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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Erstes Kapitel. §. 43.
tet Jesus: ego men udati baptizo umas; erkhetai de o iskhu-
roteros mou, ou ouk eimi ikanos lusai ton imanta ton upode-
maton autou, -- nach Johannes erwiedert er gleichfalls: ego
baptizo en udati; mesos de umon eseken, on umeis ouk oidate
-- ou ego ouk eimi axios ina luso autou ton imanta tou upode-
matos, worauf dann bei Johannes noch die ihm eigenthüm-
lichen Aussprüche über Jesu Präexistenz folgen, statt de-
ren Lukas eine Erwähnung der messianischen Geistestaufe
hat, welche Johannes erst bei einer späteren Gelegenheit
(V. 33.) nachholt. Wie aber Lukas diese ganze Scene
in der Absicht und mit der Bedeutung einrückt, die Mes-
sianität Jesu auch dadurch zu begründen, dass der Täu-
fer sie von sich abgelehnt und auf einen nach ihm Kom-
menden übergetragen habe: so hat sie, nur mit noch stärke-
rem Gewicht, dieselbe Bedeutung auch bei Johannes. Liegt
nun den beiden so verwandten Erzählungen schwerlich
mehr als Ein Vorfall zum Grunde 4), so fragt sich, wel-
che ihn getreuer wiedergiebt? Hier ist in der Darstellung
des Lukas keine innere Unwahrscheinlichkeit, vielmehr
lässt sich leicht denken, wie das um den Täufer geschaarte
Volk den Mann, der die Annäherung des Messiasreichs
verkündigte und mit Beziehung auf dasselbe taufte, in be-
geisterten Augenblicken für den Messias selber halten
mochte. Dass dagegen die Synedristen aus Jerusalem zu
6ohannes an den Jordan geschickt haben sollten, um ihn
so wie der vierte Evangelist erzählt, fragen zu lassen, ob
er der Messias sei, kann schon nicht ebenso natürlich er-
scheinen. Der Zweck ihrer Frage könnte nur der gewe-

4) Auch Lücke gesteht (S. 339 seines Comm.) zu, die Ansicht
von der Identität beider Relationen habe vielen Schein für
sich; dass er selbst (S. 342.) sich für die Verschiedenheit
erklärt, hat seinen Grund nur in dem eingestandenen Wun-
sche, beide evangelische Erzählungen in ihrem Werthe zu
erhalten.

Erstes Kapitel. §. 43.
tet Jesus: ἐγὼ μὲν ὕδατι βαπτίζω ὑμᾶς· ἔρχεται δὲ ὁ ίσχυ-
ρότερός μου, οὖ οὐκ εἰμὶ ἱκανὸς λῦσαι τὸν ίμάντα τῶν ὑποδη-
μάτων αὐτοῦ, — nach Johannes erwiedert er gleichfalls: ἐγὼ
βαπτίζω ἐν ὔδατι· μέσος δὲ ὑμῶν ἔςηκεν, ὃν ὑμεῖς οὐκ οἴδατε
— οὖ ἐγὼ οὐκ εἰμὶ ἄξιος ἴνα λύσω αὐτοῦ τὸν ἱμάντα τοῦ ὑποδή-
ματος, worauf dann bei Johannes noch die ihm eigenthüm-
lichen Aussprüche über Jesu Präexistenz folgen, statt de-
ren Lukas eine Erwähnung der messianischen Geistestaufe
hat, welche Johannes erst bei einer späteren Gelegenheit
(V. 33.) nachholt. Wie aber Lukas diese ganze Scene
in der Absicht und mit der Bedeutung einrückt, die Mes-
sianität Jesu auch dadurch zu begründen, daſs der Täu-
fer sie von sich abgelehnt und auf einen nach ihm Kom-
menden übergetragen habe: so hat sie, nur mit noch stärke-
rem Gewicht, dieselbe Bedeutung auch bei Johannes. Liegt
nun den beiden so verwandten Erzählungen schwerlich
mehr als Ein Vorfall zum Grunde 4), so fragt sich, wel-
che ihn getreuer wiedergiebt? Hier ist in der Darstellung
des Lukas keine innere Unwahrscheinlichkeit, vielmehr
läſst sich leicht denken, wie das um den Täufer geschaarte
Volk den Mann, der die Annäherung des Messiasreichs
verkündigte und mit Beziehung auf dasselbe taufte, in be-
geisterten Augenblicken für den Messias selber halten
mochte. Daſs dagegen die Synedristen aus Jerusalem zu
6ohannes an den Jordan geschickt haben sollten, um ihn
so wie der vierte Evangelist erzählt, fragen zu lassen, ob
er der Messias sei, kann schon nicht ebenso natürlich er-
scheinen. Der Zweck ihrer Frage könnte nur der gewe-

