Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

-- "Du weißt das wohl; ich brauch' Dir's
nicht zu sagen."

"Du hast recht," sagte er; "ja, Elke, ich kann
warten -- wenn's nur ein menschlich Abseh'n hat!"

"O Gott, ich fürcht', ein nahes! Sprich nicht so,
Hauke; Du sprichst von meines Vaters Tod!" Sie
legte die andere Hand auf ihre Brust: "Bis dahin,"
sagte sie, "trag' ich den Goldring hier; Du sollst
nicht fürchten, daß Du bei meiner Lebzeit ihn zurück-
bekommst!"

Da lächelten sie Beide, und ihre Hände preßten
sich in einander, daß bei anderer Gelegenheit das
Mädchen wohl laut aufgeschrieen hätte.

Die Frau Pastorin hatte indessen unablässig
nach Elke's Augen hingesehen, die jetzt unter dem
Spitzenstrich des goldbrokatenen Käppchens wie in
dunklem Feuer brannten. Bei dem zunehmenden
Getöse am Tische aber hatte sie nichts verstanden;
auch an ihren Nachbar wandte sie sich nicht wieder;
denn keimende Ehen -- und um eine solche schien
es ihr sich denn doch hier zu handeln -- schon
um des daneben keimenden Traupfennigs für ihren
Mann, den Pastor, pflegte sie nicht zu stören.


— „Du weißt das wohl; ich brauch' Dir's
nicht zu ſagen.”

„Du haſt recht,” ſagte er; „ja, Elke, ich kann
warten — wenn's nur ein menſchlich Abſeh'n hat!”

„O Gott, ich fürcht', ein nahes! Sprich nicht ſo,
Hauke; Du ſprichſt von meines Vaters Tod!” Sie
legte die andere Hand auf ihre Bruſt: „Bis dahin,”
ſagte ſie, „trag' ich den Goldring hier; Du ſollſt
nicht fürchten, daß Du bei meiner Lebzeit ihn zurück-
bekommſt!”

Da lächelten ſie Beide, und ihre Hände preßten
ſich in einander, daß bei anderer Gelegenheit das
Mädchen wohl laut aufgeſchrieen hätte.

Die Frau Paſtorin hatte indeſſen unabläſſig
nach Elke's Augen hingeſehen, die jetzt unter dem
Spitzenſtrich des goldbrokatenen Käppchens wie in
dunklem Feuer brannten. Bei dem zunehmenden
Getöſe am Tiſche aber hatte ſie nichts verſtanden;
auch an ihren Nachbar wandte ſie ſich nicht wieder;
denn keimende Ehen — und um eine ſolche ſchien
es ihr ſich denn doch hier zu handeln — ſchon
um des daneben keimenden Traupfennigs für ihren
Mann, den Paſtor, pflegte ſie nicht zu ſtören.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0099" n="87"/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Du weißt das wohl; ich brauch' Dir's<lb/>
nicht zu &#x017F;agen.&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du ha&#x017F;t recht,&#x201D; &#x017F;agte er; &#x201E;ja, Elke, ich kann<lb/>
warten &#x2014; wenn's nur ein men&#x017F;chlich Ab&#x017F;eh'n hat!&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x201E;O Gott, ich fürcht', ein nahes! Sprich nicht &#x017F;o,<lb/>
Hauke; Du &#x017F;prich&#x017F;t von meines Vaters Tod!&#x201D; Sie<lb/>
legte die andere Hand auf ihre Bru&#x017F;t: &#x201E;Bis dahin,&#x201D;<lb/>
&#x017F;agte &#x017F;ie, &#x201E;trag' ich den Goldring hier; Du &#x017F;oll&#x017F;t<lb/>
nicht fürchten, daß Du bei meiner Lebzeit ihn zurück-<lb/>
bekomm&#x017F;t!&#x201D;</p><lb/>
        <p>Da lächelten &#x017F;ie Beide, und ihre Hände preßten<lb/>
&#x017F;ich in einander, daß bei anderer Gelegenheit das<lb/>
Mädchen wohl laut aufge&#x017F;chrieen hätte.</p><lb/>
        <p>Die Frau Pa&#x017F;torin hatte inde&#x017F;&#x017F;en unablä&#x017F;&#x017F;ig<lb/>
nach Elke's Augen hinge&#x017F;ehen, die jetzt unter dem<lb/>
Spitzen&#x017F;trich des goldbrokatenen Käppchens wie in<lb/>
dunklem Feuer brannten. Bei dem zunehmenden<lb/>
Getö&#x017F;e am Ti&#x017F;che aber hatte &#x017F;ie nichts ver&#x017F;tanden;<lb/>
auch an ihren Nachbar wandte &#x017F;ie &#x017F;ich nicht wieder;<lb/>
denn keimende Ehen &#x2014; und um eine &#x017F;olche &#x017F;chien<lb/>
es ihr &#x017F;ich denn doch hier zu handeln &#x2014; &#x017F;chon<lb/>
um des daneben keimenden Traupfennigs für ihren<lb/>
Mann, den Pa&#x017F;tor, pflegte &#x017F;ie nicht zu &#x017F;tören.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0099] — „Du weißt das wohl; ich brauch' Dir's nicht zu ſagen.” „Du haſt recht,” ſagte er; „ja, Elke, ich kann warten — wenn's nur ein menſchlich Abſeh'n hat!” „O Gott, ich fürcht', ein nahes! Sprich nicht ſo, Hauke; Du ſprichſt von meines Vaters Tod!” Sie legte die andere Hand auf ihre Bruſt: „Bis dahin,” ſagte ſie, „trag' ich den Goldring hier; Du ſollſt nicht fürchten, daß Du bei meiner Lebzeit ihn zurück- bekommſt!” Da lächelten ſie Beide, und ihre Hände preßten ſich in einander, daß bei anderer Gelegenheit das Mädchen wohl laut aufgeſchrieen hätte. Die Frau Paſtorin hatte indeſſen unabläſſig nach Elke's Augen hingeſehen, die jetzt unter dem Spitzenſtrich des goldbrokatenen Käppchens wie in dunklem Feuer brannten. Bei dem zunehmenden Getöſe am Tiſche aber hatte ſie nichts verſtanden; auch an ihren Nachbar wandte ſie ſich nicht wieder; denn keimende Ehen — und um eine ſolche ſchien es ihr ſich denn doch hier zu handeln — ſchon um des daneben keimenden Traupfennigs für ihren Mann, den Paſtor, pflegte ſie nicht zu ſtören.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/99
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/99>, abgerufen am 09.11.2024.