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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Erster Abschnitt.
nien sind, da ist ein Mythus, wie im A. T., so im neuen 11).
Vorausgesetzt auch, dass es Engel gebe, so können sie
doch, urtheilt man, den Menschen nicht erscheinen, denn
sie gehören der übersinnlichen Welt an, welche auf unsre
Sinnorgane nicht einwirken kann, so dass es immer gera-
then bleibt, ihre angeblichen Erscheinungen auf die blosse
Einbildungskraft zurückzuführen 12). Es sei nicht wahr-
scheinlich, sagt man ferner, dass Gott sie der gewöhnli-
chen Vorstellung gemäss gebrauche, denn es lasse sich kein
rechter Zweck ihrer Sendungen erkennen, indem sie ge-
wöhnlich nur der Neugier dienen, und noch dazu ihr Ein-
wirken die Menschen von selbstständiger Leitung ihres Le-
bens abziehen würde 13). Auch das müsse auffallen, dass
diese Wesen in der alten Welt zwar bei den geringsten
Veranlassungen sich geschäftig zeigen, in der neuen aber
selbst bei den wichtigsten Begebenheiten müssig bleiben 14).
Wenn aber ihr Erscheinen und Einwirken in die Men-
schenwelt, so ist ebendamit auch ihr Dasein überhaupt
bezweifelt, weil eben in jenen Funktionen ein Hauptzweck
ihrer Existenz liegen müsste. In Bezug auf das Dasein der
Engel darf gewiss die Schleiermacher'sche Kritik als ab-
schliessend betrachtet werden, weil sie das Ergebniss der
Bildung neuerer Zeit der alten gegenüber auf das Adäqua-
teste ausspricht 15). Zwar lasse sich, meint Schleierma-
cher
, das Dasein von Engeln nicht als unmöglich nach-
weisen, doch sei die ganze Vorstellung eine solche, wel-
che in unsrer Zeit nicht mehr entstehen würde, sondern
ganz nur der alterthümlichen Weltanschauung angehöre.
Denn wenn der Engelglaube eine gedoppelte Quelle und

11) Hebr. Mythol. 2, S. 218.
12) Bauer a. a. O. 1, S. 129. Paulus exeget. Handbuch I, a, 74.
13) Paulus Commentar 1, S. 12.
14) Bauer a. a. O.
15) Glaubenslehre, 1. Thl. §. 42 und 43 (2te Ausgabe).

Erster Abschnitt.
nien sind, da ist ein Mythus, wie im A. T., so im neuen 11).
Vorausgesetzt auch, daſs es Engel gebe, so können sie
doch, urtheilt man, den Menschen nicht erscheinen, denn
sie gehören der übersinnlichen Welt an, welche auf unsre
Sinnorgane nicht einwirken kann, so daſs es immer gera-
then bleibt, ihre angeblichen Erscheinungen auf die bloſse
Einbildungskraft zurückzuführen 12). Es sei nicht wahr-
scheinlich, sagt man ferner, daſs Gott sie der gewöhnli-
chen Vorstellung gemäſs gebrauche, denn es lasse sich kein
rechter Zweck ihrer Sendungen erkennen, indem sie ge-
wöhnlich nur der Neugier dienen, und noch dazu ihr Ein-
wirken die Menschen von selbstständiger Leitung ihres Le-
bens abziehen würde 13). Auch das müsse auffallen, daſs
diese Wesen in der alten Welt zwar bei den geringsten
Veranlassungen sich geschäftig zeigen, in der neuen aber
selbst bei den wichtigsten Begebenheiten müssig bleiben 14).
Wenn aber ihr Erscheinen und Einwirken in die Men-
schenwelt, so ist ebendamit auch ihr Dasein überhaupt
bezweifelt, weil eben in jenen Funktionen ein Hauptzweck
ihrer Existenz liegen müſste. In Bezug auf das Dasein der
Engel darf gewiſs die Schleiermacher'sche Kritik als ab-
schlieſsend betrachtet werden, weil sie das Ergebniſs der
Bildung neuerer Zeit der alten gegenüber auf das Adäqua-
teste ausspricht 15). Zwar lasse sich, meint Schleierma-
cher
, das Dasein von Engeln nicht als unmöglich nach-
weisen, doch sei die ganze Vorstellung eine solche, wel-
che in unsrer Zeit nicht mehr entstehen würde, sondern
ganz nur der alterthümlichen Weltanschauung angehöre.
Denn wenn der Engelglaube eine gedoppelte Quelle und

11) Hebr. Mythol. 2, S. 218.
12) Bauer a. a. O. 1, S. 129. Paulus exeget. Handbuch I, a, 74.
13) Paulus Commentar 1, S. 12.
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[86/0110] Erster Abschnitt. nien sind, da ist ein Mythus, wie im A. T., so im neuen 11). Vorausgesetzt auch, daſs es Engel gebe, so können sie doch, urtheilt man, den Menschen nicht erscheinen, denn sie gehören der übersinnlichen Welt an, welche auf unsre Sinnorgane nicht einwirken kann, so daſs es immer gera- then bleibt, ihre angeblichen Erscheinungen auf die bloſse Einbildungskraft zurückzuführen 12). Es sei nicht wahr- scheinlich, sagt man ferner, daſs Gott sie der gewöhnli- chen Vorstellung gemäſs gebrauche, denn es lasse sich kein rechter Zweck ihrer Sendungen erkennen, indem sie ge- wöhnlich nur der Neugier dienen, und noch dazu ihr Ein- wirken die Menschen von selbstständiger Leitung ihres Le- bens abziehen würde 13). Auch das müsse auffallen, daſs diese Wesen in der alten Welt zwar bei den geringsten Veranlassungen sich geschäftig zeigen, in der neuen aber selbst bei den wichtigsten Begebenheiten müssig bleiben 14). Wenn aber ihr Erscheinen und Einwirken in die Men- schenwelt, so ist ebendamit auch ihr Dasein überhaupt bezweifelt, weil eben in jenen Funktionen ein Hauptzweck ihrer Existenz liegen müſste. In Bezug auf das Dasein der Engel darf gewiſs die Schleiermacher'sche Kritik als ab- schlieſsend betrachtet werden, weil sie das Ergebniſs der Bildung neuerer Zeit der alten gegenüber auf das Adäqua- teste ausspricht 15). Zwar lasse sich, meint Schleierma- cher, das Dasein von Engeln nicht als unmöglich nach- weisen, doch sei die ganze Vorstellung eine solche, wel- che in unsrer Zeit nicht mehr entstehen würde, sondern ganz nur der alterthümlichen Weltanschauung angehöre. Denn wenn der Engelglaube eine gedoppelte Quelle und 11) Hebr. Mythol. 2, S. 218. 12) Bauer a. a. O. 1, S. 129. Paulus exeget. Handbuch I, a, 74. 13) Paulus Commentar 1, S. 12. 14) Bauer a. a. O. 15) Glaubenslehre, 1. Thl. §. 42 und 43 (2te Ausgabe).

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/110>, abgerufen am 24.11.2024.