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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Erster Abschnitt.
Täufer bedeutsam schien, seinen Namen nicht aus Zufall
und menschlicher Willkühr, sondern aus göttlicher Vor-
herbestimmung abzuleiten (Luc. 1, 13.). Der Sohn der
Maria führte also in Folge einer, wir können nicht mehr
wissen, durch welche, aber gewiss durch rein natürliche
Gründe bestimmten Wahl seiner Eltern den bei den Juden
sehr gewöhnlichen Namen yeshv'`a (abgekürzt aus y@hyoshu`a d. h.
o Kurios soteria); weil aber dieser Name mit seinem
später gewählten Berufe als Messias und soter auf be-
deutsame Weise zusammentraf, und überdiess der Name
des Messias als göttlich vorherbestimmter galt: so wurde
die Festsetzung jenes Namens dem die Empfängniss Jesu
vorherverkündigenden Engel übertragen.

§. 30.
Die Magier und ihr Stern, die Flucht nach Ägypten und der
bethlehemitische Kindermord. Kritik der supranaturalistischen
Ansicht.

Mit der bisher betrachteten Erzählung des Lukas über die
Einführung des neugeborenen Messias in die Welt läuft bei
Matthäus eine ziemlich verschiedene doch parallel (2, 1. f.).
Auch sie nämlich hat zum Zweck, die feierliche Introduk-
tion des messianischen Kindes, die erste, vom Himmel
selbst übernommene Bekanntmachung seiner Geburt, und
seine erste Aufnahme bei den Menschen zu beschreiben 1).
Nach beiden Erzählungen macht eine himmlische Erschei-
nung auf den neugeborenen Messias aufmerksam, welche
nach Lukas ein Engel im Lichtglanz, nach Matthäus ein
Stern ist. Gemäss der Verschiedenheit des Zeichens sind
auch die Subjekte, welchen es erscheint, verschieden: dort
einfache Hirten, zu welchen der Engel spricht; hier orien-
talische Magier, welche das stumme Zeichen sich selbst zu

1) Vergl. Schneckenburger, über den Ursprung des ersten kano-
nischen Evangeliums, S. 69 ff.

Erster Abschnitt.
Täufer bedeutsam schien, seinen Namen nicht aus Zufall
und menschlicher Willkühr, sondern aus göttlicher Vor-
herbestimmung abzuleiten (Luc. 1, 13.). Der Sohn der
Maria führte also in Folge einer, wir können nicht mehr
wissen, durch welche, aber gewiſs durch rein natürliche
Gründe bestimmten Wahl seiner Eltern den bei den Juden
sehr gewöhnlichen Namen יֵשׁוּעַ (abgekürzt aus יְהיֹשֻׁעַ d. h.
ὁ Κύριος σωτηρία); weil aber dieser Name mit seinem
später gewählten Berufe als Messias und σωτὴρ auf be-
deutsame Weise zusammentraf, und überdieſs der Name
des Messias als göttlich vorherbestimmter galt: so wurde
die Festsetzung jenes Namens dem die Empfängniſs Jesu
vorherverkündigenden Engel übertragen.

§. 30.
Die Magier und ihr Stern, die Flucht nach Ägypten und der
bethlehemitische Kindermord. Kritik der supranaturalistischen
Ansicht.

Mit der bisher betrachteten Erzählung des Lukas über die
Einführung des neugeborenen Messias in die Welt läuft bei
Matthäus eine ziemlich verschiedene doch parallel (2, 1. f.).
Auch sie nämlich hat zum Zweck, die feierliche Introduk-
tion des messianischen Kindes, die erste, vom Himmel
selbst übernommene Bekanntmachung seiner Geburt, und
seine erste Aufnahme bei den Menschen zu beschreiben 1).
Nach beiden Erzählungen macht eine himmlische Erschei-
nung auf den neugeborenen Messias aufmerksam, welche
nach Lukas ein Engel im Lichtglanz, nach Matthäus ein
Stern ist. Gemäſs der Verschiedenheit des Zeichens sind
auch die Subjekte, welchen es erscheint, verschieden: dort
einfache Hirten, zu welchen der Engel spricht; hier orien-
talische Magier, welche das stumme Zeichen sich selbst zu

1) Vergl. Schneckenburger, über den Ursprung des ersten kano-
nischen Evangeliums, S. 69 ff.
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[220/0244] Erster Abschnitt. Täufer bedeutsam schien, seinen Namen nicht aus Zufall und menschlicher Willkühr, sondern aus göttlicher Vor- herbestimmung abzuleiten (Luc. 1, 13.). Der Sohn der Maria führte also in Folge einer, wir können nicht mehr wissen, durch welche, aber gewiſs durch rein natürliche Gründe bestimmten Wahl seiner Eltern den bei den Juden sehr gewöhnlichen Namen יֵשׁוּעַ (abgekürzt aus יְהיֹשֻׁעַ d. h. ὁ Κύριος σωτηρία); weil aber dieser Name mit seinem später gewählten Berufe als Messias und σωτὴρ auf be- deutsame Weise zusammentraf, und überdieſs der Name des Messias als göttlich vorherbestimmter galt: so wurde die Festsetzung jenes Namens dem die Empfängniſs Jesu vorherverkündigenden Engel übertragen. §. 30. Die Magier und ihr Stern, die Flucht nach Ägypten und der bethlehemitische Kindermord. Kritik der supranaturalistischen Ansicht. Mit der bisher betrachteten Erzählung des Lukas über die Einführung des neugeborenen Messias in die Welt läuft bei Matthäus eine ziemlich verschiedene doch parallel (2, 1. f.). Auch sie nämlich hat zum Zweck, die feierliche Introduk- tion des messianischen Kindes, die erste, vom Himmel selbst übernommene Bekanntmachung seiner Geburt, und seine erste Aufnahme bei den Menschen zu beschreiben 1). Nach beiden Erzählungen macht eine himmlische Erschei- nung auf den neugeborenen Messias aufmerksam, welche nach Lukas ein Engel im Lichtglanz, nach Matthäus ein Stern ist. Gemäſs der Verschiedenheit des Zeichens sind auch die Subjekte, welchen es erscheint, verschieden: dort einfache Hirten, zu welchen der Engel spricht; hier orien- talische Magier, welche das stumme Zeichen sich selbst zu 1) Vergl. Schneckenburger, über den Ursprung des ersten kano- nischen Evangeliums, S. 69 ff.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/244>, abgerufen am 22.11.2024.