Sämmtliche Erzählungen veranlassen zunächst zu kei- ner andern Auffassung, als dass alles Angegebene äusser- lich sichtbar und hörbar vor sich gegangen, und so sind sie desswegen von jeher von der Mehrheit der Ausleger verstanden worden. Will man sich aber die Sache als wirklich so geschehen vorstellen: so stösst die gebildete Reflexion auf nicht unbedeutende Schwierigkeiten. Erst- lich, dass bei der Erscheinung eines göttlichen Wesens auf der Erde sich erst der Himmel aufthun müsse, um dem- selben das Heruntersteigen aus seinem gewöhnlichen Sitze möglich zu machen, diess kann doch wohl nichts Objekti- ves, sondern nur subjektive Vorstellung einer Zeit sein, welche den Wohnplatz Gottes über dem festen Himmelsge- wölbe sich dachte. Ferner, wie ist es mit richtigen Be- griffen von dem heiligen Geiste, als der göttlichen, Alles erfüllenden Kraft, zu vereinigen, dass sich derselbe, wie ein endliches Wesen, von einem Orte zum andern bewe- gen, und vollends gar in einer Taube sich verkörpern solle? Endlich aber, dass Gott menschlich articulirte Töne in ei- ner bestimmten Landessprache von sich gegeben habe, hat man mit Recht selbst abenteuerlich gefunden 3).
Schon in der alten Kirche waren daher gebildetere Väter namentlich in Bezug auf die in der biblischen Ge- schichte sich findenden Gottesstimmen auf die Ansicht ge- kommen, dass sie nicht eigentlich äussere, durch Bewe- gung der Luft entstandene Töne, sondern innerliche Ein- drücke gewesen seien, welche Gott im Gemüthe derjeni- gen, denen er sich mittheilen wollte, hervorgebracht ha- be 4), und so behaupteten auch von der Erscheinung bei
hannes, die Taufe und Versuchung Christi, in Ullmann's und Umbreit's theol. Studien und Kritiken, 2ten Bandes drittes Heft, S. 442 ff.
3)Bauer, hebr. Mythologie 2, S. 225 f. vgl. Gratz, Commentar zum Evang. Matth. 1, S. 172 ff.
4) So Basil. M. in Suicer's Thesaurus 2, S. 1479.
Zweiter Abschnitt.
Sämmtliche Erzählungen veranlassen zunächst zu kei- ner andern Auffassung, als daſs alles Angegebene äusser- lich sichtbar und hörbar vor sich gegangen, und so sind sie deſswegen von jeher von der Mehrheit der Ausleger verstanden worden. Will man sich aber die Sache als wirklich so geschehen vorstellen: so stöſst die gebildete Reflexion auf nicht unbedeutende Schwierigkeiten. Erst- lich, daſs bei der Erscheinung eines göttlichen Wesens auf der Erde sich erst der Himmel aufthun müsse, um dem- selben das Heruntersteigen aus seinem gewöhnlichen Sitze möglich zu machen, dieſs kann doch wohl nichts Objekti- ves, sondern nur subjektive Vorstellung einer Zeit sein, welche den Wohnplatz Gottes über dem festen Himmelsge- wölbe sich dachte. Ferner, wie ist es mit richtigen Be- griffen von dem heiligen Geiste, als der göttlichen, Alles erfüllenden Kraft, zu vereinigen, daſs sich derselbe, wie ein endliches Wesen, von einem Orte zum andern bewe- gen, und vollends gar in einer Taube sich verkörpern solle? Endlich aber, daſs Gott menschlich articulirte Töne in ei- ner bestimmten Landessprache von sich gegeben habe, hat man mit Recht selbst abenteuerlich gefunden 3).
Schon in der alten Kirche waren daher gebildetere Väter namentlich in Bezug auf die in der biblischen Ge- schichte sich findenden Gottesstimmen auf die Ansicht ge- kommen, daſs sie nicht eigentlich äussere, durch Bewe- gung der Luft entstandene Töne, sondern innerliche Ein- drücke gewesen seien, welche Gott im Gemüthe derjeni- gen, denen er sich mittheilen wollte, hervorgebracht ha- be 4), und so behaupteten auch von der Erscheinung bei
hannes, die Taufe und Versuchung Christi, in Ullmann's und Umbreit's theol. Studien und Kritiken, 2ten Bandes drittes Heft, S. 442 ff.
3)Bauer, hebr. Mythologie 2, S. 225 f. vgl. Gratz, Commentar zum Evang. Matth. 1, S. 172 ff.
4) So Basil. M. in Suicer's Thesaurus 2, S. 1479.
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Zweiter Abschnitt.
Sämmtliche Erzählungen veranlassen zunächst zu kei-
ner andern Auffassung, als daſs alles Angegebene äusser-
lich sichtbar und hörbar vor sich gegangen, und so sind
sie deſswegen von jeher von der Mehrheit der Ausleger
verstanden worden. Will man sich aber die Sache als
wirklich so geschehen vorstellen: so stöſst die gebildete
Reflexion auf nicht unbedeutende Schwierigkeiten. Erst-
lich, daſs bei der Erscheinung eines göttlichen Wesens auf
der Erde sich erst der Himmel aufthun müsse, um dem-
selben das Heruntersteigen aus seinem gewöhnlichen Sitze
möglich zu machen, dieſs kann doch wohl nichts Objekti-
ves, sondern nur subjektive Vorstellung einer Zeit sein,
welche den Wohnplatz Gottes über dem festen Himmelsge-
wölbe sich dachte. Ferner, wie ist es mit richtigen Be-
griffen von dem heiligen Geiste, als der göttlichen, Alles
erfüllenden Kraft, zu vereinigen, daſs sich derselbe, wie
ein endliches Wesen, von einem Orte zum andern bewe-
gen, und vollends gar in einer Taube sich verkörpern solle?
Endlich aber, daſs Gott menschlich articulirte Töne in ei-
ner bestimmten Landessprache von sich gegeben habe, hat
man mit Recht selbst abenteuerlich gefunden 3).
Schon in der alten Kirche waren daher gebildetere
Väter namentlich in Bezug auf die in der biblischen Ge-
schichte sich findenden Gottesstimmen auf die Ansicht ge-
kommen, daſs sie nicht eigentlich äussere, durch Bewe-
gung der Luft entstandene Töne, sondern innerliche Ein-
drücke gewesen seien, welche Gott im Gemüthe derjeni-
gen, denen er sich mittheilen wollte, hervorgebracht ha-
be 4), und so behaupteten auch von der Erscheinung bei
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3) Bauer, hebr. Mythologie 2, S. 225 f. vgl. Gratz, Commentar
zum Evang. Matth. 1, S. 172 ff.
4) So Basil. M. in Suicer's Thesaurus 2, S. 1479.
2) hannes, die Taufe und Versuchung Christi, in Ullmann's und
Umbreit's theol. Studien und Kritiken, 2ten Bandes drittes
Heft, S. 442 ff.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/400>, abgerufen am 22.11.2024.
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