Ihrem ursprünglichen Sinn nach spricht zwar die be- zeichnete Stelle von keinem wirklichen Sterne, sondern vergleicht nur den zu erwartenden Fürsten Israels mit ei- nem solchen, und so wird sie auch noch von dem ange- führten Targum ausgelegt; bald aber machte der steigen- de Glaube an Astrologie, vermöge dessen man jede merk- würdige Begebenheit durch siderische Veränderungen an- gezeigt sich dachte, dass man den Spruch des Bileam nicht mehr bildlich, sondern eigentlich von einem Stern verstand, der zur Zeit des Messias am Himmel erscheinen sollte. Was die Verbreitung des astrologischen Glaubens um die Zeit Jesu betrifft, so glaubte man z. B. die künftige Grös- se des Mithridates durch einen, in den Jahren seiner Ge- burt und seines Regierungsantritts erschienenen Kometen vorbedeutet, 5) und ein bald nach J. Cäsars Tod beobach- teter Komet wurde in genaue Beziehung zu diesem Ereig- niss gesezt 6). Dass diese Vorstellungsweise auch auf die Juden von Einfluss war, erhellt daraus, dass wenigstens spätere jüdische Schriften zur Zeit von Abrahams Geburt einen ausgezeichneten Stern erscheinen lassen 7). Von hier aus lag es denn nahe, auch die Geburt des Messias durch einen Stern verkündigt sich zu denken, zumal ein solcher in dem messianisch gedeuteten Bileamsorakel bereit lag. Wirklich machten die Juden diese Combination; denn rab- binische Vorstellung ist es wenigstens, dass zur Zeit der Geburt des Messias ein Stern im Osten erscheinen und
5) Justin. Hist. 37, 2.
6) Plin. H. N. 2, 23.
7) Jalkut Rubeni, f. 32, 3 (bei Wetstein): qua hora natus est Abrahamus, pater noster, super qu[e]m sit pax, stetit quod- dam sidus in oriente et deglutivit quatuor astra, quae erant in quatuor coeli plagis. Nach einer arabischen Schrift, Ma- allem betitelt, wird dieser die Geburt Abrahams vorbedeu- tende Stern von Nimrod im Traum gesehen. Fabric. Cod. pseudepigr. V. T. 1, S. 345.
Viertes Kapitel. §. 32.
Ihrem ursprünglichen Sinn nach spricht zwar die be- zeichnete Stelle von keinem wirklichen Sterne, sondern vergleicht nur den zu erwartenden Fürsten Israëls mit ei- nem solchen, und so wird sie auch noch von dem ange- führten Targum ausgelegt; bald aber machte der steigen- de Glaube an Astrologie, vermöge dessen man jede merk- würdige Begebenheit durch siderische Veränderungen an- gezeigt sich dachte, daſs man den Spruch des Bileam nicht mehr bildlich, sondern eigentlich von einem Stern verstand, der zur Zeit des Messias am Himmel erscheinen sollte. Was die Verbreitung des astrologischen Glaubens um die Zeit Jesu betrifft, so glaubte man z. B. die künftige Grös- se des Mithridates durch einen, in den Jahren seiner Ge- burt und seines Regierungsantritts erschienenen Kometen vorbedeutet, 5) und ein bald nach J. Cäsars Tod beobach- teter Komet wurde in genaue Beziehung zu diesem Ereig- niſs gesezt 6). Daſs diese Vorstellungsweise auch auf die Juden von Einfluſs war, erhellt daraus, daſs wenigstens spätere jüdische Schriften zur Zeit von Abrahams Geburt einen ausgezeichneten Stern erscheinen lassen 7). Von hier aus lag es denn nahe, auch die Geburt des Messias durch einen Stern verkündigt sich zu denken, zumal ein solcher in dem messianisch gedeuteten Bileamsorakel bereit lag. Wirklich machten die Juden diese Combination; denn rab- binische Vorstellung ist es wenigstens, daſs zur Zeit der Geburt des Messias ein Stern im Osten erscheinen und
5) Justin. Hist. 37, 2.
6) Plin. H. N. 2, 23.
7) Jalkut Rubeni, f. 32, 3 (bei Wetstein): qua hora natus est Abrahamus, pater noster, super qu[e]m sit pax, stetit quod- dam sidus in oriente et deglutivit quatuor astra, quae erant in quatuor coeli plagis. Nach einer arabischen Schrift, Ma- allem betitelt, wird dieser die Geburt Abrahams vorbedeu- tende Stern von Nimrod im Traum gesehen. Fabric. Cod. pseudepigr. V. T. 1, S. 345.
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Viertes Kapitel. §. 32.
Ihrem ursprünglichen Sinn nach spricht zwar die be-
zeichnete Stelle von keinem wirklichen Sterne, sondern
vergleicht nur den zu erwartenden Fürsten Israëls mit ei-
nem solchen, und so wird sie auch noch von dem ange-
führten Targum ausgelegt; bald aber machte der steigen-
de Glaube an Astrologie, vermöge dessen man jede merk-
würdige Begebenheit durch siderische Veränderungen an-
gezeigt sich dachte, daſs man den Spruch des Bileam nicht
mehr bildlich, sondern eigentlich von einem Stern verstand,
der zur Zeit des Messias am Himmel erscheinen sollte.
Was die Verbreitung des astrologischen Glaubens um die
Zeit Jesu betrifft, so glaubte man z. B. die künftige Grös-
se des Mithridates durch einen, in den Jahren seiner Ge-
burt und seines Regierungsantritts erschienenen Kometen
vorbedeutet, 5) und ein bald nach J. Cäsars Tod beobach-
teter Komet wurde in genaue Beziehung zu diesem Ereig-
niſs gesezt 6). Daſs diese Vorstellungsweise auch auf die
Juden von Einfluſs war, erhellt daraus, daſs wenigstens
spätere jüdische Schriften zur Zeit von Abrahams Geburt
einen ausgezeichneten Stern erscheinen lassen 7). Von hier
aus lag es denn nahe, auch die Geburt des Messias durch
einen Stern verkündigt sich zu denken, zumal ein solcher
in dem messianisch gedeuteten Bileamsorakel bereit lag.
Wirklich machten die Juden diese Combination; denn rab-
binische Vorstellung ist es wenigstens, daſs zur Zeit der
Geburt des Messias ein Stern im Osten erscheinen und
5) Justin. Hist. 37, 2.
6) Plin. H. N. 2, 23.
7) Jalkut Rubeni, f. 32, 3 (bei Wetstein): qua hora natus est
Abrahamus, pater noster, super quem sit pax, stetit quod-
dam sidus in oriente et deglutivit quatuor astra, quae erant
in quatuor coeli plagis. Nach einer arabischen Schrift, Ma-
allem betitelt, wird dieser die Geburt Abrahams vorbedeu-
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pseudepigr. V. T. 1, S. 345.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/269>, abgerufen am 22.11.2024.
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