Viertes Kapitel. Geburt und erste Schicksale Jesu.
§. 28. Die Schatzung.
In Bezug auf die Geburt Jesu stimmen die Relationen von Matthäus und Lukas darin überein, dass sie beide die- selbe in Bethlehem erfolgen lassen; während aber der Leztere die näheren Umstände derselben ausführlich erzählt, gedenkt der Erstere des Faktums nur ge- legentlich, einmal anhangsweise auf dasselbe als etwas Nachfolgendes verweisend (1, 25.), das andremal voraus- setzungsweise darauf zurückdeutend (2, 1.). Daher wür- den wir nach Matthäus glauben, die Geburt Jesu sei ohne alle auffallenden Ereignisse vor sich gegangen, deren doch Lukas mehr als Eines zu erzählen weiss, und namentlich scheinen bei jenem die Eltern Jesu als vorher schon in Bethlehem wohnhaft vorausgesezt zu sein, da sie doch nach diesem erst durch ganz besondre Umstände dahin ge- führt werden. Sehen wir übrigens von dem lezteren Dif- ferenzpunkt für jezt noch ab, da er erst später, wenn wir noch mehrere Data beisammen haben, seine Erledigung finden kann, so hat diessmal die übrige Abweichung der beiden Darstellungen, da sie auf Seiten des Matthäus ei- gentlich in blossem Stillschweigen besteht, kein so bedeu- tendes Moment, als ein Verstoss, welcher dem Lukas, wenn man ihn mit sich selbst und mit sonst bekannten Da- ten vergleicht, begegnet zu sein scheint. Diess ist die An- gabe, dass Jesu Eltern, welche sich sonst zu Nazaret auf- gehalten, durch einen von Augustus um die Zeit, als Qui-
Erster Abschnitt.
Viertes Kapitel. Geburt und erste Schicksale Jesu.
§. 28. Die Schatzung.
In Bezug auf die Geburt Jesu stimmen die Relationen von Matthäus und Lukas darin überein, daſs sie beide die- selbe in Bethlehem erfolgen lassen; während aber der Leztere die näheren Umstände derselben ausführlich erzählt, gedenkt der Erstere des Faktums nur ge- legentlich, einmal anhangsweise auf dasselbe als etwas Nachfolgendes verweisend (1, 25.), das andremal voraus- setzungsweise darauf zurückdeutend (2, 1.). Daher wür- den wir nach Matthäus glauben, die Geburt Jesu sei ohne alle auffallenden Ereignisse vor sich gegangen, deren doch Lukas mehr als Eines zu erzählen weiſs, und namentlich scheinen bei jenem die Eltern Jesu als vorher schon in Bethlehem wohnhaft vorausgesezt zu sein, da sie doch nach diesem erst durch ganz besondre Umstände dahin ge- führt werden. Sehen wir übrigens von dem lezteren Dif- ferenzpunkt für jezt noch ab, da er erst später, wenn wir noch mehrere Data beisammen haben, seine Erledigung finden kann, so hat dieſsmal die übrige Abweichung der beiden Darstellungen, da sie auf Seiten des Matthäus ei- gentlich in bloſsem Stillschweigen besteht, kein so bedeu- tendes Moment, als ein Verstoſs, welcher dem Lukas, wenn man ihn mit sich selbst und mit sonst bekannten Da- ten vergleicht, begegnet zu sein scheint. Dieſs ist die An- gabe, daſs Jesu Eltern, welche sich sonst zu Nazaret auf- gehalten, durch einen von Augustus um die Zeit, als Qui-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0222"n="198"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Erster Abschnitt</hi>.</fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Viertes Kapitel</hi>.<lb/>
Geburt und erste Schicksale Jesu.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><head>§. 28.<lb/>
Die Schatzung.</head><lb/><p>In Bezug auf die Geburt Jesu stimmen die Relationen<lb/>
von Matthäus und Lukas darin überein, daſs sie beide die-<lb/>
selbe in Bethlehem erfolgen lassen; während aber der<lb/>
Leztere die näheren Umstände derselben ausführlich<lb/>
erzählt, gedenkt der Erstere des Faktums nur ge-<lb/>
legentlich, einmal anhangsweise auf dasselbe als etwas<lb/>
Nachfolgendes verweisend (1, 25.), das andremal voraus-<lb/>
setzungsweise darauf zurückdeutend (2, 1.). Daher wür-<lb/>
den wir nach Matthäus glauben, die Geburt Jesu sei ohne<lb/>
alle auffallenden Ereignisse vor sich gegangen, deren doch<lb/>
Lukas mehr als Eines zu erzählen weiſs, und namentlich<lb/>
scheinen bei jenem die Eltern Jesu als vorher schon in<lb/>
Bethlehem wohnhaft vorausgesezt zu sein, da sie doch<lb/>
nach diesem erst durch ganz besondre Umstände dahin ge-<lb/>
führt werden. Sehen wir übrigens von dem lezteren Dif-<lb/>
ferenzpunkt für jezt noch ab, da er erst später, wenn wir<lb/>
noch mehrere Data beisammen haben, seine Erledigung<lb/>
finden kann, so hat dieſsmal die übrige Abweichung der<lb/>
beiden Darstellungen, da sie auf Seiten des Matthäus ei-<lb/>
gentlich in bloſsem Stillschweigen besteht, kein so bedeu-<lb/>
tendes Moment, als ein Verstoſs, welcher dem Lukas,<lb/>
wenn man ihn mit sich selbst und mit sonst bekannten Da-<lb/>
ten vergleicht, begegnet zu sein scheint. Dieſs ist die An-<lb/>
gabe, daſs Jesu Eltern, welche sich sonst zu Nazaret auf-<lb/>
gehalten, durch einen von Augustus um die Zeit, als Qui-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[198/0222]
Erster Abschnitt.
Viertes Kapitel.
Geburt und erste Schicksale Jesu.
§. 28.
Die Schatzung.
In Bezug auf die Geburt Jesu stimmen die Relationen
von Matthäus und Lukas darin überein, daſs sie beide die-
selbe in Bethlehem erfolgen lassen; während aber der
Leztere die näheren Umstände derselben ausführlich
erzählt, gedenkt der Erstere des Faktums nur ge-
legentlich, einmal anhangsweise auf dasselbe als etwas
Nachfolgendes verweisend (1, 25.), das andremal voraus-
setzungsweise darauf zurückdeutend (2, 1.). Daher wür-
den wir nach Matthäus glauben, die Geburt Jesu sei ohne
alle auffallenden Ereignisse vor sich gegangen, deren doch
Lukas mehr als Eines zu erzählen weiſs, und namentlich
scheinen bei jenem die Eltern Jesu als vorher schon in
Bethlehem wohnhaft vorausgesezt zu sein, da sie doch
nach diesem erst durch ganz besondre Umstände dahin ge-
führt werden. Sehen wir übrigens von dem lezteren Dif-
ferenzpunkt für jezt noch ab, da er erst später, wenn wir
noch mehrere Data beisammen haben, seine Erledigung
finden kann, so hat dieſsmal die übrige Abweichung der
beiden Darstellungen, da sie auf Seiten des Matthäus ei-
gentlich in bloſsem Stillschweigen besteht, kein so bedeu-
tendes Moment, als ein Verstoſs, welcher dem Lukas,
wenn man ihn mit sich selbst und mit sonst bekannten Da-
ten vergleicht, begegnet zu sein scheint. Dieſs ist die An-
gabe, daſs Jesu Eltern, welche sich sonst zu Nazaret auf-
gehalten, durch einen von Augustus um die Zeit, als Qui-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/222>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.