Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Drittes Kapitel. §. 21. auf beharrt, dass hier bei Matthäus die jesaianische Stelleals Weissagung auf Jesu jungfräuliche Geburt genommen werde. Während nämlich die orthodoxen Ausleger in der häufigen Formel ina plerothe und ähnlichen von jeher den Sinn fanden: diess geschah nach göttlicher Veranstaltung, damit die A. T.liche Weissagung einträfe, mit welcher es schon ursprünglich auf das N. T.liche Ereigniss abgesehen war, -- so finden die rationalistischen Erklärer 5) nur so viel darin: diess geschah auf eine Weise, war so beschaf- fen, dass die A. T.lichen Worte, die sich ursprünglich zwar auf etwas Andres bezogen, sich doch darauf anwen- den lassen, und dadurch erst gleichsam ihre volle Wahr- heit bekommen. Bei der ersteren Deutung ist das Verhält- niss zwischen der A. T.lichen Stelle und dem N. T.lichen Ereig- niss ein objektives, von Gott selbst veranstaltetes 6): nach der lezteren nur ein subjektives, von dem späteren Schriftsteller ge- fundenes; nach jener ein genaues, wesentliches, nach dieser ein ungefähres, zufälliges. Allein gegen diese letztere Auffassung der N. T.lichen Stellen, welche eine A. T.liche Weissa- gung als erfüllt nachweisen, ist ebensowohl die Sprache als der Geist der N. T.lichen Schriftsteller. Die Sprache; denn wie u. A. Fritzsche nachweist 7), kann weder ple- rousthai in solcher Verbindung etwas Andres heissen, als ratum fieri, eventu comprobari, noch ina, opos etwas An- dres als eo consilio ut, indem die verbreitete Annahme eines ina ekbatikon nur aus dogmatischer Verlegenheit entstanden ist. Ganz besonders aber ist eine solche Aus- legung dem jüdischen Geiste der evangelischen Schriftstel- 5) S. Paulus, a. a. O. S. 157 ff. 6) Die Sache auf diese Formel gebracht, fällt auch Hengsten- berg hieher, ob er gleich die orthodoxe Ansicht (1, a, S. 338 ff.) weit mehr mildert, als auf seinem Standpunkt consequent ge- funden werden kann. 7) Comm. in Matth. p. 49. 317. und Excurs. I, p. 836 ff. 10*
Drittes Kapitel. §. 21. auf beharrt, daſs hier bei Matthäus die jesaianische Stelleals Weissagung auf Jesu jungfräuliche Geburt genommen werde. Während nämlich die orthodoxen Ausleger in der häufigen Formel ἵνα πληρωϑῇ und ähnlichen von jeher den Sinn fanden: dieſs geschah nach göttlicher Veranstaltung, damit die A. T.liche Weissagung einträfe, mit welcher es schon ursprünglich auf das N. T.liche Ereigniſs abgesehen war, — so finden die rationalistischen Erklärer 5) nur so viel darin: dieſs geschah auf eine Weise, war so beschaf- fen, daſs die A. T.lichen Worte, die sich ursprünglich zwar auf etwas Andres bezogen, sich doch darauf anwen- den lassen, und dadurch erst gleichsam ihre volle Wahr- heit bekommen. Bei der ersteren Deutung ist das Verhält- niſs zwischen der A. T.lichen Stelle und dem N. T.lichen Ereig- niſs ein objektives, von Gott selbst veranstaltetes 6): nach der lezteren nur ein subjektives, von dem späteren Schriftsteller ge- fundenes; nach jener ein genaues, wesentliches, nach dieser ein ungefähres, zufälliges. Allein gegen diese letztere Auffassung der N. T.lichen Stellen, welche eine A. T.liche Weissa- gung als erfüllt nachweisen, ist ebensowohl die Sprache als der Geist der N. T.lichen Schriftsteller. Die Sprache; denn wie u. A. Fritzsche nachweist 7), kann weder πλη- ροῦσϑαι in solcher Verbindung etwas Andres heiſsen, als ratum fieri, eventu comprobari, noch ἵνα, ὅπως etwas An- dres als eo consilio ut, indem die verbreitete Annahme eines ἵνα ἐκβατικὸν nur aus dogmatischer Verlegenheit entstanden ist. Ganz besonders aber ist eine solche Aus- legung dem jüdischen Geiste der evangelischen Schriftstel- 5) S. Paulus, a. a. O. S. 157 ff. 6) Die Sache auf diese Formel gebracht, fällt auch Hengsten- berg hieher, ob er gleich die orthodoxe Ansicht (1, a, S. 338 ff.) weit mehr mildert, als auf seinem Standpunkt consequent ge- funden werden kann. 7) Comm. in Matth. p. 49. 317. und Excurs. I, p. 836 ff. 10*
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Drittes Kapitel. §. 21.
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als Weissagung auf Jesu jungfräuliche Geburt genommen
werde. Während nämlich die orthodoxen Ausleger in der
häufigen Formel ἵνα πληρωϑῇ und ähnlichen von jeher den
Sinn fanden: dieſs geschah nach göttlicher Veranstaltung,
damit die A. T.liche Weissagung einträfe, mit welcher es
schon ursprünglich auf das N. T.liche Ereigniſs abgesehen
war, — so finden die rationalistischen Erklärer 5) nur so
viel darin: dieſs geschah auf eine Weise, war so beschaf-
fen, daſs die A. T.lichen Worte, die sich ursprünglich
zwar auf etwas Andres bezogen, sich doch darauf anwen-
den lassen, und dadurch erst gleichsam ihre volle Wahr-
heit bekommen. Bei der ersteren Deutung ist das Verhält-
niſs zwischen der A. T.lichen Stelle und dem N. T.lichen Ereig-
niſs ein objektives, von Gott selbst veranstaltetes 6): nach der
lezteren nur ein subjektives, von dem späteren Schriftsteller ge-
fundenes; nach jener ein genaues, wesentliches, nach dieser ein
ungefähres, zufälliges. Allein gegen diese letztere Auffassung
der N. T.lichen Stellen, welche eine A. T.liche Weissa-
gung als erfüllt nachweisen, ist ebensowohl die Sprache
als der Geist der N. T.lichen Schriftsteller. Die Sprache;
denn wie u. A. Fritzsche nachweist 7), kann weder πλη-
ροῦσϑαι in solcher Verbindung etwas Andres heiſsen, als
ratum fieri, eventu comprobari, noch ἵνα, ὅπως etwas An-
dres als eo consilio ut, indem die verbreitete Annahme
eines ἵνα ἐκβατικὸν nur aus dogmatischer Verlegenheit
entstanden ist. Ganz besonders aber ist eine solche Aus-
legung dem jüdischen Geiste der evangelischen Schriftstel-
5) S. Paulus, a. a. O. S. 157 ff.
6) Die Sache auf diese Formel gebracht, fällt auch Hengsten-
berg hieher, ob er gleich die orthodoxe Ansicht (1, a, S. 338 ff.)
weit mehr mildert, als auf seinem Standpunkt consequent ge-
funden werden kann.
7) Comm. in Matth. p. 49. 317. und Excurs. I, p. 836 ff.
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