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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Drittes Kapitel. §. 55.
tullian verwehrt 15), ein illudere per caliginem, wie in jenen
beiden Fällen, annehmen will. Also auch in diesem Stük-
ke ist der einfachere Schluss bei den beiden ersten Evan-
gelisten vorzuziehen, dass Jesus, durch den Unglauben der
Nazaretaner an weiterer Wirksamkeit verhindert, seine
undankbare Vaterstadt verlassen habe.

§. 55.
Abweichungen der Evangelisten in Bezug auf die Chronologie des
Lebens Jesu. Dauer seiner öffentlichen Wirksamkeit.

Was die Zeitrechnung des öffentlichen Lebens Jesu
betrifft, so muss die Frage nach der Dauer desselben im
Ganzen von der andern nach der Vertheilung der einzel-
nen Begebenheiten innerhalb dieses Zeitraums unterschie-
den werden.

Wie lange die öffentliche Wirksamkeit Jesu gewährt
habe, wird von keinem unsrer Evangelisten ausdrücklich
gesagt; doch während uns die Synoptiker auch zu einem
Schluss auf jene Dauer nichts an die Hand geben, finden
wir bei Johannes einige Data, welche uns zu einem sol-
chen Schlusse zu berechtigen scheinen. Bei den Synoptikern
ist keine Andeutung, wie lange nach Jesu Taufe seine Ge-
fangennehmung und Hinrichtung vorgefallen; nirgends sind
Monate und Jahre unterschieden, und wenn es ein und
das andremal heisst: meth' emeras ex oder duo (Matth. 17, 1.
26, 2.), so können diese einzelnen festen Punkte in der
allgemeinen Unbestimmtheit, in welcher sie schwimmen,
durchaus keinen sichern Halt gewähren. Das vierte Evan-
gelium dagegen giebt uns eben durch jene Festreisen Jesu,
durch deren Mehrzahl es sich von den übrigen unterschei-
det, zugleich chronologische Anhaltspunkte an die Hand,
indem, so oft Jesus auf einem dieser jährigen Feste und
namentlich auf dem Paschafest erschienen ist, so viele volle

15) adv. Marcion. 4, 8.

Drittes Kapitel. §. 55.
tullian verwehrt 15), ein illudere per caliginem, wie in jenen
beiden Fällen, annehmen will. Also auch in diesem Stük-
ke ist der einfachere Schluſs bei den beiden ersten Evan-
gelisten vorzuziehen, daſs Jesus, durch den Unglauben der
Nazaretaner an weiterer Wirksamkeit verhindert, seine
undankbare Vaterstadt verlassen habe.

§. 55.
Abweichungen der Evangelisten in Bezug auf die Chronologie des
Lebens Jesu. Dauer seiner öffentlichen Wirksamkeit.

Was die Zeitrechnung des öffentlichen Lebens Jesu
betrifft, so muſs die Frage nach der Dauer desselben im
Ganzen von der andern nach der Vertheilung der einzel-
nen Begebenheiten innerhalb dieses Zeitraums unterschie-
den werden.

Wie lange die öffentliche Wirksamkeit Jesu gewährt
habe, wird von keinem unsrer Evangelisten ausdrücklich
gesagt; doch während uns die Synoptiker auch zu einem
Schluſs auf jene Dauer nichts an die Hand geben, finden
wir bei Johannes einige Data, welche uns zu einem sol-
chen Schlusse zu berechtigen scheinen. Bei den Synoptikern
ist keine Andeutung, wie lange nach Jesu Taufe seine Ge-
fangennehmung und Hinrichtung vorgefallen; nirgends sind
Monate und Jahre unterschieden, und wenn es ein und
das andremal heiſst: μεϑ' ἡμέρας ἒξ oder δύο (Matth. 17, 1.
26, 2.), so können diese einzelnen festen Punkte in der
allgemeinen Unbestimmtheit, in welcher sie schwimmen,
durchaus keinen sichern Halt gewähren. Das vierte Evan-
gelium dagegen giebt uns eben durch jene Festreisen Jesu,
durch deren Mehrzahl es sich von den übrigen unterschei-
det, zugleich chronologische Anhaltspunkte an die Hand,
indem, so oft Jesus auf einem dieser jährigen Feste und
namentlich auf dem Paschafest erschienen ist, so viele volle

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[453/0477] Drittes Kapitel. §. 55. tullian verwehrt 15), ein illudere per caliginem, wie in jenen beiden Fällen, annehmen will. Also auch in diesem Stük- ke ist der einfachere Schluſs bei den beiden ersten Evan- gelisten vorzuziehen, daſs Jesus, durch den Unglauben der Nazaretaner an weiterer Wirksamkeit verhindert, seine undankbare Vaterstadt verlassen habe. §. 55. Abweichungen der Evangelisten in Bezug auf die Chronologie des Lebens Jesu. Dauer seiner öffentlichen Wirksamkeit. Was die Zeitrechnung des öffentlichen Lebens Jesu betrifft, so muſs die Frage nach der Dauer desselben im Ganzen von der andern nach der Vertheilung der einzel- nen Begebenheiten innerhalb dieses Zeitraums unterschie- den werden. Wie lange die öffentliche Wirksamkeit Jesu gewährt habe, wird von keinem unsrer Evangelisten ausdrücklich gesagt; doch während uns die Synoptiker auch zu einem Schluſs auf jene Dauer nichts an die Hand geben, finden wir bei Johannes einige Data, welche uns zu einem sol- chen Schlusse zu berechtigen scheinen. Bei den Synoptikern ist keine Andeutung, wie lange nach Jesu Taufe seine Ge- fangennehmung und Hinrichtung vorgefallen; nirgends sind Monate und Jahre unterschieden, und wenn es ein und das andremal heiſst: μεϑ' ἡμέρας ἒξ oder δύο (Matth. 17, 1. 26, 2.), so können diese einzelnen festen Punkte in der allgemeinen Unbestimmtheit, in welcher sie schwimmen, durchaus keinen sichern Halt gewähren. Das vierte Evan- gelium dagegen giebt uns eben durch jene Festreisen Jesu, durch deren Mehrzahl es sich von den übrigen unterschei- det, zugleich chronologische Anhaltspunkte an die Hand, indem, so oft Jesus auf einem dieser jährigen Feste und namentlich auf dem Paschafest erschienen ist, so viele volle 15) adv. Marcion. 4, 8.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/477>, abgerufen am 22.11.2024.