10, 4. Kol. 1, 15 f.) und den Rabbinen 18), und wenn sie auch ursprünglich alexandrinisch gewesen wäre, was Bret- schneider gegen unsre Stelle geltend macht 19): so fragt sich, ob nicht auch schon vor Christi Zeit die alexandri- nisch-jüdische Theologie auf die Ansichten des Mutterlands von Einfluss war? 20) Also auch diese Aussprüche ent- scheiden für sich noch nichts, ob es gleich bedenklich zu werden anfängt, dem Täufer, der sonst nur dafür bekannt ist, die praktische Seite an der Idee des Messiasreichs her- vorgekehrt zu haben, von dem einzigen vierten Evangeli- sten zwei Begriffe, welche in jener Zeit ohne Zweifel nur der tiefsten messianischen Speculation angehörten, zugeschrie- ben zu sehen, und zwar in solcher Weise, dass jedenfalls die Form, in welcher er sie ausdrückt, zu johanneisch ist, um nicht auf Rechnung dieses Evangelisten geschrieben werden zu müssen.
Von dieser letzten Seite vollendet sich nun das Resul- tat, wenn wir noch die Stelle Joh. 3, 27--36. in Betracht ziehen, wo der Täufer auf die Klage einiger Jünger über den Abbruch, den Jesu Taufe der ihrigen thue, auf eine Weise antwortet, welche alle Ausleger in Verle- genheit setzt. Nachdem er sich nämlich darüber erklärt hatte, wie es in ihrer beiderseitigen Bestimmung, über welche er nicht hinauszuschreiten verlange, begründet sei, dass er abnehmen, Jesus aber zunehmen müsse, fährt er von V. 31. an in Formeln fort, welche ganz dieselben sind mit denjenigen, in welchen sonst der vierte Evange- list Jesum selbst von sich reden lässt, oder seine eigenen Gedanken über Jesum ausdrückt; namentlich, wie auch
18) s. Bertholdt, Christologia Judaeorum Jesu apostolorumque aetate, §§. 23--25.
19) Probabilia S. 41.
20) s. Gfrörer, Philo und die alexandr. Theosophie, 2. Thl. von S. 280 an.
Erstes Kapitel. §. 42.
10, 4. Kol. 1, 15 f.) und den Rabbinen 18), und wenn sie auch ursprünglich alexandrinisch gewesen wäre, was Bret- schneider gegen unsre Stelle geltend macht 19): so fragt sich, ob nicht auch schon vor Christi Zeit die alexandri- nisch-jüdische Theologie auf die Ansichten des Mutterlands von Einfluss war? 20) Also auch diese Aussprüche ent- scheiden für sich noch nichts, ob es gleich bedenklich zu werden anfängt, dem Täufer, der sonst nur dafür bekannt ist, die praktische Seite an der Idee des Messiasreichs her- vorgekehrt zu haben, von dem einzigen vierten Evangeli- sten zwei Begriffe, welche in jener Zeit ohne Zweifel nur der tiefsten messianischen Speculation angehörten, zugeschrie- ben zu sehen, und zwar in solcher Weise, daſs jedenfalls die Form, in welcher er sie ausdrückt, zu johanneisch ist, um nicht auf Rechnung dieses Evangelisten geschrieben werden zu müssen.
Von dieser letzten Seite vollendet sich nun das Resul- tat, wenn wir noch die Stelle Joh. 3, 27—36. in Betracht ziehen, wo der Täufer auf die Klage einiger Jünger über den Abbruch, den Jesu Taufe der ihrigen thue, auf eine Weise antwortet, welche alle Ausleger in Verle- genheit setzt. Nachdem er sich nämlich darüber erklärt hatte, wie es in ihrer beiderseitigen Bestimmung, über welche er nicht hinauszuschreiten verlange, begründet sei, daſs er abnehmen, Jesus aber zunehmen müsse, fährt er von V. 31. an in Formeln fort, welche ganz dieselben sind mit denjenigen, in welchen sonst der vierte Evange- list Jesum selbst von sich reden läſst, oder seine eigenen Gedanken über Jesum ausdrückt; namentlich, wie auch
18) s. Bertholdt, Christologia Judaeorum Jesu apostolorumque aetate, §§. 23—25.
19) Probabilia S. 41.
20) s. Gfrörer, Philo und die alexandr. Theosophie, 2. Thl. von S. 280 an.
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Erstes Kapitel. §. 42.
10, 4. Kol. 1, 15 f.) und den Rabbinen 18), und wenn sie
auch ursprünglich alexandrinisch gewesen wäre, was Bret-
schneider gegen unsre Stelle geltend macht 19): so fragt
sich, ob nicht auch schon vor Christi Zeit die alexandri-
nisch-jüdische Theologie auf die Ansichten des Mutterlands
von Einfluss war? 20) Also auch diese Aussprüche ent-
scheiden für sich noch nichts, ob es gleich bedenklich zu
werden anfängt, dem Täufer, der sonst nur dafür bekannt
ist, die praktische Seite an der Idee des Messiasreichs her-
vorgekehrt zu haben, von dem einzigen vierten Evangeli-
sten zwei Begriffe, welche in jener Zeit ohne Zweifel nur der
tiefsten messianischen Speculation angehörten, zugeschrie-
ben zu sehen, und zwar in solcher Weise, daſs jedenfalls
die Form, in welcher er sie ausdrückt, zu johanneisch ist,
um nicht auf Rechnung dieses Evangelisten geschrieben
werden zu müssen.
Von dieser letzten Seite vollendet sich nun das Resul-
tat, wenn wir noch die Stelle Joh. 3, 27—36. in Betracht
ziehen, wo der Täufer auf die Klage einiger Jünger über
den Abbruch, den Jesu Taufe der ihrigen thue, auf
eine Weise antwortet, welche alle Ausleger in Verle-
genheit setzt. Nachdem er sich nämlich darüber erklärt
hatte, wie es in ihrer beiderseitigen Bestimmung, über
welche er nicht hinauszuschreiten verlange, begründet sei,
daſs er abnehmen, Jesus aber zunehmen müsse, fährt
er von V. 31. an in Formeln fort, welche ganz dieselben
sind mit denjenigen, in welchen sonst der vierte Evange-
list Jesum selbst von sich reden läſst, oder seine eigenen
Gedanken über Jesum ausdrückt; namentlich, wie auch
18) s. Bertholdt, Christologia Judaeorum Jesu apostolorumque
aetate, §§. 23—25.
19) Probabilia S. 41.
20) s. Gfrörer, Philo und die alexandr. Theosophie, 2. Thl. von
S. 280 an.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/365>, abgerufen am 25.11.2024.
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