ausgegeben werden soll, sondern nur Alles in ihr kritisch darauf angesehen, ob es nicht Mythisches an sich habe. Wenn die altkirchliche Exegese von der doppelten Voraussetzung ausgieng, dass in den Evangelien erstlich Geschichte, und zwar zweitens eine übernatürliche, enthalten sei, wenn hierauf der Rationalismus die zweite dieser Voraussetzungen weg- warf, doch nur um desto fester an der ersten zu halten, dass in jenen Büchern lautere, wenngleich natürliche, Geschichte sich finde: so kann auf die- sem halben Wege die Wissenschaft nicht stehen blei- ben, sondern es muss auch die andere Voraussetzung fallen gelassen, und erst untersucht werden, ob und wie weit wir überhaupt in den Evangelien auf histo- rischem Grund und Boden stehen. Diess ist der na- türliche Gang der Sache, und insofern die Erschei- nung eines Werkes wie das gegenwärtige nicht bloss gerechtfertigt, sondern selbst nothwendig.
Damit ist freilich noch nicht erwiesen, dass ge- rade der Verfasser desselben Beruf hatte, in dieser Stellung hervorzutreten. Dessen ist er sich lebhaft
Vorrede.
ausgegeben werden soll, sondern nur Alles in ihr kritisch darauf angesehen, ob es nicht Mythisches an sich habe. Wenn die altkirchliche Exegese von der doppelten Voraussetzung ausgieng, dass in den Evangelien erstlich Geschichte, und zwar zweitens eine übernatürliche, enthalten sei, wenn hierauf der Rationalismus die zweite dieser Voraussetzungen weg- warf, doch nur um desto fester an der ersten zu halten, dass in jenen Büchern lautere, wenngleich natürliche, Geschichte sich finde: so kann auf die- sem halben Wege die Wissenschaft nicht stehen blei- ben, sondern es muss auch die andere Voraussetzung fallen gelassen, und erst untersucht werden, ob und wie weit wir überhaupt in den Evangelien auf histo- rischem Grund und Boden stehen. Diess ist der na- türliche Gang der Sache, und insofern die Erschei- nung eines Werkes wie das gegenwärtige nicht bloss gerechtfertigt, sondern selbst nothwendig.
Damit ist freilich noch nicht erwiesen, dass ge- rade der Verfasser desselben Beruf hatte, in dieser Stellung hervorzutreten. Dessen ist er sich lebhaft
<TEI><text><front><divn="1"><p><pbfacs="#f0013"n="V"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Vorrede</hi>.</fw><lb/>
ausgegeben werden soll, sondern nur Alles in ihr<lb/>
kritisch darauf angesehen, ob es nicht Mythisches<lb/>
an sich habe. Wenn die altkirchliche Exegese von<lb/>
der doppelten Voraussetzung ausgieng, dass in den<lb/>
Evangelien erstlich Geschichte, und zwar zweitens<lb/>
eine übernatürliche, enthalten sei, wenn hierauf der<lb/>
Rationalismus die zweite dieser Voraussetzungen weg-<lb/>
warf, doch nur um desto fester an der ersten zu<lb/>
halten, dass in jenen Büchern lautere, wenngleich<lb/>
natürliche, Geschichte sich finde: so kann auf die-<lb/>
sem halben Wege die Wissenschaft nicht stehen blei-<lb/>
ben, sondern es muss auch die andere Voraussetzung<lb/>
fallen gelassen, und erst untersucht werden, ob und<lb/>
wie weit wir überhaupt in den Evangelien auf histo-<lb/>
rischem Grund und Boden stehen. Diess ist der na-<lb/>
türliche Gang der Sache, und insofern die Erschei-<lb/>
nung eines Werkes wie das gegenwärtige nicht bloss<lb/>
gerechtfertigt, sondern selbst nothwendig.</p><lb/><p>Damit ist freilich noch nicht erwiesen, dass ge-<lb/>
rade der Verfasser desselben Beruf hatte, in dieser<lb/>
Stellung hervorzutreten. Dessen ist er sich lebhaft<lb/></p></div></front></text></TEI>
[V/0013]
Vorrede.
ausgegeben werden soll, sondern nur Alles in ihr
kritisch darauf angesehen, ob es nicht Mythisches
an sich habe. Wenn die altkirchliche Exegese von
der doppelten Voraussetzung ausgieng, dass in den
Evangelien erstlich Geschichte, und zwar zweitens
eine übernatürliche, enthalten sei, wenn hierauf der
Rationalismus die zweite dieser Voraussetzungen weg-
warf, doch nur um desto fester an der ersten zu
halten, dass in jenen Büchern lautere, wenngleich
natürliche, Geschichte sich finde: so kann auf die-
sem halben Wege die Wissenschaft nicht stehen blei-
ben, sondern es muss auch die andere Voraussetzung
fallen gelassen, und erst untersucht werden, ob und
wie weit wir überhaupt in den Evangelien auf histo-
rischem Grund und Boden stehen. Diess ist der na-
türliche Gang der Sache, und insofern die Erschei-
nung eines Werkes wie das gegenwärtige nicht bloss
gerechtfertigt, sondern selbst nothwendig.
Damit ist freilich noch nicht erwiesen, dass ge-
rade der Verfasser desselben Beruf hatte, in dieser
Stellung hervorzutreten. Dessen ist er sich lebhaft
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. V. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/13>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.