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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Erster Abschnitt.
den Einrichtungen ihrer geheimen Bünde bekannt 17). --
Nachdem dieses Bundschmecken wenigstens bei unsern
Schriftstellern in Abgang gekommen, hat man auch das
Phantastische und Willkührliche solcher Hypothesen ein-
gesehen, und sich dahin entschieden, zur Erklärung dessen,
was Jesus geworden, sich auf diejenigen Bildungsmittel zu
beschränken, welche einem Israeliten zu Jesu Zeit im A. T.
und dessen Auslegungen, in dem Verkehr mit seinen Volks-
genossen und den Mitgliedern der verschiedenen Sekten,
und in dem Zusammenfluss von Fremden von allen mögli-
chen Bildungsformen und Ansichten bei den Festen zu Je-
rusalem gegeben war; wobei aber, wie man jetzt anerkennt,
das Meiste die eigene hohe Begabung und welthistorische
Bestimmung Jesu thun mussten 18).

Doch da unser Absehen nur auf kritische Prüfung der
N. T.lichen Nachrichten über das Leben Jesu, nicht aber
auf pragmatische Ergänzung derselben geht: so haben wir
uns auf diese muthmasslichen Hebel der Bildung Jesu, über
welche unsre Quellen keine Aussage enthalten, nicht weiter
einzulassen, sondern uns auf diejenigen Punkte zu beschrän-
ken, welche das N. T. selbst als solche Hebel namhaft macht.
Sehen wir nun von der schon beurtheilten Kindheitsgeschichte
ab, so lassen unsre Evangelien nur Eine Erscheinung in die
Entwicklung der Thätigkeit Jesu eingreifen, nämlich die des
Täufers Johannes. Da aber der Wirksamkeit dieses Man-
nes erst in Verbindung mit der Taufe und dem öffentlichen
Auftreten Jesu von den Evangelien gedacht wird: so wol-
len wir das ihn und sein Verhältniss zu Jesu Betreffende
nicht mehr hier abhandeln, sondern mit der Untersuchung
darüber den zweiten Abschnitt eröffnen.


17) Briefe über die Bibel, zweites Bändchen, 18ter, 20ster Brief
und ff. 4tes Bändchen, 49ster Brief.
18) So Paulus a. a. O. 1, a, 273 ff. Planck, Geschichte des Chri-
stenthums in der Periode seiner ersten Einführung 1, S. 84.
de Wette, bibl. Dogm. §. 212. Hase L. J. §. 41. Winer,
bibl. Realw. S. 677 f.

Erster Abschnitt.
den Einrichtungen ihrer geheimen Bünde bekannt 17). —
Nachdem dieses Bundschmecken wenigstens bei unsern
Schriftstellern in Abgang gekommen, hat man auch das
Phantastische und Willkührliche solcher Hypothesen ein-
gesehen, und sich dahin entschieden, zur Erklärung dessen,
was Jesus geworden, sich auf diejenigen Bildungsmittel zu
beschränken, welche einem Israëliten zu Jesu Zeit im A. T.
und dessen Auslegungen, in dem Verkehr mit seinen Volks-
genossen und den Mitgliedern der verschiedenen Sekten,
und in dem Zusammenfluss von Fremden von allen mögli-
chen Bildungsformen und Ansichten bei den Festen zu Je-
rusalem gegeben war; wobei aber, wie man jetzt anerkennt,
das Meiste die eigene hohe Begabung und welthistorische
Bestimmung Jesu thun muſsten 18).

Doch da unser Absehen nur auf kritische Prüfung der
N. T.lichen Nachrichten über das Leben Jesu, nicht aber
auf pragmatische Ergänzung derselben geht: so haben wir
uns auf diese muthmaſslichen Hebel der Bildung Jesu, über
welche unsre Quellen keine Aussage enthalten, nicht weiter
einzulassen, sondern uns auf diejenigen Punkte zu beschrän-
ken, welche das N. T. selbst als solche Hebel namhaft macht.
Sehen wir nun von der schon beurtheilten Kindheitsgeschichte
ab, so lassen unsre Evangelien nur Eine Erscheinung in die
Entwicklung der Thätigkeit Jesu eingreifen, nämlich die des
Täufers Johannes. Da aber der Wirksamkeit dieses Man-
nes erst in Verbindung mit der Taufe und dem öffentlichen
Auftreten Jesu von den Evangelien gedacht wird: so wol-
len wir das ihn und sein Verhältniss zu Jesu Betreffende
nicht mehr hier abhandeln, sondern mit der Untersuchung
darüber den zweiten Abschnitt eröffnen.


17) Briefe über die Bibel, zweites Bändchen, 18ter, 20ster Brief
und ff. 4tes Bändchen, 49ster Brief.
18) So Paulus a. a. O. 1, a, 273 ff. Planck, Geschichte des Chri-
stenthums in der Periode seiner ersten Einführung 1, S. 84.
de Wette, bibl. Dogm. §. 212. Hase L. J. §. 41. Winer,
bibl. Realw. S. 677 f.
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[306/0330] Erster Abschnitt. den Einrichtungen ihrer geheimen Bünde bekannt 17). — Nachdem dieses Bundschmecken wenigstens bei unsern Schriftstellern in Abgang gekommen, hat man auch das Phantastische und Willkührliche solcher Hypothesen ein- gesehen, und sich dahin entschieden, zur Erklärung dessen, was Jesus geworden, sich auf diejenigen Bildungsmittel zu beschränken, welche einem Israëliten zu Jesu Zeit im A. T. und dessen Auslegungen, in dem Verkehr mit seinen Volks- genossen und den Mitgliedern der verschiedenen Sekten, und in dem Zusammenfluss von Fremden von allen mögli- chen Bildungsformen und Ansichten bei den Festen zu Je- rusalem gegeben war; wobei aber, wie man jetzt anerkennt, das Meiste die eigene hohe Begabung und welthistorische Bestimmung Jesu thun muſsten 18). Doch da unser Absehen nur auf kritische Prüfung der N. T.lichen Nachrichten über das Leben Jesu, nicht aber auf pragmatische Ergänzung derselben geht: so haben wir uns auf diese muthmaſslichen Hebel der Bildung Jesu, über welche unsre Quellen keine Aussage enthalten, nicht weiter einzulassen, sondern uns auf diejenigen Punkte zu beschrän- ken, welche das N. T. selbst als solche Hebel namhaft macht. Sehen wir nun von der schon beurtheilten Kindheitsgeschichte ab, so lassen unsre Evangelien nur Eine Erscheinung in die Entwicklung der Thätigkeit Jesu eingreifen, nämlich die des Täufers Johannes. Da aber der Wirksamkeit dieses Man- nes erst in Verbindung mit der Taufe und dem öffentlichen Auftreten Jesu von den Evangelien gedacht wird: so wol- len wir das ihn und sein Verhältniss zu Jesu Betreffende nicht mehr hier abhandeln, sondern mit der Untersuchung darüber den zweiten Abschnitt eröffnen. 17) Briefe über die Bibel, zweites Bändchen, 18ter, 20ster Brief und ff. 4tes Bändchen, 49ster Brief. 18) So Paulus a. a. O. 1, a, 273 ff. Planck, Geschichte des Chri- stenthums in der Periode seiner ersten Einführung 1, S. 84. de Wette, bibl. Dogm. §. 212. Hase L. J. §. 41. Winer, bibl. Realw. S. 677 f.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/330>, abgerufen am 17.05.2024.