4) Auch Lücke gesteht (S. 339 seines Comm.) zu, die Ansicht
von der Identität beider Relationen habe vielen Schein für
sich; dass er selbst (S. 342.) sich für die Verschiedenheit
erklärt, hat seinen Grund nur in dem eingestandenen Wun-
sche, beide evangelische Erzählungen in ihrem Werthe zu
erhalten.
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[357/0381] Erstes Kapitel. §. 43. tet Jesus: ἐγὼ μὲν ὕδατι βαπτίζω ὑμᾶς· ἔρχεται δὲ ὁ ίσχυ- ρότερός μου, οὖ οὐκ εἰμὶ ἱκανὸς λῦσαι τὸν ίμάντα τῶν ὑποδη- μάτων αὐτοῦ, — nach Johannes erwiedert er gleichfalls: ἐγὼ βαπτίζω ἐν ὔδατι· μέσος δὲ ὑμῶν ἔςηκεν, ὃν ὑμεῖς οὐκ οἴδατε — οὖ ἐγὼ οὐκ εἰμὶ ἄξιος ἴνα λύσω αὐτοῦ τὸν ἱμάντα τοῦ ὑποδή- ματος, worauf dann bei Johannes noch die ihm eigenthüm- lichen Aussprüche über Jesu Präexistenz folgen, statt de- ren Lukas eine Erwähnung der messianischen Geistestaufe hat, welche Johannes erst bei einer späteren Gelegenheit (V. 33.) nachholt. Wie aber Lukas diese ganze Scene in der Absicht und mit der Bedeutung einrückt, die Mes- sianität Jesu auch dadurch zu begründen, daſs der Täu- fer sie von sich abgelehnt und auf einen nach ihm Kom- menden übergetragen habe: so hat sie, nur mit noch stärke- rem Gewicht, dieselbe Bedeutung auch bei Johannes. Liegt nun den beiden so verwandten Erzählungen schwerlich mehr als Ein Vorfall zum Grunde 4), so fragt sich, wel- che ihn getreuer wiedergiebt? Hier ist in der Darstellung des Lukas keine innere Unwahrscheinlichkeit, vielmehr läſst sich leicht denken, wie das um den Täufer geschaarte Volk den Mann, der die Annäherung des Messiasreichs verkündigte und mit Beziehung auf dasselbe taufte, in be- geisterten Augenblicken für den Messias selber halten mochte. Daſs dagegen die Synedristen aus Jerusalem zu 6ohannes an den Jordan geschickt haben sollten, um ihn so wie der vierte Evangelist erzählt, fragen zu lassen, ob er der Messias sei, kann schon nicht ebenso natürlich er- scheinen. Der Zweck ihrer Frage könnte nur der gewe- 4) Auch Lücke gesteht (S. 339 seines Comm.) zu, die Ansicht von der Identität beider Relationen habe vielen Schein für sich; dass er selbst (S. 342.) sich für die Verschiedenheit erklärt, hat seinen Grund nur in dem eingestandenen Wun- sche, beide evangelische Erzählungen in ihrem Werthe zu erhalten.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/381>, abgerufen am 18.05.2024.