Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Fünftes Kapitel. §. 39. jene Ähnlichkeit beweist ohnehin für sich noch keineswegseinen engeren Zusammenhang Jesu mit dem genannten Or- den, wovon uns jede wirkliche Anzeige fehlt. Während übrigens Stäudlin noch Differenzen zwischen den Grund- sätzen Jesu und den essenischen zugiebt, und ohne zu entscheiden, ob Johannes und Jesus wirklich bestellte Emissäre der Essenergesellschaft gewesen seien, nur den Plan Jesu zu den Geheimnissen des obersten Grades in je- nem Orden rechnet: so haben Andere, wie der Verfasser der natürlichen Geschichte des Propheten von Nazaret, diese Grenzen der Vorsicht weit überschritten. Schon bei der Reise nach Ägypten lässt dieser Verf. den Joseph mit Essenern bekannt werden; später wird Jesus sammt dem jungen Johannes in den essenischen Orden aufgenommen, wo er Verwerfung der Opfer, unverbrüchlichen Gehorsam gegen die Obrigkeit, Wohlwollen auch gegen Heiden, lernt, und na- mentlich auch viele, damals noch geheime, Kenntnisse in Na- tur- und Heilkunde sich erwirbt. Nach Ablauf der Pro- bezeit entscheidet sich hierauf Johannes für das einsame, Jesus für das gesellige Leben im Dienste des Ordens, beide auf die Gelegenheit wartend, für die Zwecke desselben und seiner geheimen Unterstützung gewiss in Verbindung miteinander öffentlich aufzutreten 16). -- Weniger auf ein einzelnes der damals gegebenen Bildungsmomente hat sich Bahrdt beschränkt, dafür aber alles Mögliche und Un- mögliche bunt durcheinander gemischt. Von durchreisen- den Persern bekommt schon der Knabe Jesus gewisse Medikamente und Recepte; von alexandrinischen Juden und aufgeklärten Priestern, die er bei seinen auch schon vor dem 12ten Jahr unternommenen Festreisen kennen lernt, wird ihm ein freierer Blick in religiösen Dingen eröffnet, und von einem der Ersteren sogar ein sokratischer Dialog eingehändigt; ägyptische Priester endlich machen ihn mit 16) s. Band 1. Das Leben Jesu I. Band. 20
Fünftes Kapitel. §. 39. jene Ähnlichkeit beweist ohnehin für sich noch keineswegseinen engeren Zusammenhang Jesu mit dem genannten Or- den, wovon uns jede wirkliche Anzeige fehlt. Während übrigens Stäudlin noch Differenzen zwischen den Grund- sätzen Jesu und den essenischen zugiebt, und ohne zu entscheiden, ob Johannes und Jesus wirklich bestellte Emissäre der Essenergesellschaft gewesen seien, nur den Plan Jesu zu den Geheimnissen des obersten Grades in je- nem Orden rechnet: so haben Andere, wie der Verfasser der natürlichen Geschichte des Propheten von Nazaret, diese Grenzen der Vorsicht weit überschritten. Schon bei der Reise nach Ägypten läſst dieser Verf. den Joseph mit Essenern bekannt werden; später wird Jesus sammt dem jungen Johannes in den essenischen Orden aufgenommen, wo er Verwerfung der Opfer, unverbrüchlichen Gehorsam gegen die Obrigkeit, Wohlwollen auch gegen Heiden, lernt, und na- mentlich auch viele, damals noch geheime, Kenntnisse in Na- tur- und Heilkunde sich erwirbt. Nach Ablauf der Pro- bezeit entscheidet sich hierauf Johannes für das einsame, Jesus für das gesellige Leben im Dienste des Ordens, beide auf die Gelegenheit wartend, für die Zwecke desselben und seiner geheimen Unterstützung gewiſs in Verbindung miteinander öffentlich aufzutreten 16). — Weniger auf ein einzelnes der damals gegebenen Bildungsmomente hat sich Bahrdt beschränkt, dafür aber alles Mögliche und Un- mögliche bunt durcheinander gemischt. Von durchreisen- den Persern bekommt schon der Knabe Jesus gewisse Medikamente und Recepte; von alexandrinischen Juden und aufgeklärten Priestern, die er bei seinen auch schon vor dem 12ten Jahr unternommenen Festreisen kennen lernt, wird ihm ein freierer Blick in religiösen Dingen eröffnet, und von einem der Ersteren sogar ein sokratischer Dialog eingehändigt; ägyptische Priester endlich machen ihn mit 16) s. Band 1. Das Leben Jesu I. Band. 20
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Fünftes Kapitel. §. 39.
jene Ähnlichkeit beweist ohnehin für sich noch keineswegs
einen engeren Zusammenhang Jesu mit dem genannten Or-
den, wovon uns jede wirkliche Anzeige fehlt. Während
übrigens Stäudlin noch Differenzen zwischen den Grund-
sätzen Jesu und den essenischen zugiebt, und ohne zu
entscheiden, ob Johannes und Jesus wirklich bestellte
Emissäre der Essenergesellschaft gewesen seien, nur den
Plan Jesu zu den Geheimnissen des obersten Grades in je-
nem Orden rechnet: so haben Andere, wie der Verfasser
der natürlichen Geschichte des Propheten von Nazaret,
diese Grenzen der Vorsicht weit überschritten. Schon bei
der Reise nach Ägypten läſst dieser Verf. den Joseph mit
Essenern bekannt werden; später wird Jesus sammt dem
jungen Johannes in den essenischen Orden aufgenommen, wo
er Verwerfung der Opfer, unverbrüchlichen Gehorsam gegen
die Obrigkeit, Wohlwollen auch gegen Heiden, lernt, und na-
mentlich auch viele, damals noch geheime, Kenntnisse in Na-
tur- und Heilkunde sich erwirbt. Nach Ablauf der Pro-
bezeit entscheidet sich hierauf Johannes für das einsame,
Jesus für das gesellige Leben im Dienste des Ordens, beide
auf die Gelegenheit wartend, für die Zwecke desselben
und seiner geheimen Unterstützung gewiſs in Verbindung
miteinander öffentlich aufzutreten 16). — Weniger auf ein
einzelnes der damals gegebenen Bildungsmomente hat sich
Bahrdt beschränkt, dafür aber alles Mögliche und Un-
mögliche bunt durcheinander gemischt. Von durchreisen-
den Persern bekommt schon der Knabe Jesus gewisse
Medikamente und Recepte; von alexandrinischen Juden und
aufgeklärten Priestern, die er bei seinen auch schon vor
dem 12ten Jahr unternommenen Festreisen kennen lernt,
wird ihm ein freierer Blick in religiösen Dingen eröffnet,
und von einem der Ersteren sogar ein sokratischer Dialog
eingehändigt; ägyptische Priester endlich machen ihn mit
16) s. Band 1.
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