hat Er ihn!" rief sie; "Sein Hauke hat ihn todt- geschlagen." Hierauf aber begann sie ein bitterliches Weinen; sie streichelte das dicke Fell des todten Thieres, legte ihm die Tatzen zusammen, neigte ihre lange Nase über dessen Kopf und raunte ihm unverständliche Zärtlichkeiten in die Ohren.
Tede Haien sah dem zu. "So," sagte er; "Hauke hat ihn todtgeschlagen?" Er wußte nicht, was er mit dem heulenden Weibe machen sollte.
Die Alte nickte ihn grimmig an: "Ja, ja; so Gott, das hat er gethan!" und sie wischte sich mit ihrer von Gicht verkrümmten Hand das Wasser aus den Augen. "Kein Kind, kein Lebigs mehr!" klagte sie. "Und er weiß es ja auch wohl, uns Alten, wenn's nach Allerheiligen kommt, frieren Abends im Bett die Beine, und statt zu schlafen, hören wir den Nordwest an unseren Fensterläden rappeln. Ich hör's nicht gern, Tede Haien, er kommt daher, wo mein Junge mir im Schlick versank."
Tede Haien nickte, und die Alte streichelte das Fell ihres todten Katers: "Der aber", begann sie wieder, "wenn ich Winters am Spinnrad saß, dann saß er bei mir und spann auch und sah
hat Er ihn!” rief ſie; „Sein Hauke hat ihn todt- geſchlagen.” Hierauf aber begann ſie ein bitterliches Weinen; ſie ſtreichelte das dicke Fell des todten Thieres, legte ihm die Tatzen zuſammen, neigte ihre lange Naſe über deſſen Kopf und raunte ihm unverſtändliche Zärtlichkeiten in die Ohren.
Tede Haien ſah dem zu. „So,” ſagte er; „Hauke hat ihn todtgeſchlagen?” Er wußte nicht, was er mit dem heulenden Weibe machen ſollte.
Die Alte nickte ihn grimmig an: „Ja, ja; ſo Gott, das hat er gethan!” und ſie wiſchte ſich mit ihrer von Gicht verkrümmten Hand das Waſſer aus den Augen. „Kein Kind, kein Lebigs mehr!” klagte ſie. „Und er weiß es ja auch wohl, uns Alten, wenn's nach Allerheiligen kommt, frieren Abends im Bett die Beine, und ſtatt zu ſchlafen, hören wir den Nordweſt an unſeren Fenſterläden rappeln. Ich hör's nicht gern, Tede Haien, er kommt daher, wo mein Junge mir im Schlick verſank.”
Tede Haien nickte, und die Alte ſtreichelte das Fell ihres todten Katers: „Der aber”, begann ſie wieder, „wenn ich Winters am Spinnrad ſaß, dann ſaß er bei mir und ſpann auch und ſah
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hat Er ihn!” rief ſie; „Sein Hauke hat ihn todt-
geſchlagen.” Hierauf aber begann ſie ein bitterliches
Weinen; ſie ſtreichelte das dicke Fell des todten
Thieres, legte ihm die Tatzen zuſammen, neigte
ihre lange Naſe über deſſen Kopf und raunte ihm
unverſtändliche Zärtlichkeiten in die Ohren.
Tede Haien ſah dem zu. „So,” ſagte er;
„Hauke hat ihn todtgeſchlagen?” Er wußte nicht,
was er mit dem heulenden Weibe machen ſollte.
Die Alte nickte ihn grimmig an: „Ja, ja;
ſo Gott, das hat er gethan!” und ſie wiſchte ſich
mit ihrer von Gicht verkrümmten Hand das Waſſer
aus den Augen. „Kein Kind, kein Lebigs mehr!”
klagte ſie. „Und er weiß es ja auch wohl, uns
Alten, wenn's nach Allerheiligen kommt, frieren
Abends im Bett die Beine, und ſtatt zu ſchlafen,
hören wir den Nordweſt an unſeren Fenſterläden
rappeln. Ich hör's nicht gern, Tede Haien, er
kommt daher, wo mein Junge mir im Schlick
verſank.”
Tede Haien nickte, und die Alte ſtreichelte das
Fell ihres todten Katers: „Der aber”, begann
ſie wieder, „wenn ich Winters am Spinnrad ſaß,
dann ſaß er bei mir und ſpann auch und ſah
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin), April/Mai 1888. Erste Buchausgabe Berlin: Paetel 1888, diese wurde für das DTA zur Digitalisierung herangezogen.
Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/41>, abgerufen am 16.02.2025.
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