Ein frommes priesterliches Ehepaar ist kinderlos geal- tert: als auf Einmal dem Priester beim Räuchern im Hei- ligthum der Engel Gabriel erscheint, und ihnen in ihren alten Tagen einen Sohn verheisst, der als Gottgeweihter leben, und der wegbereitende Vorläufer des in der messia- nischen Zeit sein Volk heimsuchenden Gottes sein werde. Als Zacharias wegen seines und der Elisabet hohen Al- ters die Verheissung bezweifelt, wird ihm vom Engel als Zeichen und Strafe zugleich bis zur Erfüllung Stummheit auferlegt, welche wirklich andauert, bis bei der Beschnei- dung des nunmehr geborenen Sohnes der Vater ihm den vom Engel vorgeschriebenen Namen beilegen soll, worauf er mit wiedererlangtem Sprachvermögen in einen Hymnus ausbricht (Luk. 1, 5--25. 57--80.).
Dass hiemit der evangelische Bericht wirklich eine Rei- he äusserer, und zwar wunderbarer Vorgänge: eine von Gott veranstaltete, durch die Erscheinung eines der höch- sten Geister vermittelte Vorherverkündigung des messiani- schen Vorläufers, eine nicht ohne besondern göttlichen Se- gen bewirkte Schwangerschaft, und eine auf ausserordent- liche Weise sowohl eingetretene als gehobene Stummheit erzählen wolle, scheint sich zunächst von selbst zu verste- hen. Eine andere Frage ist, ob auch wir dieser Ansicht des Referenten beitreten und uns überzeugen können, dass wirklich der Geburt des Täufers eine solche Reihe von wunderbaren Ereignissen vorangegangen sei?
Den ersten Anstoss, welchen die neuere Bildung in der vorgelegten Erzählung nimmt, bildet die Engelerscheinung, theils als solche überhaupt, theils diese in ihrer besonderen Beschaffenheit. Was das Letztere betrifft, so giebt sich
Repertorium für die Literatur der Bibel 1, S. 58 ff., Horst, in Henke's Museum, 1, 3, S. 462 ff. Vgl. Eichhorns Einlei- tung, 1. Bd. S. 630 f. -- Dagegen: Süskind, symbolarum ad illustranda quacdam evangeliorum loca, P. 2. in seinen ver- mischten Aufsätzen, S. 23 ff.
Erster Abschnitt.
Ein frommes priesterliches Ehepaar ist kinderlos geal- tert: als auf Einmal dem Priester beim Räuchern im Hei- ligthum der Engel Gabriel erscheint, und ihnen in ihren alten Tagen einen Sohn verheiſst, der als Gottgeweihter leben, und der wegbereitende Vorläufer des in der messia- nischen Zeit sein Volk heimsuchenden Gottes sein werde. Als Zacharias wegen seines und der Elisabet hohen Al- ters die Verheiſsung bezweifelt, wird ihm vom Engel als Zeichen und Strafe zugleich bis zur Erfüllung Stummheit auferlegt, welche wirklich andauert, bis bei der Beschnei- dung des nunmehr geborenen Sohnes der Vater ihm den vom Engel vorgeschriebenen Namen beilegen soll, worauf er mit wiedererlangtem Sprachvermögen in einen Hymnus ausbricht (Luk. 1, 5—25. 57—80.).
Daſs hiemit der evangelische Bericht wirklich eine Rei- he äusserer, und zwar wunderbarer Vorgänge: eine von Gott veranstaltete, durch die Erscheinung eines der höch- sten Geister vermittelte Vorherverkündigung des messiani- schen Vorläufers, eine nicht ohne besondern göttlichen Se- gen bewirkte Schwangerschaft, und eine auf ausserordent- liche Weise sowohl eingetretene als gehobene Stummheit erzählen wolle, scheint sich zunächst von selbst zu verste- hen. Eine andere Frage ist, ob auch wir dieser Ansicht des Referenten beitreten und uns überzeugen können, daſs wirklich der Geburt des Täufers eine solche Reihe von wunderbaren Ereignissen vorangegangen sei?
Den ersten Anstoſs, welchen die neuere Bildung in der vorgelegten Erzählung nimmt, bildet die Engelerscheinung, theils als solche überhaupt, theils diese in ihrer besonderen Beschaffenheit. Was das Letztere betrifft, so giebt sich
Repertorium für die Literatur der Bibel 1, S. 58 ff., Horst, in Henke's Museum, 1, 3, S. 462 ff. Vgl. Eichhorns Einlei- tung, 1. Bd. S. 630 f. — Dagegen: Süskind, symbolarum ad illustranda quacdam evangeliorum loca, P. 2. in seinen ver- mischten Aufsätzen, S. 23 ff.
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Erster Abschnitt.
Ein frommes priesterliches Ehepaar ist kinderlos geal-
tert: als auf Einmal dem Priester beim Räuchern im Hei-
ligthum der Engel Gabriel erscheint, und ihnen in ihren
alten Tagen einen Sohn verheiſst, der als Gottgeweihter
leben, und der wegbereitende Vorläufer des in der messia-
nischen Zeit sein Volk heimsuchenden Gottes sein werde.
Als Zacharias wegen seines und der Elisabet hohen Al-
ters die Verheiſsung bezweifelt, wird ihm vom Engel als
Zeichen und Strafe zugleich bis zur Erfüllung Stummheit
auferlegt, welche wirklich andauert, bis bei der Beschnei-
dung des nunmehr geborenen Sohnes der Vater ihm den
vom Engel vorgeschriebenen Namen beilegen soll, worauf
er mit wiedererlangtem Sprachvermögen in einen Hymnus
ausbricht (Luk. 1, 5—25. 57—80.).
Daſs hiemit der evangelische Bericht wirklich eine Rei-
he äusserer, und zwar wunderbarer Vorgänge: eine von
Gott veranstaltete, durch die Erscheinung eines der höch-
sten Geister vermittelte Vorherverkündigung des messiani-
schen Vorläufers, eine nicht ohne besondern göttlichen Se-
gen bewirkte Schwangerschaft, und eine auf ausserordent-
liche Weise sowohl eingetretene als gehobene Stummheit
erzählen wolle, scheint sich zunächst von selbst zu verste-
hen. Eine andere Frage ist, ob auch wir dieser Ansicht
des Referenten beitreten und uns überzeugen können, daſs
wirklich der Geburt des Täufers eine solche Reihe von
wunderbaren Ereignissen vorangegangen sei?
Den ersten Anstoſs, welchen die neuere Bildung in der
vorgelegten Erzählung nimmt, bildet die Engelerscheinung,
theils als solche überhaupt, theils diese in ihrer besonderen
Beschaffenheit. Was das Letztere betrifft, so giebt sich
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1) Repertorium für die Literatur der Bibel 1, S. 58 ff., Horst,
in Henke's Museum, 1, 3, S. 462 ff. Vgl. Eichhorns Einlei-
tung, 1. Bd. S. 630 f. — Dagegen: Süskind, symbolarum ad
illustranda quacdam evangeliorum loca, P. 2. in seinen ver-
mischten Aufsätzen, S. 23 ff.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/104>, abgerufen am 24.11.2024.
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