Schatten; aber es braucht drum nicht das erste Mal gewesen zu sein."
Der Deichgraf war aufgestanden. "Sie wollen entschuldigen," sagte er, sich zu mir wendend, "wir müssen draußen nachsehn, wo das Unheil hin will!" Dann ging er mit dem Boten zur Thür hinaus; aber auch die übrige Gesellschaft brach auf und folgte ihm.
Ich blieb mit dem Schullehrer allein in dem großen öden Zimmer; durch die unverhangenen Fenster, welche nun nicht mehr durch die Rücken der davor sitzenden Gäste verdeckt wurden, sah man frei hinaus, und wie der Sturm die dunklen Wolken über den Himmel jagte. Der Alte saß noch auf seinem Platze, ein überlegenes, fast mit- leidiges Lächeln auf seinen Lippen. "Es ist hier zu leer geworden," sagte er; "darf ich Sie zu mir auf mein Zimmer laden? Ich wohne hier im Hause; und glauben Sie mir, ich kenne die Wetter hier am Deich; für uns ist nichts zu fürchten."
Ich nahm das dankend an; denn auch mich wollte hier zu frösteln anfangen, und wir stiegen unter Mitnahme eines Lichtes die Stiegen zu einer Giebelstube hinauf, die zwar gleichfalls gegen Westen
Schatten; aber es braucht drum nicht das erſte Mal geweſen zu ſein.”
Der Deichgraf war aufgeſtanden. „Sie wollen entſchuldigen,” ſagte er, ſich zu mir wendend, „wir müſſen draußen nachſehn, wo das Unheil hin will!” Dann ging er mit dem Boten zur Thür hinaus; aber auch die übrige Geſellſchaft brach auf und folgte ihm.
Ich blieb mit dem Schullehrer allein in dem großen öden Zimmer; durch die unverhangenen Fenſter, welche nun nicht mehr durch die Rücken der davor ſitzenden Gäſte verdeckt wurden, ſah man frei hinaus, und wie der Sturm die dunklen Wolken über den Himmel jagte. Der Alte ſaß noch auf ſeinem Platze, ein überlegenes, faſt mit- leidiges Lächeln auf ſeinen Lippen. „Es iſt hier zu leer geworden,” ſagte er; „darf ich Sie zu mir auf mein Zimmer laden? Ich wohne hier im Hauſe; und glauben Sie mir, ich kenne die Wetter hier am Deich; für uns iſt nichts zu fürchten.”
Ich nahm das dankend an; denn auch mich wollte hier zu fröſteln anfangen, und wir ſtiegen unter Mitnahme eines Lichtes die Stiegen zu einer Giebelſtube hinauf, die zwar gleichfalls gegen Weſten
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Schatten; aber es braucht drum nicht das erſte
Mal geweſen zu ſein.”
Der Deichgraf war aufgeſtanden. „Sie wollen
entſchuldigen,” ſagte er, ſich zu mir wendend, „wir
müſſen draußen nachſehn, wo das Unheil hin
will!” Dann ging er mit dem Boten zur Thür
hinaus; aber auch die übrige Geſellſchaft brach auf
und folgte ihm.
Ich blieb mit dem Schullehrer allein in dem
großen öden Zimmer; durch die unverhangenen
Fenſter, welche nun nicht mehr durch die Rücken
der davor ſitzenden Gäſte verdeckt wurden, ſah man
frei hinaus, und wie der Sturm die dunklen
Wolken über den Himmel jagte. Der Alte ſaß
noch auf ſeinem Platze, ein überlegenes, faſt mit-
leidiges Lächeln auf ſeinen Lippen. „Es iſt hier
zu leer geworden,” ſagte er; „darf ich Sie zu mir
auf mein Zimmer laden? Ich wohne hier im
Hauſe; und glauben Sie mir, ich kenne die Wetter
hier am Deich; für uns iſt nichts zu fürchten.”
Ich nahm das dankend an; denn auch mich
wollte hier zu fröſteln anfangen, und wir ſtiegen
unter Mitnahme eines Lichtes die Stiegen zu einer
Giebelſtube hinauf, die zwar gleichfalls gegen Weſten
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin), April/Mai 1888. Erste Buchausgabe Berlin: Paetel 1888, diese wurde für das DTA zur Digitalisierung herangezogen.
Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/94>, abgerufen am 16.02.2025.
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