moralisches Sollen und dadurch mit der
Endlichkeit behaftet, auffasste, auch als das diese Ideen
in den biblischen Text hineinlegende Subjekt nicht den
göttlichen Geist, sondern den des philosophischen Schrift-
auslegers, oder in einer tieferen Andeutung die moralische
Anlage in den Verfassern jener Bücher bestimmte. Kant
beruft sich darauf 1), dass es mit allen alten und neuen,
zum Theil in heiligen Büchern abgefassten Glaubensarten
jederzeit so sei gehalten worden, dass verständige und
wohldenkende Volkslehrer sie so lange gedeutet haben,
bis sie dieselben ihrem wesentlichen Inhalte nach mit den
allgemeinen moralischen Glaubenssätzen in Übereinstimmung
brachten. So haben es die Moralphilosophen unter den
Griechen und Römern mit ihrer fabelhaften Götterlehre ge-

1) Religion innerhalb der Grenzen der blossen Vernunft, drit-
tes Stück. No. VI: Der Kirchenglaube hat zu seinem höch-
sten Ausleger den reinen Religionsglauben.

Einleitung. §. 7.
schichte festzukleben. Im Übrigen blieb er jedoch mit Pau-
lus
u. A. dabei, das Wunderhafte in der heiligen Geschich-
te für ein Gewand zu nehmen, das man nur abziehen
dürfe, um die reine historische Gestalt hervortreten zu sehen.

§. 7.
Kant's moralische Interpretation.

Unter diesen natürlichen Auslegungen, welche das
Ende des 18ten Jahrhunderts in reicher Fülle hervorbrachte,
war es ein merkwürdiges Zwischenspiel, mit Einem Male
die alte allegorische Erklärung der Kirchenväter herauf-
beschworen zu sehen in Kant's moralischer Schriftauslegung.
Ihm, als Philosophen, war es nicht, wie den rationalisti-
schen Theologen, um eine Geschichte, sondern wie jenen
Alten in der geschichtlichen Hülle um eine Idee zu thun,
wenn er gleich diese Idee nicht wie jene als absolute,
sowohl theoretische als praktische, sondern einseitig als
praktische, als moralisches Sollen und dadurch mit der
Endlichkeit behaftet, auffaſste, auch als das diese Ideen
in den biblischen Text hineinlegende Subjekt nicht den
göttlichen Geist, sondern den des philosophischen Schrift-
auslegers, oder in einer tieferen Andeutung die moralische
Anlage in den Verfassern jener Bücher bestimmte. Kant
beruft sich darauf 1), daſs es mit allen alten und neuen,
zum Theil in heiligen Büchern abgefaſsten Glaubensarten
jederzeit so sei gehalten worden, daſs verständige und
wohldenkende Volkslehrer sie so lange gedeutet haben,
bis sie dieselben ihrem wesentlichen Inhalte nach mit den
allgemeinen moralischen Glaubenssätzen in Übereinstimmung
brachten. So haben es die Moralphilosophen unter den
Griechen und Römern mit ihrer fabelhaften Götterlehre ge-

1) Religion innerhalb der Grenzen der blossen Vernunft, drit-
tes Stück. No. VI: Der Kirchenglaube hat zu seinem höch-
sten Ausleger den reinen Religionsglauben.
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[25/0049] Einleitung. §. 7. schichte festzukleben. Im Übrigen blieb er jedoch mit Pau- lus u. A. dabei, das Wunderhafte in der heiligen Geschich- te für ein Gewand zu nehmen, das man nur abziehen dürfe, um die reine historische Gestalt hervortreten zu sehen. §. 7. Kant's moralische Interpretation. Unter diesen natürlichen Auslegungen, welche das Ende des 18ten Jahrhunderts in reicher Fülle hervorbrachte, war es ein merkwürdiges Zwischenspiel, mit Einem Male die alte allegorische Erklärung der Kirchenväter herauf- beschworen zu sehen in Kant's moralischer Schriftauslegung. Ihm, als Philosophen, war es nicht, wie den rationalisti- schen Theologen, um eine Geschichte, sondern wie jenen Alten in der geschichtlichen Hülle um eine Idee zu thun, wenn er gleich diese Idee nicht wie jene als absolute, sowohl theoretische als praktische, sondern einseitig als praktische, als moralisches Sollen und dadurch mit der Endlichkeit behaftet, auffaſste, auch als das diese Ideen in den biblischen Text hineinlegende Subjekt nicht den göttlichen Geist, sondern den des philosophischen Schrift- auslegers, oder in einer tieferen Andeutung die moralische Anlage in den Verfassern jener Bücher bestimmte. Kant beruft sich darauf 1), daſs es mit allen alten und neuen, zum Theil in heiligen Büchern abgefaſsten Glaubensarten jederzeit so sei gehalten worden, daſs verständige und wohldenkende Volkslehrer sie so lange gedeutet haben, bis sie dieselben ihrem wesentlichen Inhalte nach mit den allgemeinen moralischen Glaubenssätzen in Übereinstimmung brachten. So haben es die Moralphilosophen unter den Griechen und Römern mit ihrer fabelhaften Götterlehre ge- 1) Religion innerhalb der Grenzen der blossen Vernunft, drit- tes Stück. No. VI: Der Kirchenglaube hat zu seinem höch- sten Ausleger den reinen Religionsglauben.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/49>, abgerufen am 22.11.2024.