hatte ihm vorgehalten: "dann geht auch Hauke, Vater!" Da war dem Alten bange geworden, und Hauke war zum Großknecht aufgerückt, hatte aber trotz dessen nach wie vor auch an der Deichgraf- schaft mitgeholfen.
Nach einem andern Jahr aber begann er gegen Elke davon zu reden, sein Vater werde kümmer- lich, und die paar Tage, die der Wirth ihn im Sommer in dessen Wirthschaft lasse, thäten's nun nicht mehr; der Alte quäle sich, er dürfe das nicht länger anseh'n. -- Es war ein Sommerabend; die beiden standen im Dämmerschein unter der großen Esche vor der Hausthür. Das Mädchen sah eine Weile stumm in die Zweige des Baumes hinauf; dann entgegnete sie: "Ich hab's nicht sagen wollen, Hauke; ich dachte, Du würdest selber wohl das Rechte treffen."
"Ich muß dann fort aus Eurem Hause," sagte er, "und kann nicht wiederkommen."
Sie schwiegen eine Weile und sahen in das Abendroth, das drüben hinterm Deiche in das Meer versank. "Du mußt es wissen," sagte sie; "ich war heut' Morgen noch bei Deinem Vater und fand ihn in seinem Lehnstuhl eingeschlafen;
hatte ihm vorgehalten: „dann geht auch Hauke, Vater!” Da war dem Alten bange geworden, und Hauke war zum Großknecht aufgerückt, hatte aber trotz deſſen nach wie vor auch an der Deichgraf- ſchaft mitgeholfen.
Nach einem andern Jahr aber begann er gegen Elke davon zu reden, ſein Vater werde kümmer- lich, und die paar Tage, die der Wirth ihn im Sommer in deſſen Wirthſchaft laſſe, thäten's nun nicht mehr; der Alte quäle ſich, er dürfe das nicht länger anſeh'n. — Es war ein Sommerabend; die beiden ſtanden im Dämmerſchein unter der großen Eſche vor der Hausthür. Das Mädchen ſah eine Weile ſtumm in die Zweige des Baumes hinauf; dann entgegnete ſie: „Ich hab's nicht ſagen wollen, Hauke; ich dachte, Du würdeſt ſelber wohl das Rechte treffen.”
„Ich muß dann fort aus Eurem Hauſe,” ſagte er, „und kann nicht wiederkommen.”
Sie ſchwiegen eine Weile und ſahen in das Abendroth, das drüben hinterm Deiche in das Meer verſank. „Du mußt es wiſſen,” ſagte ſie; „ich war heut' Morgen noch bei Deinem Vater und fand ihn in ſeinem Lehnſtuhl eingeſchlafen;
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hatte ihm vorgehalten: „dann geht auch Hauke,
Vater!” Da war dem Alten bange geworden, und
Hauke war zum Großknecht aufgerückt, hatte aber
trotz deſſen nach wie vor auch an der Deichgraf-
ſchaft mitgeholfen.
Nach einem andern Jahr aber begann er gegen
Elke davon zu reden, ſein Vater werde kümmer-
lich, und die paar Tage, die der Wirth ihn im
Sommer in deſſen Wirthſchaft laſſe, thäten's nun
nicht mehr; der Alte quäle ſich, er dürfe das nicht
länger anſeh'n. — Es war ein Sommerabend; die
beiden ſtanden im Dämmerſchein unter der großen
Eſche vor der Hausthür. Das Mädchen ſah eine
Weile ſtumm in die Zweige des Baumes hinauf;
dann entgegnete ſie: „Ich hab's nicht ſagen wollen,
Hauke; ich dachte, Du würdeſt ſelber wohl das
Rechte treffen.”
„Ich muß dann fort aus Eurem Hauſe,”
ſagte er, „und kann nicht wiederkommen.”
Sie ſchwiegen eine Weile und ſahen in das
Abendroth, das drüben hinterm Deiche in das
Meer verſank. „Du mußt es wiſſen,” ſagte ſie;
„ich war heut' Morgen noch bei Deinem Vater
und fand ihn in ſeinem Lehnſtuhl eingeſchlafen;
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin), April/Mai 1888. Erste Buchausgabe Berlin: Paetel 1888, diese wurde für das DTA zur Digitalisierung herangezogen.
Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/86>, abgerufen am 16.02.2025.
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